Obermoschel Handyfotos aus dem Mittelalter beim Spectaculum auf der Moschellandsburg

Mächtig was los war am Wochenende auf der Lagerwiese.
Mächtig was los war am Wochenende auf der Lagerwiese.

Ganz profan und neuzeitlich geht es am Samstagnachmittag auf dem Mittelaltermarkt zu. Helfer schleppen Mineralwasserkisten auf die Moschellandsburg – Nachschub ist knapp. „Wir haben jetzt schon so viele Besucher wie sonst während der gesamten Veranstaltung“, berichtet Stadtbürgermeister Ralf Beisiegel.

Auf 6000 Gäste hatte Hans Ruppert fürs gesamte Wochenende gehofft. Diese Hoffnung des Vorsitzenden des Burgvereins dürfte mehr als erfüllt worden sein. Das Spectaculum auf der Moschellandsburg, das ist ein Stück weit Treffpunkt für die Mittelalterszene, ein Stück weit Erlebniswelt für die Besucher, natürlich auch Genuss von Gerichten und Getränken, die ein bisschen anders sind als zu Hause. In gewissem Maß ist der Markt sogar ein klein wenig Geschichtsvermittlung. Hierhin kommen seit Jahren viele Darsteller immer wieder gern, hierher zieht es Tausende Besucher, um beispielsweise Kuchen beim Burgförderverein zu genießen und einfach Freunde zu sehen – die man pandemiebedingt ja oft zwei Jahre lang kaum zu Gesicht bekommen hatte. Tatsächlich sei das Kuchenbüffet allein schon ein Aspekt, weswegen „die Fahrt lohnt“, sagt einer der Stammgäste des Marktes, Peter Ripberger, der aus Karlsruhe angereist ist. „Die Kuchentheke wird seit Jahren vom mitveranstaltenden Burgförderverein organisiert, wobei zahlreiche Frauen aus Obermoschel der Stadt und dem Verein hausgemachte Kuchen spenden“, erläutert der Vorsitzende des Burgfördervereins, Hans Ruppert.

Dicht an dicht genießen die Besucher im Burghof das kulinarische Angebot.
Dicht an dicht genießen die Besucher im Burghof das kulinarische Angebot.

Verkleiden ist verpönt

Er ist einer der vielen engagierten Szenegänger, die von April bis Oktober auf zahlreichen Mittelalterveranstaltungen anzutreffen sind. Wenngleich „Obermoschel für mich jetzt nicht der Markt ist, auf dem ich viel einkaufen kann“, wie Ripberger sagt, so steuert er doch immer wieder Obermoschel an, auch um Freunde und Bekannte zu treffen, berichtet der überaus elegant im italienischen Stil des Spätmittelalters gekleidete Gewandete – so nennt man die Darsteller auf Mittelaltermärkten, das Wort Verkleiden ist dort verpönt.

Szene aus dem Lagerleben: Sehr gut gekleidete Darsteller aus der Zeit des Hochmittelalters nähen an ihren Gewandungen.
Szene aus dem Lagerleben: Sehr gut gekleidete Darsteller aus der Zeit des Hochmittelalters nähen an ihren Gewandungen.

Noch exotischer auf dem sonst überwiegend von Darstellern aus der Wikinger- und Frühmittelalter-Szene geprägten Obermoscheler Mittelaltermarkt wirkt Günter Seegräber aus Armsheim bei Alzey. Als Musketier des ausgehenden 16. Jahrhunderts trägt er stilecht sein Bandolier über der Schulter und ist auch sonst sehr detailverliebt im Stile seiner Zeit gekleidet. Immer wieder sind solche „Exoten“ zu entdecken – hier ein einzelner Landsknecht, dort eine hochwertig gewandete adlige Dame, die dem ausgehenden 13. Jahrhundert zugeordnet werden kann.

Exot: Günter Seegräber mit Muskete und Bandolier – ein Darsteller, der das späte 16. Jahrhundert verkörpert.
Exot: Günter Seegräber mit Muskete und Bandolier – ein Darsteller, der das späte 16. Jahrhundert verkörpert.

