Donnersbergkreis „Habe gelernt, mich zu akzeptieren“

Abenteurer: Drei Jahre lang ist Anselm Nathanael Pahnke um die Welt geradelt.
Abenteurer: Drei Jahre lang ist Anselm Nathanael Pahnke um die Welt geradelt.

«Grünstadt.» 15.000 Kilometer durch 15 Länder an 414 Tagen auf dem Drahtesel – am morgigen Sonntag zeigt die Filmwelt Grünstadt die Doku „Anderswo. Allein in Afrika“ von Anselm Nathanael Pahnke. Der Ozeanograph und Geophysiker, Jahrgang 1989, der aus der Nähe von Hamburg stammt, ist durch die Einsamkeit des schwarzen Kontinents gestrampelt und anschließend durch den Rest der Welt. Insgesamt bewältigte er 40.000 Kilometer in drei Jahren. Anja Benndorf unterhielt sich mit ihm.

Herr Pahnke, Hamburger sind schon immer ein unternehmungslustiges Völkchen gewesen. Was treibt Sie in die Ferne, so sehr, dass Sie die Wohnung auflösen und sich für die Obdachlosigkeit entscheiden?

Die Neugierde! Ich war immer schon gern in der Natur und habe bereits ein paar kürzere Radreisen durch Europa gemacht. Afrika, in dem unsere Wurzeln liegen, hatte stets eine besondere Faszination für mich. So intensiv, kraftvoll und lebendig, so weit weg von dem, was ich gewohnt war. Es gab so viel, was ich mir nicht vorstellen konnte. Deshalb wollte ich los. Gäbe es nicht bequemere Arten zu reisen als auf einem Fahrrad? Mein Leben bestand schon immer daraus, sich die Dinge nicht leicht zu machen. Ich habe früh erfahren, dass ich mich selber herausfordern muss, um die Werte des Lebens kennen und schätzen zu lernen. Ich empfinde es als viel gefährlicher, sich gegen alles abzusichern, als der Angst zu begegnen und zu erfahren, zu was ich fähig bin. Mit dem Fahrrad bin ich flexibel, langsam, mit meinem Umfeld auf Augenhöhe und kann alles wahrnehmen. Wie viele Reifen mussten Sie ersetzen und wie viele Hosen haben Sie durchgescheuert? Ich bin mit einem Paar Mäntel durch Afrika gefahren. Auch die Sporthose hat sich lange bewährt auf den Tagesetappen, die unterschiedlich lang waren. Je nach Bedingungen – tiefer Wüstensand, steile Bergstrecken bis hin zu langen Teerstraßen – habe ich mit meinen 50 Kilogramm Gepäck jeweils fünf bis 150 Kilometer bewältigt. Der Afrika-Trip gehörte zu einer dreijährigen Weltreise. Wie finanziert man so etwas? Gab es Sponsoren? Ich wusste zu Beginn der Reise nicht einmal, wie lange ich unterwegs sein werde. Es gab keinen Plan und daher auch keine Sponsoren. Mein Film zeigt recht deutlich, dass ich kaum etwas brauche. Fast jede Nacht schlief ich in freier Wildbahn in meinem Zelt. Auf Bus und Bahn habe ich stets verzichtet und meine Reisekrankenversicherung lief nach einem Monat aus. Die einzigen Ausgaben hatte ich für Nahrungsmittel, Kleinigkeiten und Antragsgebühren für Visa. Wenn man sich mit dem Nötigsten glücklich fühlt, genügen vier bis fünf Euro am Tag. Nachdem Ihnen Ihre zwei Begleiter abhanden gekommen waren, sind Sie ja allein weiter gefahren. Würden Sie sich wieder so entscheiden? Ich glaube, dass viele von uns das Alleinsein scheuen und so ging es mir auch. Unser Umfeld spiegelt uns ständig wider, wer wir sind. Dieser Spiegel ist plötzlich weggefallen. Was sich vielleicht nach grenzenloser Freiheit anhört, war im ersten Moment ziemlich beängstigend. Ich war damit konfrontiert, mich mehr mit mir selbst auseinander zu setzen, mich zu definieren und mir selbst zu genügen. Ich habe gelernt, mich voll und ganz zu akzeptieren und kann seither viel leichter in Beziehungen gehen. Es war wichtig und wertvoll, einmal alleine zu sein, ich reise jetzt anders, aber wieder gerne in Gemeinschaft. Was war das größte Erlebnis? Die Erkenntnis, dass es für alles eine Lösung gibt, solange man unter Menschen ist. Ich hatte Malaria und andere schwere Krankheiten, Pannen und Unfälle. Aber immer habe ich gespürt, dass die Leute vor Ort das auch kennen und mir helfen. Menschen, die mich anlächeln, zum Abendessen einladen oder einfach nur mit mir meinen Reifen flicken. Diese Hilfsbereitschaft hat mich überrascht und mir ein tiefes Vertrauen geschenkt. Man muss nicht für alle Fälle vorbereitet sein, weil am Weg nicht nur Herausforderungen, sondern auch Unterstützung wartet. Wie wurden Sie bei Ihrer Tour persönlich verändert? Ich habe das bereits erwähnte tiefe Vertrauen entwickelt und konnte mich dem Kontinent und seinen Bewohnern zunehmend öffnen. Unvergessliche Begegnungen sind daraus erwachsen. Am meisten hat es mich fasziniert, wie wenig in den Köpfen der Leute die Zukunft eine Rolle spielt. Dadurch entsteht eine totale Aufmerksamkeit für die Gegenwart. Ich habe immer mehr verstanden, wie natürlich diese Art zu leben eigentlich ist. Auch habe ich mich selber auf der Reise kennengelernt und bin mein eigener Freund geworden. Wollen Sie letztendlich das Dokumentarfilmen zu Ihrem Beruf machen? Über meine zukünftigen Pläne habe ich mir angewöhnt, nicht zu reden. 85 Prozent der Doku-Filmer können laut einer Befragung von ihrem gefährlichen Hobby nicht leben. Was haben Sie für ein Konzept? Ich bin wohl mehr der Lebenskünstler. Ich brauche nicht viel, mache stets Dinge, die mich faszinieren. Wohin trägt Sie Ihr Drahtesel als nächstes? Ich habe keine Pläne für danach. Ich kann eine Brücke erst überqueren, wenn ich vor ihr stehe und mache mich daher nicht verrückt. Erst einmal steht eine lange Kinotour durch ganz Deutschland vor mir, auf die ich mich sehr freue. Ich möchte mit den Menschen in Kontakt kommen und über den Film und ihre Ängste vor dem Loslassen reden. Info Die Premiere von „Anderswo. Allein in Afrika“ in der Filmwelt Grünstadt läuft am morgigen Sonntag um 17.45 Uhr. Weitere Termine sind im Kino zu erfragen. Die 110 Minuten lange Dokumentation ist freigegeben ohne Altersbeschränkung. Karten unter www.filmwelt-gruenstadt.de.

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