Donnersbergkreis Bilder als Eingangstüren zu Geschichten
Ein Kunstwerk kann eine Eingangstür sein, hinter der Geschichten warten – so viele, wie das Kunstwerk Betrachter haben mag. Anja Hantelmann, die zur Zeit als Stipendiatin des Kunstfördervereins (KfV) in Obermoschel lebt und arbeitet, wünscht sich Betrachter, die ihre Bilder weiterdenken. „Bilder sollen im Kopf etwas auslösen“, sagt die Künstlerin.
Dazu wählt sie durchaus ungewöhnliche Themen. Eine Bilderserie des vergangenen Jahres zeigt etwa unter der Überschrift „Was das Zimmermädchen sieht“ zerwühlte Betten von Hotelzimmern kurz nach der Abreise der Gäste. „Ich durfte da rein und das fotografieren“, erzählt sie. Entstanden sind daraus Gemälde, die in fast fotorealistischer Genauigkeit den Niederschlag von Unruhe, Träumen, Dahindämmern oder auch tiefem Entspanntsein in den ganz individuellen Faltenverästelungen der Tücher und Kissen protokollieren. Gesehen werden sollen sie als Abformungen des Innenlebens, das sie für eine Nacht geborgen haben – und einladen, sich dazu Geschichten zu erfinden, sich die Träume vorzustellen dieser einen Nacht. Ihre Besucher vom Kunstförderverein, die an diesem Tag zu Gast sind in der Stipendiatenwohnung, nimmt sie in lebhaftem, fesselndem Erzählen mit in ihre gedankliche Werkstatt, in der, wie rasch deutlich wird, die Themen und Motive nie gleich fertig da sind, sondern sich aus langwierigen intuitiven Prozessen herausschälen. Lange habe sie beispielsweise das Wort „Freischwimmer“ in sich getragen, suchend, welche gestalterische Idee sich ihm ablauschen lasse. Dann kam eine Einladung zu einer Ausstellung zu eben diesem Thema in Hanau. „Das war für mich Anlass, das mal aufzuschließen“, erzählt sie, doch auch da bedurfte es noch mancher Annäherungen an das Schwimmthema, auch mit Besuchen am Langener Waldsee, bis die Idee einer Bilderreihe keimte, die das „Sich-frei-Schwimmen von Dingen, die man nicht mag“, fühlbar machen sollen, einen Begriff vom Schwimmen, „als würde im Wasser alles von einem abgleiten“. Entstanden sind kleinformatige Bilder, die Körperliches – einen Kopf, das Wasser teilende Hände, Schultern – nur anrissweise zeigen, immer weich umflossen von grünlichen Wellenmustern, im Wasser gespiegelt und gebrochen. Konturen werden zurückgenommen und mild umspielt von der lösenden Weichheit des Wassers und seinem rhythmischen Wellenschlag. Nun aber Obermoschel: „Ich war auf dem Burgfest, bin viel rumgelaufen, radgefahren – ich muss erst ein Gedankengebäude in mir entstehen lassen“, blickt sie auf die ersten Tage des Suchens, des geistigen „Inhalierens“ der neuen Umgebung zurück, in denen Pinsel und Zeichenstift noch ruhen. „Die Stadt erzählt total viel, hat tolle Blicke.“ Aufgefallen sind ihr alte, verwaiste Häuser, an denen unübersehbar der Zahn der Zeit nagt, Häuser, die sie künstlerisch reizen. Ein Besuch bei einem Stipendiatenkollegen im Kunstbahnhof Bad Münster habe sie aber in dieser Phase des Sammelns und Suchens beunruhigt: „Der hatte schon so viel gearbeitet...“ So stellte sie sich der „ländlichen Begegnung“ zunächst mit einer Reihe von Landschaftszeichnungen. Eine Pusteblume wurde zur Herausforderung, zuerst grafisch im Kampf mit der Härte von Linie und Kontur und ihrem Kontrast zur schwebenden Zartheit der watteartigen Samenstände, und dann auch mit Pinsel und Farbe. Aber da sehe sie sich noch nicht am Ziel. Es bleibe der lockende Reiz der alten Häuser, gerne würde sie in einem dieser leerstehenden Gemäuer arbeiten, direkt auf die Wände, in den Verfall malen und dort auch ihre Abschlussausstellung abhalten. Stadtbürgermeister Weirich, beim Atelierbesuch letzte Woche unter den Gästen, erklärte sich bereit zu helfen, auch Hans Ruppert, der sich als die gute Seele des KfV-Projektes seit Jahren um die Stipendiaten kümmert. Gestern konnte die Künstlerin, nachdem sie die Idee schon fast abgeschrieben hatte, Erfolg vermelden. Im ehemaligen Finanzamt in der Richard-Müller-Straße biete sich ein Raum, der früher als Laden genutzt worden sei und die gesuchte Patina aufweise. Sie habe auch die Erlaubnis, den Raum zu nutzen, erzählte sie gestern, spürbar gespannt auf die Aufgabe. In ihrer künstlerischen Ausrichtung hat sich die Offenbacherin, die eigentlich aus Hamburg stammt und in Offenbach, Manchester und Saarbrücken visuelle Kommunikation, freie Kunst und Performance studiert hat, von der abstrakten Kunst ihrer Studienzeit zur gegenständlichen Malerei hin entwickelt. Dabei male sie fast ausschließlich in Eitempera, eine sehr alte Maltechnik, bei der die Pigmente mit Leinöl, Eigelb und Wasser zur vermalbaren Farbe vermischt werden. Sie schätze die matten Oberflächen, die daraus im Unterschied zu Acryl und Ölfarbe entstehen, aber auch die Tatsache, dass man nicht dem intensiven Terpentingeruch etwa der Ölfarben ausgesetzt sei. Die Tempera erlaube zudem das Malen in feinen Schichten. „Ich möchte die Motive so malen, wie der Moment sie gibt“, betont sie. Da liegt der Hochton auch auf den Besonderheiten des Moments in seiner Verteilung von Licht und Schatten, von Spiegelung und Transparenz, von Schwere und Leichtigkeit – da lässt ein besonderer Lichteinfall sogar Unterhosen auf einer Wäscheleine augenzwinkernd zu einem künstlerischen Thema werden, wie es etwa in Hantelmanns Bilderzyklus „Heimat“ zu finden ist.