Bad Dürkheim Mit mitreißender Leuchtkraft

Es jährte sich jener 18. März 1945, an dem ein Bombenangriff Bad Dürkheim zu großen Teilen in Schutt und Asche legte. Leise, kontemplative Kompositionen hatte Müller aus diesem Anlass gewählt und das Konzert im wieder einmal überaus informativen Programmblatt ausgerichtet: „So ist dieser Abend den über 300 Opfern dieses Tages gewidmet, gleichermaßen aber auch der Hoffnung, aus der Vergangenheit gelernt zu haben.“

Das Konzert beginnt mit Präludium und Fuge in H-Dur von Camille Saint-Saëns. Die rechte Hand malt eine filigrane Klangwand, die massiver wird, so als zögen am Himmel immer mehr dunkle Wolken auf. Daraus erwächst ein elegisches vollstimmig gesetztes Gebet. Das musikalische Geschehen wächst zu kräftigem Kathedralklang, und die gar nicht so große zweimanualige Ott-Orgel scheint, wie noch mehrfach an diesem Abend, über sich hinauszuwachsen.

Einzeln die Stücke von Johann Christian Heinrich Rinck, der das Bachsche Erbe pflegte, Johann Christian Herrmann, der unter anderem in Grünstadt eher schlicht, aber ansprechend mozärtelte, Johann Christian Kittel, der in diesem Fall einen Passionschoral aussetzte, und Carl Piutti, dessen komplexes Passionsvorspiel durchaus zu fesseln weiß, einzeln zu charakterisieren, lässt der Raum nicht zu. Diesen kaum bekannten Musikern zu begegnen, war unbedingt lohnend, zumal Müller jedes Stück stilgerecht und souverän darstellte.

Zum Schönsten an diesem Abend gehörte César Francks bekannte Satzfolge Prélude, Fugue et Variation in h-Moll op. 18, eine träumerisch-elegische Musik, der Müller namentlich im dritten Satz schimmernden Glanz gab. Heller und schärfer in den Farben, aber erstaunlich ähnlich gestimmt wirkt der Bachchoral „Herzlich tut mich verlangen“ – eine erstaunliche musikalische Begegnung.

Zur faszinierenden Entdeckung indes wurde Präludium und Fuge in fis-Moll von Moritz Brosig, im 19. Jahrhundert Domorganist in Breslau: ein reiches, komplex gearbeitetes Werk, das barocke Tradition in spätromantisch Klangwelten hineinzutragen weiß. Zum Schluss Johann Sebastian Bachs virtuoses Präludium (in organo pleno mit Fuge) in h-Moll BWV 544.

Müller spielt auch hier technisch sicher, sehr souverän, aber er ist nie an äußerlich bleibenden virtuosen Effekten interessiert. Er stellt das Präludium als unerbittlich ablaufendes, tiefernstes Geschehen dar, und macht damit die im Programmblatt mitgeteilte Deutung, das Stück stelle musikalisch den Prozess- und Passionsweg Christi dar, sinnfällig. Wie hier in stringentem Fortschreiten Spannung aufgebaut und konzentriert gehalten wird, in ergreifendem Ernst, das ist ungemein packend. Dazu bedarf es nicht nur geläufiger Technik, sondern auch entschiedener Gestaltungskraft. Das Klangbild ist kompakt, auch in der folgenden Fuge, aber Müller gelingt es stets, dem polyphonen Stimmengeflecht Plastizität zu geben, so dass die Struktur des Stücks sofort einleuchtet. Das gibt auch der abschließenden Fuge neben klanglicher Pracht mitreißende Leuchtkraft.

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