Bad Dürkheim Traumata bildlich darstellen

Stellt ab Freitag in der Villa Böhm aus: Jakob Ganslmeier.
Stellt ab Freitag in der Villa Böhm aus: Jakob Ganslmeier.

Die fotografische Umsetzung von Lebenswirklichkeiten ist das erklärte Ziel der Arbeiten von Jakob Ganslmeier. Für den Betrachter schafft er Einblicke, die berühren und mehr sind als bloße Abbildungen von Landschaften und Personen. Der Kunstverein Neustadt zeigt in der Villa Böhm Ganslmeiers dokumentarische Serien aus drei Langzeitprojekten.

Kann man die Auswirkung von posttraumatischen Belastungsstörungen sichtbar machen? Anderthalb Jahre lang hat der Fotograf sieben Soldaten aus verschiedenen militärischen Bereichen der Bundeswehr begleitet. „Mit den Fotos wollte ich zeigen, was der Krieg mit Menschen anrichten kann, wie er krank macht“, erzählt Ganslmeier. Alle waren im Kriegseinsatz als Elitesoldat, interkultureller Berater, Sanitäterin und Militärpfarrer. Der Fotograf zeigt ihre Teilnahmslosigkeit am Alltagsgeschehen. Er hat die Soldaten zu Hause, bei der Therapie, der Arbeit, der Freizeit, bei einem Extremlauf, einem Übungseinsatz und an der Gedenkstätte „Deutscher Widerstand“ fotografiert und macht so die seelische Isolation als Teil ihres Leidens sichtbar. Die Serie trägt den Titel „Trigger“, weil durch einen Schlüsselreiz bei den Betroffenen ein Flashback ausgelöst werden kann, der sie ein vergangenes Ereignis wiederholt so erleben lässt, als ob es in diesem Augenblick tatsächlich passiert. Bei einer weiteren Serie, „Lovely Planet Polen“, hat Ganslmeier Bild und Text gleichberechtigt in Bezug gesetzt. Die Idee zu diesem Projekt erhielt der Fotograf aus dem Reiseführer Lonely Planet. Die gezeigten Fotos und Texte sind kleinformatig gerahmt, wirken wie aufgeschlagene Buchseiten. Es sind Orte zu sehen, die meist im schlesischen Braunkohlebergbaugebiet liegen. „Orte, an die keiner will“, sagt Ganslmeier. Er hat sich gerade dieses Szenario ausgesucht, um sie zu Reisezielen zu machen, bei denen die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verschwimmen. „Aus dem spielerischen Umgang mit der Position des Touristen, mit dem Genre der Reisefotografie und der Form des Reiseführers ergab sich eine ironische Distanz zum Nachbarland Polen, die den Humor, dem ich auf meiner Reise begegnet bin, spiegelt.“ Die 47 Exponate umfassende Serie wird im September im Brandenburgischen Landesmuseum für moderne Kunst, Cottbus, gezeigt. Sie wird auch als Buch erscheinen. Die dritte Serie „Passerelle“ (französisch „Übergang“) führt nach Südfrankreich in Städte, die zwischen Arles und Marseille liegen. Die Kontraste zwischen großangelegten Industrieflächen und malerischer Landschaft reizte Ganslmeier zu Fotografien, die über ihre Gegensätzlichkeit verbunden sind. Schwarz-weiß im Format 50 x 50 Zentimeter hinterlassen sie einen zwiespältigen Eindruck. „Man erfährt eigentlich nichts“, lautet der Kommentar Ganslmeiers, „kann nicht sagen, wo fängt die Konstruktion an, wo die Natur“. Der 28-Jährige studierte von 2011 bis 2014 an der bekannten Ostkreuzschule für Fotografie Berlin und von 2016 bis 2018 Fotografie an der Fachhochschule Bielefeld. Er ist Mitbegründer und Mitherausgeber von FOG – einer Plattform für dokumentarische Arbeiten aus den Bereichen Fotografie, Film und Multimedia. In den vergangenen Jahren wurde er vielfach ausgezeichnet, veröffentlichte bei GEO, Zeit Online und Welt Online. Seine Fotografien wurden vielfach ausgestellt im In- und Ausland, zuletzt 2017 in den Hamburger Deichtorhallen. Dort traf ihn Bernd Barde vom Vorstand des Neustadter Kunstvereins und lud ihn zu einer Ausstellung in der Villa Böhm ein. Info Die Vernissage ist heute, 19 Uhr, beim Kunstverein Neustadt an der Weinstraße in der Villa Böhm; Öffnungszeiten der Ausstellung vom 18. Mai bis 3. Juni: Donnerstag/Freitag, 15 bis 18 Uhr, Samstag/Sonntag, 11 bis 13 Uhr und 15 bis 18 Uhr.

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