Bad Dürkheim Ein Marathon ist ihm zu kurz

Laumersheim/Freinsheim. Tagsüber ist er als Fachkraft für Arbeitssicherheit und als Umweltbeauftragter für ein Ingenieurbüro in Erbes-Büdesheim bundesweit im Einsatz. Abends und am Wochenende ist Günther Bruhn oft als Schachspieler beim SK Freinsheim, Ultramarathonläufer und neuerdings auch Veranstalter unterwegs.

Der 58-Jährige hat seine Heimat an der Nordsee mit 18 Jahren Richtung Berlin verlassen – der Bundeswehr wegen. Dort hielt es ihn ein Vierteljahrhundert, und dort lief er 1991 auch seinen ersten Marathon. In seiner Jugend war Bruhn Handballer, die Laufschuhe schnürte er auch damals schon, so dass er inzwischen auf mehr als 40 Laufjahre zurückblicken kann. Schach spielt er seit seinem achten Lebensjahr dem SK Freinsheim hat er sich vor etwa eineinhalb Jahren angeschlossen. „Ich hatte vorher in Waldsee gespielt, nach meinem Umzug lag dann Freinsheim näher.“ In die Pfalz kam Bruhn durch Zufall über ein Projekt bei einem Kunden in Zeiskam. In der Pfalz blieb er der Liebe wegen, denn er lernte seine Frau Christine kennen und wechselte aus der Millionenmetropole Berlin nach Landau. Über Waldsee landeten Christine und Günther Bruhn letztlich vor vier Jahren in Laumersheim. Läufer seien die Buchhalter des Sports, sagt man. Bruhn gehört nicht wirklich zu dieser Spezies. Wenn er Lauftagebuch führt, dann „richtig“, nämlich wirklich in Tagebuchform, mit Text und Fotos, und natürlich notiert er dann auch seine Kilometerleistungen. Es gibt aber auch immer wieder Zeiten, in denen er gar nichts dokumentiert. Und so kommt es, dass er keine Ahnung hat, wie viele Kilometer er in den vergangenen Jahrzehnten schon in Laufschuhen zurückgelegt hat. Dass es seit 1996, als er für seinen ersten 100-Kilometer-Lauf im schweizerischen Biel 14:49 Stunden brauchte, 2450 Kilometer bei Wettkämpfen jenseits der Marathondistanz waren, kann man auf der Statistikseite der Deutschen Ultramarathonvereinigung recherchieren. Wie viele Marathons zu den 27 Ultramarathons kommen, kann er nur schätzen. „Vielleicht 50 bis 60?“ Am Triathlon hat er sich auch versucht, auch da musste es gleich die Langdistanz (3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und ein abschließender Marathon) sein. Er kam aber nur bei seinem Debüt in Glücksburg ins Ziel. Zwei weitere Versuche scheiterten, und damit waren die Triathlonpläne ad acta gelegt. Um den Kopf frei zu bekommen, hilft Bruhn nicht nur Ausdauersport, sondern auch Schach. Mit dem SK Freinsheim spielt er zurzeit in der Bezirksklasse. Das sind neun Liga-Termine pro Saison mit jeweils vier bis sechs Stunden am Brett. Terminprobleme hat Günther Bruhn nicht: Laufen und Schachspielen bringt er locker unter einen Hut: „Das sind ja nur neun Termine.“ Gespielt wird ehrgeizig, aber nicht verbissen, in Freinsheim. „Wir sind ja nur ein kleiner Verein, haben auch Nachwuchsprobleme“, sagt Bruhn. Was er schade findet, denn gerade die Freitagstermine, wenn im Historischen Rathaus gespielt wird („Das sind wundervolle Räume“), verlaufen ausgesprochen gut gelaunt. „Da wird viel gelacht“, unterstreicht Bruhn. „Und Sprüche gekopft, wie ,jetzt mache ich Dich fertig’“. Kein Wunder, dass es manchmal spät wird: „Mitternacht, 1 Uhr. Es ist halt total nett und auch sehr kommunikativ.“ Deshalb lässt Günther Bruhn diese Termine so gut wie nie ausfallen, Schach ist für ihn der ideale Ausgleich zu Beruf und Laufsport. Für 2015 hat er sich erstmal ein laufwettkampffreies Jahr verordnet. Jobbedingt kann er nicht immer so über seine Zeit verfügen, wie es eigentlich nötig wäre, wenn man vorhat, 100 Kilometer oder auch deutlich mehr zu laufen. „Wenn ich erst am Freitagabend nach vielen Stunden auf der Autobahn spät am Startort ankomme und am nächsten Morgen um 6 Uhr loslaufen soll, dann passt das einfach nicht zusammen.“ So hat er sich in diesem Jahr schon so manchen Rennabbruch eingefangen und möchte im kommenden Jahr einfach zum entspannten Laufen zurückfinden. 2016 steht dann aber wieder sein nur alle zwei Jahre stattfindender Lieblingslauf auf der Agenda: die TorTour de Ruhr, ein Nonstoplauf über 230 Kilometer von der Ruhrquelle bis zur Mündung in den Rhein bei Duisburg. Jedes Jahr stattfinden soll dagegen seine eigene Veranstaltung, die er zusammen mit seiner passiv laufbegeisterten Frau gerade zum ersten Mal auf die Beine gestellt hat: der Pfälzer Weinsteig 100 Meilen Ultratrail. Für diesen Lauf, der von Schweigen-Rechtenbach bis nach Obersülzen führt, haben die beiden gut ein Jahr geplant, die Strecke wandernd erkundet und das Drumherum organisiert. Die Idee spukte schon länger durch die Köpfe der beiden, aber die ersten Überlegungen, 100 Meilen immer am Rhein lang laufen zu lassen, verwarfen sie schon vor Jahren wegen zu langweiliger Streckenführung. Durch ihre Wanderungen im Pfälzerwald entstand dann der Plan, den anspruchsvollen Weinsteig erlaufen zu lassen. Ach ja: Zur Frage, ob er denn das selbst verordnete Pausenjahr wirklich ohne den Besuch von Laufveranstaltungen durchhalten wird, grinst und schweigt der passionierte Läufer. Beim Schach jedenfalls gibt es keine Pause, auf das „königliche Spiel“ mag und wird Günther Bruhn keinesfalls verzichten. So bleibt er dank seiner Laufaktivitäten nicht nur körperlich fit, auch der geistig ist der Laumersheimer voll im Training. Denn, bei allem laufsportlichen Ehrgeiz: „So kommt der Kopf nicht zu kurz.“ (gww/pes)

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