Donnersbergkreis Biber am Wiesbach aufgetaucht

Das Auftauchen eines Bibers mitten in Nieder-Wiesen ist eine kleine Sensation. An den Ufern des Wiesbachs deuten allerdings weder angeknabberte, noch gefällte Bäume, wie sie üblicherweise in Biberrevieren zu finden sind, auf die Anwesenheit des Nagers hin. Aufmerksamen Anwohnern gelangen abends am 9. Mai zufällig Foto- und Videoaufnahmen von dem scheuen, eher dämmerungs- und nachtaktiven Tier. Mira Fichter griff geistesgegenwärtig zum Smartphone, als sie gegen 21 Uhr mit einem „Komm schnell!“ von ihrem Mann Fabian ans Fenster gerufen wurde. Was da unten die Schlossgasse entlang watschelte, entpuppte sich als Biber – Nutria ausgeschlossen, waren sich die beiden sicher. Den Zeigefinger fest auf den Auslöser des Handys gepresst, verfolgte Mira mit dem Display den schwarz behaarten Gesellen. Die hinzugeeilten zwei- und vierjährigen Söhne Lars und Levi waren „total aus dem Häuschen“. Inzwischen hatten auch Kai und Mike Schröder den Biber entdeckt. Gemeinsam mit Kais Freundin Carolin folgten sie ihm an die Furt des Wiesbachs. Das wütende Knurren zweier Hofhunde quittierte der Nager mit heftigem Fauchen, dabei klatschte er drohend mit seinem breiten Schwanz auf das Pflaster der Straße. Auf die gleiche Art und Weise warnte er Mike Schröder davor, ihm zu nahe zu kommen. Trotzdem gelangen den drei jungen Leuten mehrere Fotos, die wenige Minuten später in der Nachbarschaft die Runde machten. Mira Fichter stellte am selben Abend ihr Video ins Netz. Inzwischen hat sie über 100 Klicks registriert. Aber anscheinend legt der Biber keinen Wert auf so viel Publicity: Er wurde seither nicht wieder gesehen. Im benachbarten Forstrevier Vorholz gibt es keine Spuren Der für das benachbarte Vorholz zuständige Förster Gunnar Wolf bestätigt anhand der Fotos, dass es sich tatsächlich um einen Biber – vermutlich ein Jungtier – handelt. In seinem Forstrevier seien ihm allerdings keine Biberspuren aufgefallen, Schäden an Bäumen habe er bislang nicht festgestellt. Nebenbei verweist er auf die Nutrias, die seit längerer Zeit den nahegelegenen Orbiser Badeweiher bevölkern und die leicht mit einem Biber zu verwechseln seien. Nach Ansicht von Elke Endlich, Nabu-Aktivistin und Jägerin, könne auch der Laie eine Nutria an ihrem runden Schwanz unschwer vom Biber mit der flachen „Schwanzkelle“ unterscheiden – sofern man das Hinterteil der Tiere überhaupt zu sehen bekomme. Vegetarier mit jahreszeitlichen Vorlieben Für die meisten Biber gelte derzeit eine „unsichtbare“ Lebensweise, erläutert Stefanie Venske vom Biberzentrum Rheinland-Pfalz der Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie (GNOR) in Fischbach bei Dahn. Die Nager seien Vegetarier, und ihr Nahrungsspektrum umfasse über 100 verschiedene Pflanzenarten, die sich in Sommer- und Winterfraß unterteilen ließen. Bäume fällen und Rinde anknabbern, um an das darunterliegende Kambium zu gelangen, sei typisch für den Herbst und Winter. In den warmen Monaten hingegen würden die Biber krautige Grünpflanzen bevorzugen, zu denen unter anderem auch Brennnesseln, Ampfer, Beinwell, Pfeilkraut und verschiedene Seggenarten zählten. Besonders gerne mögen sie Knollen und Wurzeln von Teichrosen. Insofern seien um diese Jahreszeit nicht unbedingt Nagespuren an Bäumen zu finden. Gastspiele von Bibern gab es am Eiswoog und in Sippersfeld Im 19. Jahrhundert war der Biber europaweit vom Aussterben bedroht. In jüngerer Zeit wurde er in verschiedenen Teilen Deutschlands, zum Beispiel im Saarland, in Belgien und im Elsass, erfolgreich wieder angesiedelt. Von dort hat er sich inzwischen nach Rheinland-Pfalz ausgebreitet und selbst in Rheinhessen und in der Pfalz attraktive Lebensräume gefunden. So sind diese Nager vor Jahren an der Nahe bei Bad Kreuznach und am Altrhein bei Eich wieder heimisch geworden. Auch in den Rheinauen beim pfälzischen Bobenheim-Roxheim und am Isenachweiher bei Bad Dürkheim haben sich die Nager inzwischen dauerhaft eingerichtet. Andernorts, wie im Spätjahr 2016 bei Sippersfeld und im Frühsommer 2017 am Eiswoog, gaben sie nur ein kurzes Gastspiel. Damit gehört der Biber zu den früher hier einmal heimischen Tieren, die es aus eigener Kraft schafften, ihren ursprünglichen Lebensraum zurückzuerobern. Wer dem Biber etwas Gutes tun will, lässt ihm seine Ruhe Die Möglichkeit, bei diesem Nieder-Wiesener Biber könne es sich um einen Zuwanderer aus dem Raum Bad Kreuznach handeln, hält Roswitha Pitsch, 1. Vorsitzende der NABU-Ortsgruppe Alzey und Umgebung, für möglich. Es wäre aber auch denkbar, dass ein „Pionier“ aus einer ganz anderen Richtung den Weg an den Wiesbach gefunden habe. Wanderschaften seien für Biber im Frühjahr nicht ungewöhnlich. Vor allem die aus den elterlichen Revieren vertriebenen zwei- bis dreijährigen Jungtiere legten oft weite Strecken zurück. Auch wenn sie dabei bevorzugt den Wasserläufen folgten, führe ihr Weg gelegentlich über Land, verdeutlicht Pitsch. Die NABU-Funktionärin bezweifelt allerdings, dass der Biber sich auf Dauer bei Nieder-Wiesen einrichten könnte. Vermutlich werde er auf seiner Wanderung ein geeigneteres Biotop finden. Wenn man dem Biber etwas Gutes tun wolle, solle man ihn in Ruhe lassen, rät die Naturschützerin. Dennoch gönne sie gerne jedem Tierfreund den zufälligen Anblick eines Bibers.

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