Bad Dürkheim Mond von Lasershow eingeschüchtert

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Körpereinsatz ist gefragt, wollen die rund 20.000 Wanderer im Dürkheimer Wingert nicht im Trubel untergehen. Die 15 Proben pro Weinpass sind aufgrund des riesigen Ansturms beim siebten Dürkheimer Weinbergsleuchten am Freitag und Samstag kaum zu schaffen.

Dass 4000 pro Wandertag verkaufte Weinpässe nicht gleichbedeutend sind mit 4000 Besuchern, wird im Laufe des Freitagabends eine der späteren Lektionen werden: Wenn nämlich beim Passieren einer der jeweils mit zwei Winzern oder Genossenschaften besetzten 24 Ausschankstellen deutlich mehr Körpereinsatz gefragt ist, als man vorher in nächtlichen Wingerten je zu zeigen bereit war. Rund 20.000 trinkende Nachtwanderer, so schätzt Organisator Marcus Brill, sind an beiden Tagen zusammen unterwegs gewesen. Zählt man die von den Hotels abgegebenen Tickets dazu, macht das gut sieben „Schnipsel“ oder ebenso viele 0,05 Literportionen im mitgelieferten Glas pro Nase. Letztere stammen zwar überwiegend aber durchaus nicht nur aus der Region, wie Brill weiß. Anhand der Bestellungen lässt sich der Weg der Weinpässe nicht nur in benachbarte Bundesländer, sondern bis in die Schweiz, Holland, Belgien und sogar nach Dänemark verfolgen. Beim Einstieg in den Parcours gibt es derweil Lektion Zwei und Drei von den drei Begleitern – alten Weinbergnachtwanderhasen, die mit verschiedenen Farben markiert Listen der angebotenen Weine mit sich führen, auf denen im Vorgriff auf spätere Einkaufstouren in den Weingütern Geschmackshighlights schon mal angekreuzt werden: Nicht da anfangen, wo alle losgehen und gelaufen wird gegen den Uhrzeigersinn. Ein ängstlicher Hinweis auf die Internetseite der Veranstalter, die ausdrücklich dazu auffordern, mit dem Strom zu laufen, findet keine Gnade und anfangs – Lektion Vier: schon vor dem offiziellen Beginn loslaufen und den Rest Sonne genießen – funktioniert das tatsächlich ganz entspannt. Und „entspannt“ geht trotz ebenso rasant zunehmendem Gedränge und Alkoholpegel wie abnehmenden Außentemperaturen und Restlicht als Motto des Abends absolut durch. Entsprechend positiv ist das Fazit, das Brill ziehen kann: Bis Sonntagvormittag lagen weder Meldungen der Polizei noch anderer Beteiligter über Unfälle oder Prügeleien vor. Und tatsächlich arrangiert man sich selbst Schulter an Rucksack und Po an Hüfte in der fünfzehnten Reihe anstehend, wo sich mit Wildfremden manches „Fach“-Gespräch ergibt. Was denn wohl unter blanc-de-noir zu verstehen sei, rätselt eine junge Frau. Da hilft man doch gern und lässt die Neulinge souverän vom eigenen in 20 Jahren erworbenen soliden önologischen Halbwissen teilhaben. Mit aufkommender Dämmerung stellt sich zwar ob der falschen Wanderrichtung ein Geisterfahrergefühl ein, aber es bietet sich, bevor noch später die Entropie ihren Tribut einfordert und alles munter durcheinander spaziert, Gelegenheit, die Zusammensetzung der entgegenkommenden Weinwandertrinker zu studieren: Ganz wenige Pärchen nur, die vom Veranstalter angepriesene Romantik scheint gegenüber der Pfälzer Geselligkeit den Kürzeren zu ziehen. Zahlreiche fröhliche Gruppen dagegen – häufig Amerikaner – mit vielen leuchtdiodenhalsbandgeschmückten Hunden und noch mehr unbeleuchteten Kindern sind unterwegs. Sogar eine junge Familie mit Vierlingen wuchtet tapfer ihre überbreiten Babyschwertransporter durch die Menge. Eine Gruppe kommt fröhlich prostend entgegen. Haben die tatsächlich Lätzchen um? Erst ein zweiter Blick auf die fremden Männerbrüste macht klar, dass dort lediglich offenbar selbstgenähte Taschen hängen, in denen man beim Laufen die Probiergläser unterbringen kann. Die Hände für einen potenziellen Sturz freizuhalten, ist durchaus sinnvoll. Denn erstens ist es inzwischen stockdunkel – selbst der Fastvollmond will nicht so richtig hinter den Wolken hervor, vielleicht eingeschüchtert angesichts der spektakulären Laser- und Leuchtfigurenshow, die mittlerweile auf Pfälzer Erden begonnen hat und derentwegen man zweitens ohnehin nicht auf den Weg achten würde. Und drittens nehmen Trittsicherheit und Reaktionsgeschwindigkeit mit kürzer werdendem Schnipselpass spürbar ab. Lektion Eins war denn auch der Hinweis, dass die pro Weinpass im Voraus bezahlten 15 Proben an einem Abend kaum zu schaffen sind. Selbst die erworbenen drei für die vierköpfige Gruppe erweisen sich als durchaus ambitioniert, ein paar wandern auch in der Jackentasche wieder heimwärts – ohne Auto versteht sich. Aber das ist dank der vielen Sonderzüge und -busse auch gar nicht nötig.

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