Donnersbergkreis Der Star im Wohnzimmer

Im Übertragungswagen: Hier gibt es einen Überblick über die verschiedenen Aufnahmen. Parallel spielt im Garten von Livyu eine Ba
Im Übertragungswagen: Hier gibt es einen Überblick über die verschiedenen Aufnahmen. Parallel spielt im Garten von Livyu eine Band, was von Kameras festgehalten wird.

Die US-amerikanische Soul- und R&B-Sängerin Toni Braxton ist Schuld daran, dass sich in Winnweiler ein junges Unternehmen angesiedelt hat. Zumindest hat sie ihren Anteil daran. Sebastian Knoll war als freier Regisseur unter anderem verantwortlich für Produktionen beim Fernsehsender Arte. Und auch bei einer Liveübertragung eines Konzertes von Braxton mittendrin. „350 Leute waren da physisch vor Ort, 80.000 haben es live im Internet verfolgt.“ Bei dem heute 32-Jährigen begannen die Gedanken zu kreisen. „Ich habe darin eine Chance gesehen.“ Entstanden ist eine Internetplattform, auf der sich die Menschen Konzerte ansehen können. „Die Konzerte finden oft in Ballungszentren statt, ländliche Regionen werden ausgespart“, sagt Knoll. Bei größeren Konzerten seien die Karten oft schnell vergriffen oder kosten auch mal 200 Euro. „Wir wollen den Menschen die Möglichkeit geben, dennoch dabei zu sein“, berichtet der 32-Jährige, der gemeinsam mit Silvio Escher (35) Geschäftsführer der livyu GmbH ist. Vor fünf Jahren hatte Knoll die Idee, 2014 wurde die Firma gegründet. Bis zur ersten Liveübertragung dauerte es jedoch noch seine Zeit. Die Internetseite musste aufgebaut, rechtliche Fragen mussten geklärt werden. Mit „Vikagoeswild“ ging dann alles los. Pianistin Viktoriya Yermolyeva ist ein Youtube-Star. Und von ihr übertrug das Winnweilerer Unternehmen ein Konzert auf seiner Plattform. „Wir wollten das als Test nutzen, um Hinweise und Verbesserungsvorschläge von den Usern zu erhalten, aber auch, um die Plattform unter realen Bedingungen zu testen“, erzählt der 32-Jährige. Die Resonanz war größer als gedacht. Innerhalb von drei Tagen schauten sich 10.000 Menschen aus 21 Ländern das Konzert an. Weil es ein Test war, kostenlos. Ansonsten kann man sich bei Livyu die Konzerte ab 4,99 Euro ansehen. Mit fünf bis acht Kameras ist man bei kleineren Konzerten vor Ort, mit 15 bei großen, erzählt Knoll. In einem Ü-Wagen werden die Bilder dann direkt vor Ort geschnitten. Wer nicht live zuschauen kann, hat die Möglichkeit, sich auch noch im Nachgang das Konzert anzusehen. Wobei Livyu mehr als nur das Konzert selbst bieten möchte. Davon hatte sich gestern auch der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Volker Wissing (FDP) zusammen mit weiteren politischen Vertretern ein Bild bei dem Unternehmen in der Winnweilerer Bahnhofstraße gemacht. Etwa von der virtuellen Welt, die Livyu auf seiner Plattform ebenfalls bietet. Dort versuchte der Minister, mit Hilfe von einer VR-Brille und zwei Joysticks einen Basketball in den Korb zu werfen, stöberte in einer Videothek, in der man auch Musik kaufen kann, oder stand bei einem Konzert von Robbie Williams direkt vor dem Superstar. Ziel sei es, künftig mit 15 360-Grad-Kameras bei Konzerten zu sein. Wer nicht über diese VR-Technik verfügt, soll bei livyu auch nicht zu kurz kommen, betont Knoll. „Couchfestival“ nennt sich das, was in Winnweiler entwickelt wurde. „Die Künstler haben oft Millionen von Fans. Die meisten können aber bei den Konzerten gar nicht dabei sein“, erzählt Knoll. Und genau da möchten er und seine bislang elf Kollegen ansetzen. „Bei uns muss man nur zum Kühlschrank, holt sich sein Bier raus, setzt sich auf die Couch und los geht’s.“ Übrigens nicht nur das Konzert an sich. Bereits eine Stunde vorher beginne die Übertragung. Der Zuschauer soll einen Blick in den Backstagebereich erhalten, dazu noch weitere Dinge wie etwa Interviews mit Musikern und Bands oder einen Videochat. „Ähnlich wie bei den Fußballübertragungen. Wir wollen die Leute dorthin führen, wo sie normalerweise nicht hin dürfen“, sagt der Geschäftsführer. Im Mai hatten sich bei livyu 1800 Menschen ein Konzert der „Lochis“ in Zürich angesehen. „Das ist ein Anfang. Wir sind aber noch nicht dort, wo wir hin wollen. Wir würden gerne auf mehr als 10.000 Nutzer kommen“, sagt Knoll. „Dafür brauchen wir Künstler, die den Weg mit uns gehen.“ Bei den großen Namen sei das übrigens einfacher. „Sie haben die Möglichkeit, hier noch mehr Geld zu verdienen, können durch uns im Prinzip endlos Tickets verkaufen. Das geht über die Ein-Tages-Veranstaltung hinaus.“ Die Künstler erhalten laut dem Geschäftsführer für eine solche Übertragung einen festen Betrag von Livyu, darüber hinaus gebe es eine prozentuale Beteiligung am Gewinn. Kontakte gibt es zu einem weiteren Winnweilerer Unternehmen – RTS, Spezialist für Kameratechnik. „Wir wollen in Zukunft noch verstärkter zusammenarbeiten“, kündigt Silvio Escher an, der auch in Winnweiler wohnt. Vielleicht ja sogar mal bei der Übertragung eines Konzertes, von dem Knoll träumt: „Rammstein wäre der absolute Hammer.“ Vorher ist es gut möglich, dass Livyu dafür sorgt, dass Konzerte vom Fest zum Tag der Deutschen Einheit, das dieses Jahr in Mainz stattfinden wird, auf der Plattform des Winnweilerer Unternehmens übertragen werden. Das regte Wirtschaftsminister Wissing gestern bei seinem Besuch an. „Machen wir das doch“, war die spontane Antwort Knolls.

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