Bad Dürkheim Streubereich einer Schrotflinte

Mit einem Programm mit dem Titel „Aus der Hüfte, fertig, los!“ gastierte der Kölner Comedian Sascha Korf am Freitagabend erstmals in Bad Dürkheim. Zum letzten Kulturabend vor der Sommerpause waren gerade mal 40 Gäste gekommen, doch die wurden nicht enttäuscht: Sascha Korf, vielfach preisgekrönter Kabarettkünstler, Schauspieler, Moderator und Autor, brachte mit seinem vierten Soloprogramm eine Mischung aus Comedy und Improvisationstheater auf die Bühne. Das Publikum wurde zum Komik-Kollektiv und nach 75 turbulenten Spielminuten nonstop gab es Frei-Sekt für alle.

„Jetzt bin ich total leer“ strahlte der Künstler und nippte an seinem Sektglas, erfüllte noch schnell ein paar Autogrammwünsche und huschte ins Freie: Nikotin-Kick. Im Hof des Kulturzentrums Haus Catoir war er schnell wieder Mittelpunkt einer „Zigaretten-Runde“. Comedy-Nachschlag, nunmehr halböffentlich und wieder spontan. Der Mann kann wohl nicht anders – Spontanität ist sein zweiter Vorname, eine verbale Ballschleuder, der auch außerhalb der Bühne lustvoll aus der Hüfte schießt. Es war ein interaktiver Abend wie selten. Der 1968 geborene Paderborner ist keiner der Comedians, die ein einstudiertes Programm runterspulen, seine Wortkunst lebt von der Improvisation und dem Mitspielen des Publikums und geht damit voll auf Risiko. Denn hier zählen Tempo und Turbo. Beides hat Korf im Hirn und auf der Zunge, puscht damit seine Zuhörer, macht sie („darf ich Euch euchzen“) zu Komplizen, zu Mitspielern. Als Einstieg feuerte er Selbstironisches und Selbsterlebtes in die Runde: Über „50-jährige Körper, die sich den Klamotten entgegenwölben“, über spazierende Selbstfindung im Wald mit hinterrücks verschränkten Händen, über dank epidemischer Ess-Erlebnisse ermüdete Kiefer von Kreuzfahrt-Passagieren. Seine Gags haben den inhaltlichen Streubereich einer Schrotflinte und zünden mit hohen Sympathiewerten. Mittelpunkt seiner Show ist das Publikum. Etwa Christian aus der letzten Reihe, dessen Kennenlern-Geschichte mit seiner Judith errät Korf durch Ja-Nein-Signale mit Glocke und Hupe. Improvisations-Szenen wie diese gibt es – immer mit dramaturgischer Punktlandung – gleich mehrere am Abend. Das schweißt das Publikum zusammen und setzt kollektives Kreativpotenzial frei. Etwa bei Christian aus der ersten Reihe: Der Nutzfahrzeugverkäufer liefert nicht nur die Hörspiel-Tonspur für eine James-Bond-Szene mit Lokalbezug – Agent Schorsch entdeckt unterirdisch alten Römerwein in Dürkheim – sondern macht gleich mal eine Publikumsrunde Sekt klar. Big Deal. Getreu dem Motto „Comedy ist live schöner als im Fernsehen“ spielte sich der Spontanitäts-Experte nach Zwischenbemerkungen über Raclette-Essen („betreutes Grillen mit schwulen Pfännchen“) und vegane Reiswaffeln als Bierdeckel schlussendlich in einer aus drei Stichworten (Person, Hobby, Sprichwort) schnellgestrickten Geschichte quer durch die Genres. Zum Finale feuerte Korf nochmal alles raus. Sein Krimi-Western-Heimatfilm-Science Fiction-Porno um die strickende Lara und Morgenstund-hat-Gold-im-Mund entlässt das Publikum mit Lachmuskelkater. Nicht ohne persönliche Botschaft: Wir sollten, plädiert der Künstler, mehr kommunizieren, miteinander reden, dies in der linearen Welt, und sich „nicht den Alltag vermiesen lassen durch Facebook und Co.“. Wie das am besten geht, dafür lieferte Korf bei seinem ersten (und hoffentlich nicht letzten) Auftritt im Haus Catoir eindrucksvoll den Beweis.

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