Donnersbergkreis Farben, Formen und Pfälzer Hottentotten

Gut besucht war bei der Kulturnacht Bernd Zergers Ausstellung mit Fotografien aus dem Iran – Bilder aus dem „Reich des Bösen“.
Gut besucht war bei der Kulturnacht Bernd Zergers Ausstellung mit Fotografien aus dem Iran – Bilder aus dem »Reich des Bösen«.

«KIRCHHEIMBOLANDEN.» Im großen Saal der Stadthalle Kabarett mit „Spitz und Stumpf“ nach Pfälzer Art, handfest und schlitzohrig, verabreicht in drei Gängen. Friedel Spitz alias Bernhard Weller, der hagere Aniliner, und Götz Walter als Eugen Stumpf, weinselig-rundlicher Winzer, geben ihr Bestes. „Sinner gut druff?“ „Ei jo.“ Schnell sind Spreu von Weizen getrennt, in diesem Fall Pfälzer von „Rhoihesse, Saarlänner und denne Leit aus Hochdeitschland“. Letztere sind die Schlimmsten. Am Wochenende fallen sie ein, um die Schönheit der Pfalz zu preisen, sich den Bauch mit deftiger Küche vollzuschlagen und sich dann an der schwer verständlichen Sprache der Einwohner zu stoßen. Na ja, da waren schon ganz andere hier, mit denen man fertig wurde! Erst die Römer. Spitz, der Intellektuelle, hat bei Tacitus recherchiert. Irgendwann haben die dann aber doch ihren Bettel gepackt und sind wieder ab nach Rom, auch der Tacitus mit seiner Tacitussi. Immerhin brachten die antiken Invasoren Kulturgüter wie „de Woi“ und die Porta Nigra mit („was, das alde kaputte Ding?“). Aber dann die Franzosen, gleich viermal waren die da! Und hinterließen das „Trottwa“, das tête à tête im chambre séparée und „die Plaisir“ unterm Plumeau, ach ja, und das Pissoir. Fazit: Wir sind ein schützenswertes Naturvolk, „Pälzer Hottentotte“ – das Stichwort liefert die Hott (Gefäß zur Traubenlese) auf der Bühne. Der Pfälzer Wald als Biosphärenreservat, am besten eingezäunt und mit Eintrittsgeldern finanziert. In Urlauten wird gerappt: „Her emol, her! Mit uns do kann sich keener messe, Saarlänner, Schwowe un Rhoihesse... Mir sinn die Allerbeschde im deitsche wilde Weschde.“ Die Stimmung steigt, im dritten Durchlauf kommen die beiden Erzkomödianten nicht ohne Zugabe davon. Viel Laufkundschaft ist unterwegs und schaut mal rein oder verweilt. Sehr gut besucht ist im oberen Stock Bernd Zergers Ausstellung, die mit liebenswerten und sinnlich schönen Fotografien aus dem Iran das angebliche „Reich des Bösen“ konterkariert. Im Foyer musiziert das chilenische Duo „Los muchachos“ (Victor Bustamante, Geige, und Roberto Andrade, Gitarre) Lieder von Victor Jara. Voller Sehnsucht und hochemotional. „Amnesty International“ verkauft Bilder (darunter Werke von Horst Schwab und Hermann Hoormann), und vor etwa 40 Zuschauern spielen Siggi Bohnstedt und Werner Breuder vom Puppentheater „Borzelkaschde“ eine kindgemäße Szene zum Thema „Flucht“. „Brüderlein, komm tanz mit mir“ – das putzige Liedchen im Auftakt steht in krassem Gegensatz zu der Situation: Ein Mann flieht mit seinem Kind aus einem Kriegsgebiet, vermutlich Syrien, die Mutter und Brüderchen Jussuf sind bereits tot. „Im Himmel“, sagt der Vater. Die Akteure sind unsichtbar, der Dialog findet hinter einer hohen Mauer statt, die sie überwinden müssen. Stampfende Marschtritte im Gleichschritt, dargestellt von einem pelzgefütterten Winterstiefel mit bösen Knopfaugen, eine Trillerpfeife und schrille Scheinwerfer bestimmen das Versteckspiel der Flüchtlinge. „Papa, wann sind wir da?