Bad Dürkheim „Viele möchten der Realität entfliehen“

Gedanken über den fränkischen Tellerrand hinaus: Frank-Markus Barwasser als Erwin Pelzig.
Gedanken über den fränkischen Tellerrand hinaus: Frank-Markus Barwasser als Erwin Pelzig.

„Weg von hier“ heißt das achte Soloprogramm des fränkischen Kabarettisten Frank-Markus Barwasser alias „Erwin Pelzig“. Am Freitag, 24. November, 20 Uhr, ist er damit in der Speyerer Stadthalle zu Gast.

In „Weg von hier“ thematisieren Sie Flucht aus verschiedenen Perspektiven. Welche sind das?

Das Thema Flucht ist derzeit sehr aktuell. Dabei denken wir vor allem an Migration und Kriegsflüchtlinge. Aber in meinem Programm geht es auch um die Fluchten aus der Realität, die wir unternehmen – zum Beispiel in gefühlte Wirklichkeiten, in die Idealisierung der Vergangenheit oder indem wir komplizierte Fragen durch primitive Antworten auflösen wollen. Viele möchten auf diese Weise der Realität entfliehen, wissen aber nicht genau, wohin. Der Titel des Programms ist deshalb auch ein Zitat aus Franz Kafkas Erzählung „Der Aufbruch“: Der Protagonist sagt, er wolle weg von hier, das „Weg-von-hier“ ist sein Ziel. Ist die Romantik als Flucht aus der Aufklärung auch ein Thema, das Sie aufgreifen? Pelzig fremdelt mit der Zeit. Da lassen sich durchaus historische Parallelen ziehen: Auch die Romantiker des 19. Jahrhunderts fühlten sich überfordert und ermüdet, ähnlich wie wir heute, durch die unglaublich schnellen Veränderungen ihrer Zeit. Was machen solche Veränderungen mit den Menschen? Die Romantiker entdeckten dann Spiritualität und Religiosität wieder für sich, das ist heute nicht mehr so Thema. Wenn Religiosität die Flucht der Romantiker war, was sind dann moderne Strategien? Wir leben in einem Zeitalter chronischer Überforderung, Stichworte sind „Globalisierung“ und „Digitalisierung“. Als Gegenreaktion wollen wir unsere Welt wieder kleiner und vor allem verständlich machen. Das birgt viel Potenzial fürs Kabarett, denn der Mensch ist immer komisch, wenn er sich aussichtslos in seinen Widersprüchen verheddert. Viele Ihrer Kollegen tun sich sehr schwer damit, eben solche Themen wie AfD, Einwanderung oder Nationalismus differenziert zu sehen. Machen Sie das besser? Na ja, ich hoffe, ich werde dem Thema gerecht. Parteien wie die AfD oder Trumps Wahlerfolg sind ja nicht die Ursache eines Problems, sondern nur seine Wirkung. Dabei müssten wir über die wahren Ursachen reden. Und: Niemand muss sich schämen, wenn er Angst hat. Das ist eine normale Reaktion. Die Frage ist nur: Zu was führt diese Angst? Problematisch wird sie, wenn sie in Aggression mündet. Wenn Menschen dicht machen, weil ihnen die Probleme der Welt vor die Füße schwappen und sie sich dabei machtlos fühlen, dann kommen schnell Sprüche wie „Rübe ab“ oder „Asylrecht abschaffen“. Das ist für mich schwer zu ertragen. Ich gestehe, wie gesagt, jedem seine Angst zu, aber nicht das Recht, die Abschaffung der Humanität oder von Grundrechten zu fordern. Arbeiten Sie das Programm spontan um, wenn etwas Wichtiges passiert? Es gibt Teile, die ich an aktuelles Geschehen anpassen kann – zum Beispiel, wenn ich über die Gründe für Verzweiflung und Wut spreche. Wenn jemand Erwin Pelzig nicht kennt, wie würden Sie ihn vorstellen? Er ist ein unerschütterlicher, grüblerischer und rührend optimistischer Mensch. Man sollte sich von seiner äußeren Erscheinung nicht irritieren lassen und denken, da komme jemand, der so spricht, wie er aussieht. Pelzig spricht zwar Fränkisch, aber seine Gedanken gehen weit über den fränkischen Tellerrand hinaus. Info Eintrittskarten gibt es bei den RHEINPFALZ-Servicepunkten und beim RHEINPFALZ-Ticketservice 0631 37016618.

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