Auch Elfen und Orks wollen dabei sein

Auch die eine oder andere bunte Elfe mit Flügeln und spitzen Ohren huscht über die Burg – Mittelalter und Fantasie sind auf der Moschellandsburg teils bunt gemischt. Und natürlich lässt auch die Herr-der-Ringe-Trilogie grüßen: Ein ganzes Lager voller Orks steht unterhalb der Kernburg. Die Darsteller sind einer der Hingucker an diesem Wochenende. Viele Besucher nutzen die Chance, sich mit Saurons Dienern ablichten zu lassen.

Ein Schindelschneider erklärt am Rand eines Lagers den Besuchern sein Handwerk.
Ein Schindelschneider erklärt am Rand eines Lagers den Besuchern sein Handwerk.

Etwas, das dem Mittelaltermarkt in Obermoschel – und vielen anderen Veranstaltungen dieser Art – einen ganz besonderen Charme verleiht: Händler und Darsteller nehmen sich Zeit, den Besuchern (Nichtgewandete werden Touris genannt) ihre Profession oder ihr Hobby ein Stück weit näher zu bringen. So sitzt Schumacher Bodo Danneck aus Niederalben am Stand und berät einen jungen Gewandeten, welches Leder er am besten für Schuhsohlen verwendet. Und auch seine Frau „Hexe“ nimmt sich Zeit für die Kunden: „Wir kommen schon viele Jahre hierher, Obermoschel ist immer ein schöner Markt mit netten Gesprächen“, lautet ihre Einschätzung. Auch Moritz Illmann betreibt an seinem kleinen Kaffeehaus Aufklärung. „Irgendwie trinkt fast ganz Europa Mokka, nur die Deutschen haben mit dem Filterkaffee eine anderen Kaffeekultur geprägt“, erklärt er einer Kundin, während er im heißen Sandbett den Mokka stilecht zubereitet. Wer einmal solchen gewürzten Kaffee, leicht versetzt mit Kardamom gekostet hat, der möchte mehr davon.

„Weiberzüchtigung“ hieß das tatsächlich: Glanländer Heiko Walther hat Monika in den Eisenkäfig gesperrt.
»Weiberzüchtigung« hieß das tatsächlich: Glanländer Heiko Walther hat Monika in den Eisenkäfig gesperrt.

Mobiltelefone statt faulem Gemüse

Echte Geschichtsvermittlung gibt es auch. Beispielsweise bei Hortus-Ecclesiae, wo Dirk Paliot hinter einem Tisch mit sehenswerten Ausstellungsstücken zu finden ist. Gebrauchsgegenstände, Waffen und Hausrat sind auf einem Tisch aufgebaut. Mittendrin sein Fotoband, in dem Paliot die Entstehung und die Quellenlage dokumentiert hat – zu jedem der gezeigten Stücke kann er etwas erzählen. Manche Besucher lassen sich gerne begeistern, andere stöbern lieber zum Bogenturnier und bewundern, wie die Schützen ihre Pfeile zielgenau auf die Scheiben abschießen.

Und dann gibt es noch die wirklich Mutigen, die sich sogar auf mittelalterliche Folter einlassen, sich fürs Foto kurz an den Pranger stellen oder sich gar einer „Weiberzähmung“ unterziehen. Dass die Zeiten sich geändert haben, zeigt sich auch bei dem Eisenkorb, den die Ritterschaft der Glanländer aufgebaut hat: In einem solchen waren im Mittelalter Straftäter oder liederliches Gesindel zur Schau gestellt worden. Einstmals wäre mit faulem Gemüse oder Straßendreck nach den Insassen geworfen worden.

Die Besucher, die auf dem Mittelaltermarkt in das eigentlich zur Strafe entwickelte Gerät steigen, müssen lediglich fürchten, dass Mobiltelefone fürs Foto gezückt werden. Doch auch dieser Aspekt des Mittelalters – der eines drakonischen Rechtssystem – bleibt dank der Glanländer in Erinnerung. Die Ritterschaft ist fast schon Inventar auf dem Obermoscheler Mittelaltermarkt. „Für mich ist das hier immer ein Grund, um Urlaub zu nehmen“, sagt Heiko Walter, der schon seit 1999 fast ununterbrochen dabei ist, wenn Stadt und Förderverein zum Fest auf der Burg einladen.

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