Donnersbergkreis Es kommt auf den Ess-Typ an

Kirchheimbolanden. Zwei Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen in Deutschland sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) übergewichtig. Ein Viertel der Erwachsenen gilt sogar als stark übergewichtig, adipös. Nach einem Bericht der Barmer GEK dürften rund 2700 Männer und 3600 Frauen im Donnersbergkreis betroffen sein. Jutta Glaser-Heuser sprach über dieses Thema mit der Ernährungsberaterin Stephanie Moser aus Bolanden.

Frau Moser, wie ist Ihre Erfahrung, werden die Menschen immer dicker?

Es ist zumindest so, dass ich es in meiner Praxis immer häufiger mit Menschen zu tun habe, deren BMI zwischen 35 und 40 ist. Früher bewegte sich das eher im Bereich zwischen 30 und 35. Was bedeutet das konkret? In erster Linie heißt es, dass die Leute oft sehr lange warten, bis sie den Weg einer individuellen Ernährungsumstellung gehen. Und oft schon sehr viel Erfahrung mit Diäten mitbringen, die natürlich – sonst würden sie ja nicht kommen – nicht zum Erfolg geführt haben. Welche Diäten sind das, die mehr versprechen als sie halten? Das geht von der Kohlsuppendiät über einseitige Diäten mit sehr wenig Kalorien bis zu Diäten auf Basis von Drinks und vieles andere. Gemeinsam ist ihnen, dass sie immer schnelle Erfolge versprechen ohne großen Verzicht, eine eigentliche Umstellung des Essverhaltens aber nicht stattfindet. Und das ist das eigentliche Problem? Es ist dann kein Problem, wenn es um wenige Pfunde geht, die jemand verlieren will, beispielsweise nach einem Urlaub. Sobald es aber um mehr geht, ist ein schneller Erfolg auch nur selten ein dauerhafter Erfolg. Wie gehen Sie also vor? Zunächst ist es wichtig herauszufinden, welcher Esstyp der Betreffende ist. Es gibt übergewichtige Menschen, die essen nur einmal am Tag, meist am Abend nach getaner Tat, als Belohnung. Dann aber essen sie unkontrolliert und nicht selten riesige Mengen. Oder die sogenannten Snacker, die den ganzen Tag über ständig irgendwelche Kleinigkeiten essen. Deshalb ist es für mich erst einmal wichtig herauszufinden, welcher Esstyp da vor mir steht. Wissen das diejenigen nicht? Oft nicht, zumindest nicht genau. Ich gebe meinen Klienten beispielsweise am Anfang einer Beratung immer den Auftrag, über mehrere Tage exakt aufzuschreiben, wann, was und wieviel sie essen und trinken. Dabei soll aber bewusst nichts verändert werden. Da kommen dann viele und erzählen, dass sie selbst völlig erstaunt sind, wie oft sie am Kühlschrank stehen und zwischendurch naschen. Woran liegt das, dass manche Menschen diese unguten Essgewohnheiten annehmen? Nach meiner Einschätzung ist es in vielen Fällen eine Sache der Psyche. Die Einmal-Esser sind beispielsweise oft sehr gestresste Menschen. Sie nehmen sich keine Zeit für die Esspausen und entspannen sich dann abends beim Essen. Das Essen hat auch für viele Menschen einen Belohnungszweck, im Sinne von „Ich habe etwas geleistet, jetzt gönne ich mir dafür ein gutes Essen“. Es ist wichtig, das zunächst einmal für sich selbst herauszufinden und daran zu arbeiten. Aber Gewohnheiten kann man nun mal nicht in kurzer Zeit ablegen, und das ist auch der Grund, warum manche Menschen dann so schnell wieder zunehmen. Haben Sie auch mit anderen Essstörungen und ernährungsbedingten Krankheiten zu tun? Auch mit Magersucht oder den Vorstufen dazu, und auch mit Menschen, die krankheitsbedingt auf ihre Ernährung achten müssen, weil sie beispielsweise eine Nahrungsmittelallergie, Morbus-Crohn oder eine andere Darmkrankheit haben. Wie lange begleiten Sie Ihre Klienten? Zwischen drei und neun Monaten im Schnitt. Das kommt natürlich auf den Einzelfall an. Aber gerade Menschen, die eine Adipositas-Operation hatten, brauchen anschließend längere Zeit Unterstützung. Nach meiner Meinung müsste die noch länger gehen, sonst besteht einfach die Gefahr, wieder in alte Gewohnheiten zu verfallen. Einerseits gibt es immer mehr übergewichtige Menschen, aber auf der anderen Seite ja auch immer mehr, die sehr genau darauf achten, was sie essen. Vegetarisch oder vegan essen steht beispielsweise hoch im Kurs, ebenso die kohlenhydratfreie Ernährung. Was halten Sie davon? Es ist schon wichtig, dass man den eigenen Vorlieben bei der Ernährung und auch bei einer Diät Raum gibt. Wer sich vorwiegend ohne Kohlenhydrate ernähren möchte, soll das tun, es spricht nichts dagegen. Aber wenn jemand sofort sagt, dass er ohne Nudeln nicht kann, dann sollten die auch auf dem Plan stehen. Es muss dann allerdings ein Weg gefunden werden, dass es nicht zu viel wird und dass es möglichst Vollkornnudeln sind.

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