Göllheim Gutenbergschüler gestalten erstmals Gedenkfeier zum Volkstrauertag mit

Die Jahrgangsstufe 12 hat mit Sozialkundelehrerin Dunja Hilbert (Mitte) Beiträge für die diesjährige Gedenkfeier zum Volkstrauer
Die Jahrgangsstufe 12 hat mit Sozialkundelehrerin Dunja Hilbert (Mitte) Beiträge für die diesjährige Gedenkfeier zum Volkstrauertag erarbeitet.

Die Gedenkfeier zum Volkstrauertag ist in vielen Gemeinden eine eher dröge Veranstaltung. Ansprache, Kranzniederlegung, und wenn man viel Glück hat, spielt eine Musikgruppe oder singt ein Chor. Die Zuhörer sind meist in der Altersgruppe 60 plus. In Göllheim ist das in diesem Jahr allerdings anders.

Noch vor gut einem Jahrzehnt konnte, wer an einer Gedenkfeier zum Volkstrauertag teilnahm, auf die Idee kommen, dass sich das alles doch im Wesentlichen überlebt habe. Pflichtschuldig wurde „der Toten und Vermissten beider Weltkriege“ gedacht, manchmal auch, allgemeiner, „der Opfer von Kriegen und Gewalt“, und gemahnt, dass Ähnliches nie wieder passieren dürfe. Wohl wissend natürlich, dass der Kalte Krieg zu Ende und weit und breit kein Feind in Sicht war. Not und Elend gab es zwar, spielte sich aber weit weg in anderen Weltgegenden ab.

Das hat sich in jüngster Zeit sehr gewandelt. Terroranschläge versetzen inzwischen auch die westliche Welt in Angst und Schrecken, und Flüchtlinge aus Ländern wie Syrien, Afghanistan und jetzt auch der Ukraine bringen ihre eigenen Geschichten von Krieg und Vertreibung mit. Zudem scheint der Zustand der Welt insgesamt derzeit alles andere als stabil. Auch jungen Menschen ist dies sehr bewusst – und plötzlich ist auch die Bereitschaft da, sich mit einem eigenen Beitrag an einer Veranstaltung wie dem Volkstrauertag zu beteiligen. In Göllheim sind dies in diesem Jahr Schüler der 12. Jahrgangsstufe der Gutenbergschule. Die Idee kam von Ortsbürgermeister Dieter Hartmüller.

Thema wird in Sozialkunde behandelt

„Herr Hartmüller kam auf die Schule zu und fragte, ob wir uns vorstellen könnten, uns am Volkstrauertag zu beteiligen“, sagt Sozialkundelehrerin Dunja Hilbert, gleichzeitig Koordinatorin der Fachoberschule. „Im Rahmen des Sozialkundeunterrichts bot sich das Thema Volkstrauertag ja an.“ Die Schüler hätten dann auch gleich Ideen entwickelt, welchen Beitrag man leisten könnte. Nach einigem Hin und Her entschlossen sich die Schüler dann dazu, in den Familien nachzufragen, wie etwa die Großeltern oder gar Urgroßeltern den Zweiten Weltkrieg selbst erlebt oder was die Eltern aus Erzählungen der älteren Generation vom Krieg mitbekommen haben. „Manche Schüler hatten so viel mitzuteilen, dass das vier Din-A-4-Seiten füllte“, so Hilbert. An dem Projekt hat sich die gesamte Jahrgangsstufe beteiligt, bei der Gedenkfeier selbst werden dann allerdings nur drei oder vier Schüler anwesend sein und die Ergebnisse der Befragung repräsentativ für alle vortragen.

Besonders aktiv waren dabei die Brüder Franz (Mitte) und Louis Georgi, hier mit Lehrerin Dunja Hilbert. Sie werden auch an der F
Besonders aktiv waren dabei die Brüder Franz (Mitte) und Louis Georgi, hier mit Lehrerin Dunja Hilbert. Sie werden auch an der Feier selbst mitwirken.

