Donnersbergkreis Der Koloss und der „Fernfahrer“

8 Uhr – es ist noch früh am Tag. Dennoch hat’s Michael Link eilig. „Auf geht’s Leute. Wir müssen uns sputen – wenn es anfängt zu regnen, kriegen wir ein Problem“, sagt der Juwi-Experte für Netzanbindung und klatscht in die Hände. Sein Kollege Michael Schmitz und weitere rund acht Mitarbeiter des Juwi-Transport-Teams lassen die Finger rundgehen. Fahrer und Beifahrer sehen dagegen noch etwas müde aus. Kein Wunder: Haben sie doch in der Kabine des Super-Trucks, der nun auf einem Gelände der Pfalzwerke in Oberndorf steht, die Nacht verbracht. Besser gesagt das, was von der Nacht übrig geblieben ist. Denn der 16-Achsen-Tieflader, mit dem der Trafo für das im Bau befindliche Umspannwerk auf der Anhöhe zwischen Oberndorf und Alsenz in die Nordpfalz gebracht worden ist, war am Vorabend im Werk des Herstellers Alstom in Mönchengladbach gestartet. Über die A 61 bis Gau-Bickelheim und die B 420 hat der Schwerlasttransport in der Nacht Oberndorf erreicht. „Früher war das einfacher“, sagt der Fahrer des Riesen-Brummis. Heute seien viele Autobahnbrücken derart marode, dass sie nur noch Achslasten von maximal zwölf Tonnen aushielten. „Deshalb müssen wir derart lange Sattelzüge mit bis zu 30 Achsen nutzen. Die sind natürlich schwer zu manövrieren und brauchen in der Regel Polizei-Begleitung.“ Jetzt stehen Truck und Trafo also am Fuß des Hügels, auf dem das neue Umspannwerk gebaut wird. An dieses werden zunächst Windräder angeschlossen, die auf den Gemarkungen Alsenz und Niederhausen neu beziehungsweise im Zuge des Repowering – dem Ersetzen von bestehenden durch neue, leistungsstärkere Anlagen – bis Jahresende errichtet und in Betrieb genommen werden sollen. Insgesamt könnte hier der produzierte Strom von bis zu 30 Windrädern verarbeitet werden. Dabei wird die Spannung von 33 auf 110 Kilovolt gesteigert (hochtransformiert), um die Energie möglichst verlustarm zum Verbraucher zu transportieren (siehe „Stichwort“). Herzstück ist der acht mal sechs mal fünf Meter große Trafo. Mit dem näher an den betreffenden Standorten gelegenen Neubau wird zum einen die Länge der teuren Erdkabel reduziert, die Windräder und Umspannwerk verbinden. Zum anderen wird damit den durch die vielen neuen Windkraftanlagen stetig steigenden Anforderungen an die elektrische Energieversorgung in unserer Region Rechnung getragen und das Stromnetz an die notwendigen Kapazitäten angepasst. Andernfalls könnte es verstärkt zu Spannungsschwankungen/-einbrüchen beziehungsweise Stromausfällen kommen. Das neue Umspannwerk stellt eine zusätzliche Leistung von 120 Megavoltampere zur Verfügung. Doch zuvor muss der 130-Tonnen-Koloss erst einmal diesen verflixten Berg hinauf. Bei einer Ortsbegehung vor einigen Wochen war den Experten rasch klar geworden, dass es der 16-Achser die steile und kurvige Straße hoch zur Baustelle des Umspannwerkes nicht schafft. Deshalb wird der Trafo nun auf ein kleineres, wendigeres Fahrzeug umgeladen – und diese Spezialanfertigung hat es im doppelten Wortsinn in sich: 500 PS-Dieselmotor, sechs Achsen mit jeweils acht Rädern, alle einzeln lenkbar und hydraulisch in der Höhe verstellbar. Doch vor allem: Der ganz besondere Transporter hat weder Führerhaus noch Fahrersitz – er wird sozusagen per Fernbedienung gesteuert. Das Wort „Fernfahrer“ bekommt hier eine völlig neue Bedeutung. Zunächst wird das faszinierende Vehikel millimetergenau neben den Sattelzug manövriert. Beide sind verbunden über dicke Eisenbahnschienen, auf die der Trafo nun mittels Hydraulik abgesenkt wird. Danach wird das Monstrum vom einen auf das andere Fahrzeug gezogen. „Das ist ein eingespieltes Team, da sitzt jeder Handgriff“, lobt Michael Link die Transport-Truppe. Knapp zwei Stunden dauert das Umladen. Dann bewegt sich der „Fernfahrer“ im Schritttempo die Anhöhe über dem Alsenztal hinauf – besser gesagt, er wird bewegt. Der Mann mit der Funksteuerung geht mal voran, mal folgt er dem Truck. Immer hat er jedoch eine Hand am Joystick, mit dem er lenkt, Gas gibt oder bremst. Ohne großes Rangieren passiert der ungewöhnliche Transport die engen Kurven und kriecht langsam die 15-prozentige Steigung hoch. „Zum Glück ist es trocken geblieben. Bei Regen drehen die Räder unter Belastung schnell durch. Dann geht nichts mehr“, atmet Link auf. Am Mittag ist es geschafft: Mensch und Maschine haben den Hügel erklommen. Nach einer kurzen Pause wird der Trafo wieder per Schienen auf das vorbereitete Fundament gezogen. Hier wird er mit den nötigen Aufbauteilen versehen und verkabelt. Link und Co. ziehen wieder ab – hier ist ihre Arbeit erledigt. Aber irgendwo wartet schon ein neuer Koloss ... (kra)

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