“, fragt die Kinderstimme. „Bald. Ich werde einen Weg finden.“ Der Stiefel tritt noch härter und bedrohlicher auf, der Stacheldraht auf der Mauer wächst immer weiter – hier optisch etwas verharmlost durch die Verwendung einer Glitzerkette. „Der schwarze Stiefel – ist das der Krieg?“ Schließlich findet sich eine lose Stelle im Mauerwerk. Die Rettung. Jetzt müssen sie weiter, zum Fluss. „Kind, ich hole dich“, verspricht der Vater. „Wohin, wenn die Stiefel uns erwischen?“ „Zu Mama und Jussuf.“ Zuletzt bleibt der Stiefel im Mauerloch hängen. Das Spiel ist aus. Unbedingt sehenswert sind die künstlerischen Keramiken im Ostflügel der Orangerie, präsentiert vom Kunstverein Donnersberg. Der helle, großzügig bemessene Raum ist prädestiniert für Dreidimensionalität. Mit den Worten „eine unglaublich qualitätvolle Ausstellung – ich verneige mich vor diesen tollen Plastiken“, eröffnet Uli Lamp, Bildhauer und Vereinsvorsitzender, die sehr gut besuchte Vernissage und stellt die vier beteiligten Künstlerinnen vor, die ihre Intentionen und individuelle Arbeitsweisen mit hohl aufgebauter Keramik kurz umreißen. Christiane Luise Rapp ist mit Torsos und Figuren voller Spannung und Bewegung vertreten, jede scheint eine Geschichte mitzubringen. Etwa „Gestürzt“, oder die „Königin der Nacht“, die hier so düster und tragisch auftritt. Überlebensgroß, vierteilig aufeinandergebaut: die archaisch-elementare „Wächterin“ Susan Geels. In „Raumwelten“ bricht Geel ihre Skulpturen auf und zeigt Einblicke in deren Innenleben, das sie mit eigener Farbgebung und Formung betont. Carmen Stahlschmidt schuf sehr markante Portraits – unter anderem von Künstlerpersönlichkeiten wie Maurice Ravel und Louise Bourgeois, daneben kraftstrotzende Tiere. Witzig und ungeahnt menschlich: die Tiergestalten von Dorothee Wenz, die zudem Edelgefäße aus Ton und eingefärbtem Porzellan brennt. In Philipp Webers „Farbenreich“ in der Schlossstraße verdeckt der Besucherandrang die Exponate, auch in der Buchhandlung Sattler ist man zufrieden mit dem Publikumsinteresse. Nicht ganz so voll wie sonst ist die Paulskirche beim traditionellen Abschluss, Thema ist diesmal „Heimat- zwischen Himmel und Erde“ mit Kunstausstellungen von Ariane Terboven und Geflüchteten, dem Ballett Flex & Point, Flötenwohlklang mit dem Quartett Reinhardt und „Faust für Orgel“ von Petr Eben (geboren 1929). So infernalisch böse und verstörend wie in diesem mörderischen Kampf zwischen Himmel und Hölle war Martin Reitzig an der Stumm-Orgel noch nie zu hören! Traumhaft schön die Schlusslichter der LED-Show „Cyber Lights“ in der dunklen Kirche. Ein wunderbares Spektakel aus sprühender Farbjonglage, Tanz und bunter Magie. Info „Spitz und Stumpf“ gastieren am 16. September in der Stadthalle. Die Keramik- Ausstellung in der Orangerie ist bis zum 20. August täglich von 16 bis 19 Uhr geöffnet. Am Dienstag (15. August) um 19 Uhr erzählen die vier Künstlerinnen über Technik und Möglichkeiten ihrer Keramiken.

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