Bad Dürkheim Sehnsuchtsvolle Romantik
„Nur wer die Sehnsucht kennt“ folgte der Konzerteinladung zum wohligen Erschauern beim Balladenabend mit Liedern des jungen Schubert und Werken anderer Künstler am Samstagabend im Wachenheimer Zehnthof - ein berührender Abend nicht nur für Romantiker. Mit den beiden Künstlerinnen hatte Dr. Arnhild Gruenagel ein ausdrucksstarkes Duo gewinnen können: Sängerin Ines Malaval mit ausgeprägter Altstimme und Pianistin Brigitte Hofmann als gefühlvolle Klavierbegleitung. Im Obergeschoss des denkmalgeschützten Zehnthofs hatten sich etliche Liebhaber eingefunden, um sich in der intimen Wohnzimmeratmosphäre von Musik und Dichtung der Romantik bezaubern zu lassen. Zur Einstimmung begann der Abend mit der Ballade g-moll von Frederic Chopin, die in ihrer Stimmung mal episch, mal lyrisch und teils dramatisch komponiert ist, von der Pianistin immer gefühlvoll umgesetzt. Sie bereitete den Weg für den Auftritt des „Erlkönig“, einer Ballade, die Schülern aller Generationen wohl vertraut ist. Franz Schubert hat ihre Dramatik und Spannung musikalisch nachempfunden. Die stark betonten Gefühle setzte Ines Malaval variantenreich um. Angst des Kindes, Begierde des Erlkönigs, Beruhigung durch den Vater - ihr Liedvortrag nahm die Zuhörer gefangen. Die kenntnisreiche Moderation von Brigitte Hoffmann versetzte das Publikum immer wieder einfühlsam in die Zeit der Romantik. 1825 überließ der österreichische Dichter Jakob Craigher seine empfindsame Lyrik Franz Schubert zur Vertonung. Das Gedicht „Die junge Nonne“ ist ein Beispiel dieser überbordenden Gefühle, die in Erwartung des baldigen Todes mit einem innigen „Alleluja“ enden. Ähnlich leidenschaftlich geht es bei „Rastlose Liebe“ von Johann Wolfgang von Goethe zu, während „Der Musensohn“ als anrührendes, fröhliches Lied von Schubert vertont wurde. Im Wettstreit um die besseren Balladen verfasste Friedrich Schiller 1797 „Der Handschuh“. Dieser dramatische Missbrauch einer Liebe wurde von Robert Schumann ebenso leidenschaftlich vertont. Sie gab dem Künstlerduo Gelegenheit zu einer grandiosen Vorstellung, so dass die „gräulichen Katzen“ wie von selbst vor dem geistigen Auge der Zuhörer erschienen. Im zweiten Teil des Konzerts widmete sich das Duo „der Schönheit im Schmerze“ und stellte Frauenfiguren wie Mignon, Gretchen und Solveig mit ihren Sehnsuchtsidealen vor. Das erste Beispiel ist Goethes Bildungsroman „Wilhelm Meisters Lehrjahre“, den sich der junge Franz Schubert zum Vorbild für eines seiner schönsten Lieder nahm: „Nur wer die Sehnsucht kennt“. Komponist des Mignon-Lieds „Kennst du das Land, wo die Zitronen blüh′n“ war allerdings Ludwig van Beethoven. „Gretchen am Spinnrade“ basiert auf einer Szene aus der Tragödie „Faust“ von Goethe und ist eines der ersten erfolgreichen Lieder von Franz Schubert. Die Klavierbegleitung spiegelt auch tonmalerisch Gretchens Unruhe wider. „Meine Ruh ist hin“ wurde von Ines Malaval ebenso dramatisch umgesetzt. Eine weitere tragische Liebe offenbart sich in „Solveigs Lied“ aus der Peer-Gynt-Suite von Edvard Grieg. Richard Wagners romantische Oper „Der fliegende Holländer“ lieferte die Vorlage für die „Senta Ballade“, die zu einem großen Auftritt von Sängerin und Pianistin gerät. „Diese Frauen sind reine Kopfgeburten der Dichter“, betont Brigitte Hoffmann und stellt die rhetorische Frage: „War das der blanke Wahnsinn? Liebe war es jedenfalls nicht“. Damit die Zuhörer noch einmal die Seele baumeln lassen können, beschließt „Auf dem Wasser zu singen“, eines der beliebtesten Schubertlieder, das Konzert. „Als Zugabe drehen wir jetzt mit ′Carmen′ den Spieß um“, verabschieden sich die beiden Künstlerinnen unter lebhaftem Beifall und intonieren dann doch ein kleines Gute-Nacht-Lied.