Bad Dürkheim Suche nach geistiger Heimat und Identität

Juli Zeh
Juli Zeh

Nach seiner literarischen Reise durch Europa steht im Halbjahresprogramm des Literaturgesprächskreises der Stadtbücherei Bad Dürkheim für 2019 die Frage nach der geistigen Heimat und nach Identität im Fokus. Zu dieser Thematik wählte die Leiterin des Kreises, Dorothee Heitkamp-Gieseler, in Abstimmung mit Büchereichefin Sigrid de Raaf vier Romane und eine Erzählung aus.

„Es ist diesmal kein so großes Thema wie Europa“, erklärt Heitkamp-Gieseler im Gespräch. „Besonders wichtig ist uns im neuen Programm die Suche nach den eigenen Wurzeln und der geistigen Heimat.“ Erfreut ist sie, dass der Kreis zwischen 10 und 15 Teilnehmer aufweist, von denen einige ihm 19 Jahre nach seiner Gründung noch immer die Treue halten und auch junge Leute hinzukamen. Das Programm startet am 22. Januar mit dem 2016 erschienenen Roman „Die Annäherung“ von Anna Mitgutsch. Darin erzählt die österreichische Autorin eine Familiengeschichte mit politischem Hintergrund. Wegen eines Schwächeanfalls wird Theo ins Krankenhaus gebracht und erkennt, dass seine Zeit zu Ende geht. Bilanz ziehend, erinnert er sich an seine erste, früh verstorbene Frau und erkennt eigene Versäumnisse. Seine bisher glückliche Ehe mit Berta gerät aus dem Gleichgewicht, als die junge ukrainische Pflegerin Ludmila ihn zu Hause betreut. Sie bedeutet ihm allmählich mehr als Berta und seine Tochter Frieda, die sich seit langem eine Annäherung an ihren Vater wünscht und zudem Klarheit über seine NS-Vergangenheit sucht. Mitgutsch, 1948 in Linz geboren, ist Literaturwissenschaftlerin und unterrichtet Germanistik und amerikanische Literatur an verschiedenen ausländischen Universitäten. Sie lebte und arbeitete lange in den USA und hält sich häufig in Boston auf. Die Autorin veröffentlichte etwa ein Dutzend Romane, darunter „Die Züchtigung“, „Das andere Gesicht“, „Ausgrenzung“, „Zwei Leben und ein Tag“. Mitgutsch erhielt zahlreiche Preise, unter anderem den Brüder-Grimm-Preis, den Solothurner Literaturpreis und für „Die Annäherung“ den Johann-Beer-Literaturpreis. Passend zur Karnevalszeit liest der Kreis am 19. Februar Carl Zuckmayers 1959 erschienene Erzählung „Die Fastnachtsbeichte“, die bis heute zu den bekanntesten deutschen Novellen gehört. Distanziert-sachlich schildert der 1896 in Nackenheim bei Mainz geborene und 1977 in der Schweiz verstorbene Schriftsteller die Aufklärung eines an Fastnacht geschehenen Mordes. Im Wechsel mit dem drastisch dargestellten Mainzer Fastnachtstreiben rollt er die Lebensläufe der verdächtigen Personen auf. Am dritten Literaturabend, dem 16. April, diskutiert die Runde über Andreas Maiers Roman „Das Haus“. Es ist nach „Das Zimmer“ der zweite Teil einer auf elf Bände angelegten hessischen Familiensaga des 1967 in Bad Nauheim geborenen Autors. Der Ich-Erzähler Andreas, Maiers alter ego, erinnert sich darin an sein Kindheitsparadies in der kleinen Stadt. Nach dem Umzug der Familie in ein neues großes Haus findet der kleine Junge in den Kellerräumen eine abgründige Heimat. Er entzieht sich seiner Familie, nimmt keinen Kontakt zur Umwelt auf und spricht nicht. Ein Roman aus der deutschen Provinz während der 1970er Jahre. Von Hessen aus zieht es den Kreis am 28. Mai in den Norden und diskutiert über Dörte Hansens Debütroman „Altes Land“. Diesen sowie Juli Zehs Titel „Unterleuten“ nahm Heitkamp-Gieseler auf Wunsch von Teilnehmern in das Programm auf. Hansen, 1964 in Husum geboren, erzählt unprätentiös und mit trockenem Humor vom Schicksal der Protagonistin Vera, die als Kind mit ihrer Mutter aus Ostpreußen auf einem Bauernhof im Alten Land Zuflucht sucht und als „Polackenkind“ verunglimpft wird. Heimisch fühlt sie sich dort nie, doch sie kann sich nicht von dem Hof trennen. Als eines Tages ihre Nichte Anne mit ihrem kleinen Sohn aus Hamburg bei ihr auftaucht, sind sich die beiden Frauen zwar fremd, sie haben jedoch mehr gemeinsam als sie zunächst ahnen. Über Juli Zehs 2016 erschienenen Roman „Unterleuten“ diskutiert der Kreis am 25. Juni. Die 1974 in Bonn geborene Juristin und Bestseller-Autorin thematisiert in ihrem Gesellschaftsroman Stadtflucht und DDR-Geschichte und stellt zugleich die Frage nach Identität. Auf den ersten Blick ist die Welt im fiktiven brandenburgischen Dorf Unterleuten in Ordnung, eine Idylle, die Stadtflüchtlinge aus Berlin anlockt. Doch als eine Investment-Firma in unmittelbarer Nähe einen Windpark anlegen will, brechen alte Streitigkeiten auf, und Gewalt wird allgegenwärtig. TERMIN Der Literaturgesprächskreis der Stadtbücherei Bad Dürkheim diskutiert am 22. Januar, 20 Uhr in der Römerstraße 20 über Anna Mitgutschs Roman „Die Annäherung“. Teilnahmegebühr 4 Euro.

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