Bad Dürkheim Das Glück der Erde...

«Bad Dürkheim.» Trotz der Hitze herrscht auf dem Gelände des RV Bad Dürkheim reges Treiben – Ferienkurs. Das hält uns aber von nichts ab, Bewegung brauchen die Pferde ja trotzdem. Alicia geht mit mir in den Stall, zur Box von Valentino, liebevoll Tino genannt. Es riecht nach diesem angenehmen, typischen Reitstall-Duftmix. Heu, Pferd, ein bisschen Staub. Hier ist ein Wiehern zu hören, dort ein Schnauben. Tino ist entspannt und schaut mich mit großen, treuen Augen an. 18 Jahre ist das groß gewachsene Deutsche Reitpony alt, 1,50 Meter Stockmaß hat es. „Tino ist ein Ponyopa, aber sehr fit“, erzählt Alicia. Für ihn gibt’s jetzt ein Wohlfühlprogramm: Er wird in kreisenden Bewegungen gestriegelt, danach kommt die Kardätsche genannte Bürste zum Einsatz. Sie glättet das Fell, das vom Striegel angeraut ist. Mit langsamen Strichen bürste ich noch Mähne und Schweif – dem Pony den Pony kämmen also. Helm und Sattel kommen aus der Sattelkammer. So ein Sattel kann richtig teuer sein. Los geht es bei 100 Euro, aber es gibt auch welche für 10.000, sagt Alicia. „Manche Leute haben Sättel, die sind teurer als das Pferd.“ Nun wird es ernst: Tino bekommt den Sattel umgeschnallt. „Manche Pferde mögen das gar nicht“, erzählt Alicia. Verständlich, ich will ja auch nicht immer einen straffen Gürtel anhaben. Aber auch das trägt Tino mit Fassung. Alicia tauscht noch Halfter gegen Zügel mit Trense, dann führe ich Tino gen Reitplatz, unter der brutzelnden Sonne an einem Tag, an dem Hitzerekorde drohen. Der RV Bad Dürkheim ist einer der größten Reitvereine in der Umgebung mit mehr als 360 Mitgliedern. Mehr als 50 Pferde haben dort ihre Unterkunft, es gibt Reithallen und -plätze und auch einige Koppeln. Grundlagen des Reitens lernt man laut Elena recht schnell. Zur Erstausstattung gehören Reithose, Helm und Stiefel, die Anfänger für weniger als 100 Euro bekommen. Dazu kommen dann Unterrichtsgebühren, die für Schulpferd und Reitlehrer fällig werden. Inzwischen hat Alicia eine Peitsche und eine Longe geholt – eine lange Leine, an der sie Tino im Kreis führt. Erst muss ich aber hoch auf den Rücken des Pferdes, mal sehen ob ich da das Glück der Erde... Sie wissen schon. Dankenswerterweise bekomme ich einen Holztritt, um auf eine bessere Aufstiegshöhe zu kommen. Ein Fuß in den ersten Steigbügel, mit Schwung das Bein über den Pferderücken und schwups sitze ich im Sattel. Das fühlt sich ungewohnt, aber gut an. Elena beobachtet uns aus dem Schatten. Sie reitet normalerweise die neunjährige Oldenburger Springstute Attackeline, genannt Tecky, und ist eher im Springparcours anzutreffen. Alicia ist die Dressurreiterin der Trinkaus-Zwillinge und deshalb heute mit mir auf dem Platz. Die 20-Jährigen reiten, seit sie denken können, kamen über ihre Mutter zum RV Bad Dürkheim. Richtig angefangen zu trainieren haben sie mit sechs Jahren. Ich fühle mich also bei den noch bis zum Wurstmarkt amtierenden Weinprinzessinnen Dürkheims in guten Händen. Apropos: „Du kannst dich am Sattel festhalten“, sagt Alicia und schon geht es los. Gemächlich trottet Tino im Kreis. „Aufrecht sitzen, nicht nach vorne kippen“, rät Alicia, denn dann verliert man schnell das Gleichgewicht. Klappt. Folgerichtig die nächste Aufgabe: „Streck’ die Arme zur Seite.“ Geht. „Jetzt nach oben.“ Bisschen unsicherer, geht aber auch. Deshalb probieren wir es mit Traben. Das heißt, aus einer Vier- wird eine Zwei-Takt-Bewegung des Pferdes, die es mit dem eigenen Körper mitzugehen gilt. „Du machst das gut mit dem Aussitzen“, ruft Alicia. Ich freue mich, auch wenn ich nicht genau weiß, was ich gerade richtig mache. Die schnellere Bewegung ist anspruchsvoller. „Nimm mal eine Hand vom Sattel und streck sie zur Seite.“ Oha, das ist jetzt aber schon viel wackeliger als eben. Aber auch das funktioniert zu beiden Seiten. Tino reagiert sogar auf mein „Brrrr“ und bleibt stehen. Es mag dem Übermut des bisher Gelungenen geschuldet sein, dass danach ein kleiner Dämpfer folgt. Absteigen ist gefragt. „Du schwingst jetzt das eine Bein über den Sattel und dann bist du schon unten. Aber mit richtig viel Schwung!“, erklärt Alicia. Sekunden später bin ich unten, mein Bein aber noch nicht. Mit definitiv nicht genug Schwung bin ich am Sattel hängen geblieben und äußerst unelegant hinuntergepurzelt. Völlig harmlos und eher lustig. Und Tino? Steht da, wie eine Statue. Er hat bei meinem unrühmlichen Abgang nicht einmal gezuckt. Tino ist ab sofort mein Freund. Dafür geht’s danach aber doch noch einmal in den Sattel, so kann man ja nicht aufhören. „Möchtest du mal galoppieren?“ Das klingt spannend. Will ich das? Gute Frage, aber wann hat man schon mal die Chance dazu? Also los! Alicia gibt Tino das Signal und er wird schneller. Ich habe ein bisschen das Gefühl, zur Seite zu kippen, aber bleibe sitzen. „Sehr gut“, lobt Alicia. Tino bekommt ein liebevolles Halsklopfen, weil er mich so brav getragen hat. Tino und ich haben meinen erste Reitversuch überstanden. Dafür gibt’s zur Belohnung einen halben Apfel und nach Absatteln und Trense abnehmen eine kalte Dusche für Tino und viel Sprudel für mich. Danach darf er mit seiner Freundin Tecky auf die Koppel. Die kann, wie Alicia unter dem Lachen und Nicken ihrer Schwester Elena erzählt, eine ziemliche Zicke sein, „sie hat aber auch einen sehr lustigen Charakter“. Tino dagegen sei ein echtes Gewohnheitstier und einfach unglaublich brav. Das war er und auf seinem Rücken im Sattel sitzen hat Spaß gemacht. „Es ist aber auch zeitaufwendig“, sagt Alicia. Jeden Tag brauchen ihre beiden Pferde die Zwillinge. Aber wenn sie zusammen ausreiten, mit Tino und Tecky im Grünen unterwegs sind, dann haben sie es doch schon irgendwie gefunden, ein Stück vom Glück.

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