Donnersbergkreis Ein Bauchgefühl – das von ganz tief innen

Die beiden Rockenhausener Lokalredakteure Rainer Knoll und Lorenz Hofstädter geben in einer kleinen RHEINPFALZ-Serie ihre Tipps zu den WM-Spielen der Deutschen Fußball-Nationalelf ab. Knoll ist das wandelnde Fußball-Lexikon, der alle WM- und EM-Spiele der Deutschen aus den vergangenen Jahrzehnten quasi als Mediathek im Kopf hat. Hofstädter dagegen vergisst eher schnell, tippt also notgedrungen aus dem Bauch heraus. „Wann die Leit wissten, dass es Bauchgefühl so ganz ohne Gefühl am Bauch tippt ...“ Eigentlich wollte Hofstädter die vollkommene Taubheit entlang seiner Gürtellinie in unserer Serie Lexikon gegen Bauch nicht thematisieren. Warum auch? Was hat denn sein schwerer Frontalzusammenstoß auf dem Heimweg von der RHEINPFALZ im vorigen Jahr mit dem diesjährigen Tippen der deutschen WM-Spiele zu tun?! Nix. Aber heute ist das ganz, ganz anders. Denn heute feiert Hofstädter seinen ganz persönlichen ersten Geburtstag: Unfalltag war nämlich der 8. Juli 2013. Und nicht nur die Einsatzkräfte hatten sich damals gewundert, dass nach diesem Mammut-Crash überhaupt einer lebend aus dem Auto gekommen ist. „Nur“ seine Bauchdecke – inklusive Muskulatur und Nerven – hatte es komplett zerrissen. Diese „Wiedergeburt“ sollte am 8. Juli im Kreis seiner Familie gefeiert werden. Nur: Vom Opa bis zum Urenkel sind allesamt absolute Fußballnarren. Und nun spielt Deutschland im WM-Halbfinale gegen Brasilien – bei einem Sieg wäre der Tag rundum perfekt. „Dass so viel Schäänes uff ämol bassiert, gebt’s im Lewe normal net.“ Das zweckpessimistische Lexikon schüttelt bei der Vorstellung über so viel Glück mit dem Kopf. Nach seiner Logik kann es heute Abend gegen Brasilien UNMÖGLICH was werden. Oder? „Unser seit 1988 – damals im EM-Halbfinale 1:2 gege Holland – makellose Halbfinal-Bilanz hot jo mit däre Niederlage in de Velängerung gege Italie 2006 en Knacks krieht. Gut, gege die Türke hunn mer uns zwää Johr später bei de EM noch grad so derchgeworschtelt. Awer denoh zwää Niederlage.“ Also wird’s wieder nix? Das Lexikon legt nach: „Mer hunn des immer subber gemacht, wann unsern Gegner en Star in de Mannschaft hatt. Des war 1990 so gege Argentinie, als de Guido – genannt ’Diego’ – Buchwald de Maradona ausgeschalt hott. Aach 2010 hann mer gege Argentinie de Messi kaltgestellt, de Ronaldo vun de Portugiese jo schunn e paar Mol. Aach mit em Neymar wärn mer klar kumm. Awer jetzt, wu der ausfallt, sinn die Brasilianer trotzisch unn viel schwerer ausrechenbar. Des hann ich glei gsaat – jetzt hott’s aach de Jogi gemerkt un im Fernseh nohgebabbelt.“ Klar, auch das Lexikon wär’ ein klasse Bundestrainer. Aber ist er auch ein guter Tipper? „Aach wann’s mer lääd duht fer uns all un fer em Bauch sein große Daa heit: 2:1 fer Brasilie.“ Dieser Zweck-Pessimismus treibt den Bauch noch mal in den Wahnsinn. Dabei müsste es das Lexikon doch besser wissen: Im Frühjahr des Jahres 2004 war seine Frau schwanger, gegen Ende seiner Ausbildung hatte Knoll noch keine Zusage für eine feste Redakteursstelle bei der RHEINPFALZ und sein 1. FCK spielte – mal wieder – in der Bundesliga gegen den Abstieg (übrigens: Diese Reihenfolge hat der Bauch so gewählt!). Sein „Tipp“ damals zu den drei bevorstehenden Herausforderungen: „Des kann umeechlich alles gleichzeitig gut werre.“ Und was war? Seine Lilli ist putzmunter auf die Welt gekommen, einige Zeit darauf hat er die Redakteursstelle in Rockenhausen bekommen und der FCK ist nicht abgestiegen! „Jo, hosch jo Recht“, gibt das Lexikon kleinlaut zu. Und er erinnert sich an das 1:1 gegen den BVB im letzten Saisonspiel im Mai: „Die Lilli war do grad fünf Daa alt un mer warn uff de Hochzeit vum Volker Bauer.“ Die Live-Berichterstattung übers Betze-Spiel hat Knoll damals auf dem Steinbacher Bürgerhausplatz am Autoradio verfolgt Der Bauch – ebenso wie das Lexikon FCK-Sympathisant – hat an dieses Spiel null Erinnerung. Wenn heute aber kurz vor 22 Uhr die deutsche Nationalhymne gespielt und gesungen wird, hat er seine Frau und seine Tochter im Arm. Und die werden sich erinnern: dass sie exakt zu diesem Zeitpunkt vor einem Jahr mit den schrecklichsten Befürchtungen in den Flur der Unfallklinik gekommen sind. Die Helfer vom Kriseninterventionsdienst hatten ja nichts Genaues sagen können. Aber dann ist alles wieder gut geworden. Von daher könnte der Bauch heute auch gut mit einer Niederlage „leben“. Könnte er – muss er aber nicht. Er tippt ein 3:1 für die Deutschen. Das sagt ihm sein Bauchgefühl – das von ganz tief innen. (lor)

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