Besonders aktiv bei der Vorbereitung waren die Brüder Franz und Louis Georgi, 17 und 19 Jahre alt. Die beiden haben ohnehin eine soziale Ader, sind ehrenamtlich beim Katastrophenschutz als Rettungstaucher tätig und wollen später einmal Medizin studieren. „Es geht ja mittlerweile nicht mehr nur um die Opfer des Zweiten Weltkriegs, wir haben wieder einen richtigen Krieg ganz in der Nähe, in der Ukraine, dadurch ist das alles auch für uns nähergerückt“, sagt Franz. „Früher haben wir das nicht so empfunden, aber jetzt, wo wir älter sind, nimmt das Gespür zu, dass eine solche Gedenkfeier heute sehr aktuell ist. Es gibt Terroranschläge, eine Umweltkatastrophe – es ist in kurzer Zeit sehr viel passiert“, ergänzt Louis.

Ukrainekrieg weckt Ängste

„Mir ist aufgefallen, dass sich die Haltung der Schüler geändert hat, als der Ukrainekrieg begann“, erinnert sich Dunja Hilbert. „Die jungen Leute sind plötzlich mit vielen Fragen zu mir gekommen, hatten auch Ängste. Ich hatte fast den Eindruck, dass sie sich wünschten, ich könnte ihnen etwas Tröstendes sagen, dass es nicht so schlimm ist und dass alles wieder in Ordnung kommt. Sie wünschen sich Sicherheit.“ – „Für die Schüler ist auch bedrohlich, dass dieser Krieg in der Nähe stattfindet: Man bekommt die Fluchtphasen mit“, fügt Schulleiterin Christina Zils hinzu. „Inzwischen gibt es an der Gutenbergschule ukrainische Schüler und sogar eine ukrainische Lehrerin. Zudem kommen diese Menschen aus einer westlichen, uns verwandten Kultur. Dadurch rückt das Geschehen näher und wird durch die Angst, dass so etwas unter bestimmten Umständen auch bei uns passieren könnte, noch bedrohlicher. Das verunsichert die Schüler zusätzlich. Das war bei Schülern aus Syrien oder Afghanistan nicht so. Da waren eher die Erlebnisse auf der Flucht das Thema.“

Parallelen zwischen 1944 und heute

Viele der befragten Familienmitglieder können sich noch bewusst an den Krieg erinnern. „Meine Urgroßmutter war 16 als 1944 der Angriff begann“, schreibt zum Beispiel ein Schüler. „Sie erzählte mir, dass es früh am Morgen war und sie nicht wusste, was los ist. Alle strömten in den Keller der Kirche, wo sie acht Tage lebten.“ – Ähnliches hat man in jüngster Zeit von Menschen aus der Ukraine gehört.

Ein Großvater erzählte seiner Enkelin von der Flucht aus Ostpreußen bei minus 25 Grad im Februar 1945, wie eine Schülerin schreibt. „Besonders geschockt war unsere Uroma als sie sah, dass eigentlich respektable und freundliche Personen wie Lehrer oder Polizisten plötzlich zu Mitläufern oder Tätern wurden“, erzählen Franz und Louis. Der Urgroßvater, der aktiver Nazigegner war, wurde eingezogen und galt viele Jahre lang als vermisst. „Erst 2001 bekam unsere Uroma, die über 100 Jahre alt wurde, eine Mitteilung, dass seine Erkennungsmarke in einem Massengrab in Tschechien gefunden wurde.“

Gedenkfeier

Die Gedenkfeier findet am Sonntag, 13. November, ab 11.15 Uhr auf dem Göllheimer Friedhof statt. Neben den Schülern der Gutenbergschule sind weitere Mitwirkende die Ortsgemeinde, die Kirchengemeinden, der VdK und der Göllheimer Musikverein.

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