Donnersbergkreis „Die Musik hält uns jung“
Gestandene Männer blicken konzentriert auf die Noten, schauen aufmerksam nach vorne, hören, was der Dirigent sagt, stimmen an, brechen auf Kommando ab, wiederholen das Ganze noch mal. Karl Decker ist erst zufrieden, wenn der Klang sauber rüber kommt – als Dirigent ist er hartnäckig.
Die Zellertaler „Old Brass Band“ steht seit ihrer Gründung 2001 für gute traditionelle Blasmusik, und das unter der Leitung Karl Deckers aus Marnheim. Zwar hat er nie als Profi-Musiker gearbeitet, aber sein ganzes Leben professionell Musik gemacht, von der Pike auf gelernt und sich immer weitergebildet. Dabei war es nicht klar, dass die große Liebe beim Messing-Blech – so die Übersetzung des englischen „Brass“ – erfüllt würde. Begonnen hat Karl, Jahrgang 1935, mit der Geige. Schmunzelnd erinnert er sich an die ersten Unterrichtsjahre in Marnheim beim damaligen Dorfschullehrer, später wurde nach Jakobsweiler geradelt, um Unterricht zu erhalten. Mit 16 spielte Karl im Orchester des Donnersberger Musikvereins in Kirchheimbolanden und stieg nach geraumer Zeit um auf die Posaune. Posaunisten waren damals Mangelware, und aus dem aufmunternden „Probier’s doch mal“ ist eine echte Leidenschaft geworden. Das Posaunenstudium in Kaiserslautern am Konservatorium, die Ausbildung zum Dirigenten und über viele Jahre die Lehrtätigkeit für die Posaune und das tiefe Blech bestimmten dann einen großen Teil des Alltags. Selbst zu musizieren und mit anderen Stücke zum Klingen zu bringen, als Dirigent das Gesamte zu steuern, bedarf guter Ausbildung. Zwei Jahre lang besuchte Decker berufsbegleitend die Bundesakademie für musikalische Jugendbildung in Trossingen und schloss dort die Ausbildung zum Dirigenten mit Auszeichnung ab. „Diese Zeit war prägend und sehr schön, mit den Jahrgangskollegen habe ich noch sehr lange Kontakt gehabt“, erzählt er. Man habe sich getroffen, um zu musizieren, mal in München, mal in Stuttgart, auch für den SWF habe man gemeinsam das Blech zum Klingen gebracht. Als Dirigent und Ausbilder hat Decker jahrzehntelang die musikalische Welt im Kreis mitgeprägt. Über 19 Jahre hat er den Musikverein Bolanden geführt und etliche junge Musiker ausgebildet, acht Jahre lang die Kolping-Kapelle Zell dirigiert. Daneben war er immer noch in anderen Formationen aktiv, auch als das Dirigieren nicht mehr an erster Stelle stand. Mit seinem Sohn Klaus, einem profilierten Saxofonisten, spielte er etwa in der Donnersberg Big Band unter Wendelin Krill oder in der Dürkheimer Weinstraßen-Brass-Band. Doch dann kam die Zeit, „da hat das Fell wieder gejuckt, selbst zu dirigieren“, lacht er, der als ehemaliger begeisterter Eisenbahner auch hier Hobby und Beruf verknüpft hat: Die Werkskapelle bei der Bahn in Kaiserslautern war musikalische Heimat, als Werkmeister steuerte er in seinem Beruf viele Jahre die Ausbildung junger Menschen. Eisenbahn-Modellbau ist eins zweites große Betätigungsfeld, doch ohne Musik geht es nicht. Mit älteren Musiker-Freunden traf man sich, „um ohne Stress ein bisschen Musik zu machen“, daraus ist die „Zellertaler Old Brass Band“ geworden. Heute hat die Stamm-Besetzung zehn bis zwölf Mann, bis zu 15 haben schon mitgespielt. „Wir sind alles ältere Herren, und unsere Aufnahmebedingungen sind der Rentenbescheid und die Trinkfestigkeit“, blitzt wieder der Humor auf. Doch das ist schon tiefgestapelt, denn es sind alles erfahrene Bläser-Kollegen und Schlagzeuger. „Einer kommt sogar regelmäßig von Lauterecken zu uns. Wir spielen Märsche, Polka, Egerländer, alles was Spaß macht. Es ist die Musik unserer Generation für unsere Generation“. Einmal im Monat ist öffentliche Probe, meist dienstags in Einselthum in „Wellers Weinhäusel“. Immer wieder werden die Musiker-Senioren auch für karitative Zwecke gebucht, so haben sie schon mehrfach im Wolfsstift und im Kirchheimbolander Schloss gespielt, hatten herrliche Erlebnisse auf der WM-Fan-Meile in Kaiserslautern, bei der Landesgartenschau in Bingen und auch auf der Bundesgartenschau in Koblenz. Doch ohne richtige Probe geht nichts. Einmal wöchentlich treffen sich die Musiker im Zeller Kolpingheim, und da wird dann gefeilt. Die Sitzpositionen werden überprüft, denn die Tuba muss immer übers Orchester blasen, die Intonation ist wichtig. „Die Musik lebt von der Dynamik“, erklärt der Dirigent, der es als seine Aufgabe sieht, das umzusetzen, was der Komponist vorgegeben hat und nicht nach eigenen Vorstellungen zu arbeiten. Die Kunst, richtig vortragen zu können, ist entscheidend, nicht zuletzt das hat Decker in seiner Trossinger Zeit gelernt. Jeden Tag wird heute noch zuhause geübt, denn der Leiter spielt gerne selbst noch mit, den Bariton. „Das Üben ist unerlässlich, im Alter braucht man das um so mehr, damit der Ansatz und die Finger funktionieren“, sagt er lächelnd. Nach Vorbildern gefragt, kann er eigentlich keine nennen, doch Leute, die auch in fortgeschrittenem Alter gut musizieren, imponieren und gefallen ihm. „ Max Greger, Paul Kuhn und Hugo Strasser mit seinen 88 Jahren, ja das sind Vollblut-Musiker!“ schwärmt er von deutschen Swing- und Big-Band-Größen. Die Geige kommt ab und zu noch mal zum Einsatz, wenn er seine Lebensgefährtin, die eine versierte Zither-Spielerin ist, Instrument begleitet, alpenländische Stubenmusik spielen die beiden, aber das ist dann privat. „So kann es noch ein paar Jährchen gehen, denn die Musik hält uns jung“, wünscht sich der Dirigent mit Herzblut und Lebenserfahrung.