Donnersbergkreis „Dieses Know-how ist schon Wahnsinn“

Bei der gestrigen Leser-Tour im Rockenhausener Werk der Firma Adient waren die Besucher voll bei der Sache. Hier erläutert Werkl
Bei der gestrigen Leser-Tour im Rockenhausener Werk der Firma Adient waren die Besucher voll bei der Sache. Hier erläutert Werkleiter Martin Queck unterschiedliche Profile von Sitzschienen.

«ROCKENHAUSEN.»Karl Carra aus Gehrweiler hat’s auf Pfälzisch-Englisch auf den Punkt gebracht: „Des is schunn Wahnsinn, wann mer sieht, was do fer e Know-how dehinner steckt.“ Und Fred Weber aus Gonbach ergänzte: „Ich bin froh, dass ich mich angemeldet habe.“ Mitgebracht hat er seine Tochter Lea – die Abiturientin beginnt im September beim Sitzehersteller eine Ausbildung zur Industriekauffrau. Was sie bei der gestrigen Leser-Tour der RHEINPFALZ gesehen hat, dürfte sie in ihrer Wahl bestärkt haben. Die Zahlen, die Werkleiter Martin Queck im Beisein von Personalchef Axel Bechberger und dem für die Investitionsplanung am Standort Rockenhausen zuständigen Heiko Opp genannt hat, sprechen für sich. Adient – vielen noch unter dem bis zum Verkauf 2011 bestehenden Namen Keiper bekannt – ist der weltweit größte Hersteller von Autositzen (Umsatz 2018: 17,4 Milliarden US-Dollar), hat 234 Standorte in 34 Ländern. Der Marktanteil: 33 Prozent – das bedeutet, „in jedem dritten Fahrzeug ist ein Sitz von Adient“, so Opp. Auch in China ist das Unternehmen aktiv, hat 21 Joint Ventures mit einheimischen Firmen. Alle renommierten Automarken zählen zu den Kunden – von VW über Ford oder Fiat bis hin zu Daimler und Chrysler. Gleich zwei Mal führendes Werk Aus welchen Gründen das Nordpfälzer Werk in dieser Maschinerie einen besonderen Platz einnimmt, haben die Besucher zunächst zu hören, bei der Führung durch die Produktion dann auch zu sehen bekommen. Hergestellt werden hier Metallteile für Sitzkomponenten, teils noch das komplette Metallgerüst, Sitzstrukturen genannt. Letztere laufen aber sukzessive aus, wie Queck mitteilte: Sie werden heute vor allem in den Niedriglohnländern Osteuropas gefertigt, „weil die Automatisierung an dieser Stelle schwerer umzusetzen ist“. Weit fortgeschritten – zurück zum hohen Stellenwert des Standorts – ist dieser Prozess dagegen bei zwei Produkten, für die Rockenhausen weltweit „Lead Plant“, also führendes Werk innerhalb des Konzerns ist: zum einen beim – man kann sagen berühmten – standardisierten Lehneneinsteller Taumel, der laut Queck „im Fiat 500 ebenso wie im Maybach zu finden ist“. Seit 1996 sind in Spitzenzeiten pro Tag rund 200.000 Exemplare vom Band gelaufen, heute seien es noch über 100.000, so Queck. Die Kurve zeigt deshalb nach unten, weil seit 2014 eine neue Generation auf dem Markt ist: der Taumel 3000. Dieser ist bei gleicher Leistung etwa 25 Prozent leichter und löst Schritt für Schritt das Vorgängermodell ab. Eine Erfolgsgeschichte ist zum anderen die Produktion von Profilen für Sitzschienen, für die im Vorjahr eine Großpresse mit 1600 Tonnen Presskraft in Betrieb genommen worden ist – sie sorgte gestern bei den RHEINPFALZ-Lesern für bewundernde Blicke. Die sogenannte Servo-Technik ermöglicht eine Hubzahl von bis zu 50 Stück pro Minute – die Konkurrenz bringt es bislang auf unter 30. „Wir sind hier Dreh- und Angelpunkt für viele Werke in der ganzen Welt, von Amerika bis China“, fasste Opp die Bedeutung des Rockenhausener Werkes im Adient-Verbund zusammen. Lehrwerkstatt und Werkzeugbau Deutlich machten die Verantwortlichen aber auch, dass das Ansehen Rockenhausens mehr als die Summe der hier produzierten Teile ist. Oder, wie Queck es formulierte: „Der ganze Erfolg fußt auf unseren Mitarbeitern.“ Deren Kompetenz, die mit fortschreitender Technik noch stärker als früher gefragt ist, gründet auch auf der firmeninternen Lehrwerkstatt. In dieser sind seit 1964 über 1300 Lehrlinge ausgebildet worden – viele bleiben dem Betrieb ihr komplettes Berufsleben treu. Und sie tragen wesentlich dazu bei, dass im Laufe der Jahrzehnte eine Kompetenz-Kette entstanden ist. Da ist etwa der von Volker Wernz erläuterte Werkzeugbau: 80 Prozent der am Standort eingesetzten Werkzeuge werden hier hergestellt, mit Computersimulationen wird schon vorher geprüft, ob und wie gut sie funktionieren. Oder die Stanzerei, in der täglich bis zu 250 Tonnen Rohmaterial zerlegt werden. Sascha Stein informierte über das Schneiden von Feinteilen für die Lehneneinsteller mit Hilfe von elf hydraulischen Pressen, die ein hohes Volumen in kurzer Zeit erzielen. Wolfgang Vogt erklärte das neue Verfahren zur Wärmebehandlung, nachdem die Teile bei 900 Grad gehärtet wurden: Statt mit Öl wird das Metall nun mit Luft abgeschreckt – je sanfter dies geschieht, umso geringer ist die Deformation. Apropos: Die Produktion unterliegt strengen Qualitätskontrollen, ständig wird geprüft, gemessen, überwacht. Überall hängen Bildschirme, die alle relevanten Daten anzeigen. Diese werden in einem Report gebündelt, wie Thomas Weber im Zusammenhang mit dem bei Adient gültigen Wertesystem erläuterte. Dieses führe unter anderem dazu, so Opp, dass hier „ultra-transparent“ gearbeitet werde. Ein Chip-System, mit dem sich der komplette Produktionsprozess eines Teils nachvollziehen lässt, die weitere Entwicklung der im Werk zum Material-Transport schon eingesetzten selbstfahrenden Fahrzeuge, wie sich mit deren Weiterentwicklung für den Straßenverkehr die Anforderungen an Autositze verändern und, und, und: Die Teilnehmer hatten eine Flut von Informationen zu verarbeiten. Dass diese sie nicht erschlagen haben, zeigte sich in der folgenden Gesprächsrunde: Noch eine halbe Stunde wurde gefragt, diskutiert, sich ausgetauscht – von Detailfragen zur Produktion bis hin zu Prognosen bezüglich des künftigen Wettbewerbs mit China. In einem waren sich alle einig: Der Besuch bei Adient war ein Volltreffer.

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