Bad Dürkheim „Es stinkt zum Himmel“

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Steuerrazzia beim Deutschen Fußball-Bund, schwarze Kassen, womöglich „gekaufte“ Weltmeisterschaft 2006, Millionenzahlungen, Beschuldigungen, Rücktrittsforderungen – beim größten Sportverband der Welt geht es drunter und drüber. Führende Köpfe wie DFB-Chef Wolfgang Niersbach oder sein Vorgänger Theo Zwanziger stehen im Kreuzfeuer. Der Verband ist in seinen Grundfesten erschüttert. RHEINPFALZ-Mitarbeiter Thomas Leimert fragte gestern bei einigen Vorsitzenden von Fußballvereinen vor Ort nach, was sie darüber denken.

„Im Moment wird mir ein bisschen zu viel Aktionismus betrieben. Da marschieren 50 Mann von der Steuerbehörde beim DFB ein und drehen alles um. Das erscheint mir etwas übertrieben“, sagt Thomas Schmidt, der Vorsitzende des FV Freinsheim. Die Formulierung, „die WM ist gekauft worden“, geht dem FV-Boss etwas zu weit. „Vielleicht haben Aktivitäten stattgefunden, die zu den üblichen Prozessen gehört haben, um jemanden für sich zu gewinnen“, überlegt Schmidt. Ihm wird zu sehr in Schwarz-Weiß-Kategorien gedacht. Er spricht die freie Wirtschaft an, wo es für Kundeneinladungen Regeln gibt. „Kann sein, dass zu der Zeit der Vergabe die Grenzen nicht klar definiert waren, kann sein, dass die Grenzen verletzt wurden“, so Schmidt, der aber nicht glaubt, dass in dunklen Hinterzimmern bewusste Schmiergeldzahlungen über die Bühne gegangen sind. Die Schlammschlacht zwischen Niersbach und Zwanziger nennt Schmidt dagegen eine Katastrophe. „Weil vieles nicht aufzuklären sein wird, wird Niersbach zurücktreten“, glaubt Schmidt und rechnet damit, dass der DFB Jahre brauchen wird, um sich von dieser Affäre zu erholen. Uwe Koob, der Vereinschef des SV Weisenheim am Sand, tut sich mit der Einordnung der Geschehnisse schwer: „Man ändert fast täglich seine Meinung, weil immer wieder neue Aspekte hinzukommen.“ Galt für ihn anfangs noch die Unschuldsvermutung, so glaubt er inzwischen, dass etwas faul ist. „Ein Jurist wie Zwanziger würde sich nicht so in die Nesseln setzen, also muss irgendetwas dran sein“, mutmaßt Koob, dem das Auftreten Zwanzigers freilich missfällt. Den SV-Vorsitzenden erstaunt, dass Franz Beckenbauer abgetaucht ist. „Das ist kein gutes Zeichen“, meint Koob, für den der Fußball unglaubwürdig geworden ist. An einen „Kauf“ der WM 2006 glaubt er nicht. „Wenn, dann ist seit vielen Jahren jede WM gekauft. Ich glaube nicht, dass bestochen wurde. Eher, dass vieles gelenkt wurde“, betont der Weisenheimer. Niersbach werde sich kaum halten können, weil der Druck von außen zu groß werde. Auswirkungen auf den Fußball befürchtet Koob nicht. „Bei uns am Stammtisch wird darüber geredet, genauso wie überall. Aber deswegen bleiben die Bundesligastadien trotzdem ausverkauft.“ Sein Amtskollege Jürgen Debus vom FC Leistadt drängt auf eine lückenlose Aufklärung. „Im Moment schiebt jeder die Schuld weit von sich. So geht Vertrauen verloren. Es muss alles auf den Tisch – und notfalls müssen Köpfe rollen“, fordert Debus. Er hält Beckenbauer für die Schlüsselfigur und kritisierte die Pressekonferenz Niersbachs vergangene Woche. „Da hat er keine gute Figur abgegeben.“ Jeder versuche im Moment seine Haut zu retten, die Geschichte werde immer undurchsichtiger, weil wohl jeder irgendwie Dreck am Stecken habe. „Es stinkt bis zum Himmel“, findet der FC-Vorsitzende. Die Frage, ob er glaube, dass die WM-Vergabe vor 15 Jahren „gekauft“ worden sei, lässt Debus hörbar durchatmen. „Oh, Jesses“, stößt er nach ein paar Sekunden hervor, um dann konkreter zu werden: „Diese Vorstellung ist so traurig. Eigentlich glaube ich, dass die Lobby von Beckenbauer und Deutschland so gut ist, dass nicht bestochen wurde. Aber ganz sauber war es nicht.“ An eine bewusste Bestechung glaubt auch Volker Werkle, Vorsitzender von Rot-Weiss Seebach, nicht. „Aber wenn solche Geschichten derart massiv in der Öffentlichkeit thematisiert werden, dann wird irgendetwas dran sein“, meint er. Deshalb hält er eine restlose Aufklärung für dringend erforderlich: „Die Ermittlungen werden zeigen, wer letztlich die Schuldigen sind. Es darf nichts verschleiert werden.“ Er glaubt, dass das Ansehen des deutschen Fußballs weltweit Schaden nehmen werde. Auf den Fußball im Land dagegen werden die Vorfälle nach seiner Ansicht keine Auswirkungen haben, schätzt Werkel, aber personell werde sich was tun. „Die Auseinandersetzung zwischen Zwanziger und Niersbach ist für den DFB absolut schädlich und wird zu einem Stühlerücken führen“, ist Werkle überzeugt. Der DFB-Präsident könne sich nur halten, wenn seine Unschuld bewiesen sei. „Egal wie es ausgeht, ein fader Beigeschmack wird bleiben“, befürchtet der Seebacher Vereinschef.

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