Bad Dürkheim Reise in den schönsten Sommer

Maik, gespielt von Patrick Bartsch, täuscht der Ärztin (Corinna Ketter) ein Telefonat mit der Tante vor.
Maik, gespielt von Patrick Bartsch, täuscht der Ärztin (Corinna Ketter) ein Telefonat mit der Tante vor.

Eine intensive, emotionale Inszenierung erlebten 250 Schüler am Mittwoch im Dürkheimer Haus: Im Rahmen des Festivals „Theater international“ zeigte das Kinder- und Jugendtheater Speyer zwei Aufführungen von „Tschick“ nach dem gleichnamigen Roman von Wolfgang Herrndorf.

Man kann das rasante Stück als Roadmovie auf der Bühne bezeichnen, flirrend wie ein heißer Sommertag, schlingernd wie der alte Lada, der zum Reisegefährt wird. Das Publikum wird mitgenommen auf eine Fahrt, die durch eine Fülle von Erlebnissen und Gefühlen geht. Am Straßenrand warten Trauriges und Heiteres, raue Realität, aber auch magische Momente voller Glück. Die Widersprüche und Gegensätze sind wie ein treibender Motor für das Stück. Tief zeigt sich die Kluft zwischen dem Leben der Erwachsenen und den unbestimmten, unbändigen Sehnsüchten der Jugendlichen. Folgerichtig sondert die Inszenierung ihre Darsteller erst stark voneinander ab und stellt sie beziehungslos nebeneinander. Das gilt zunächst auch für die Protagonisten Maik und seinen neuen Mitschüler, den russischen Spätaussiedler Andrej Tschichatschow, kurz „Tschick“ genannt. Das Publikum sieht die beiden anfangs in misstrauischer Distanz, die vor allem von Maik ausgeht. Umso greifbarer entwickelt sich im Verlauf der Handlung ihre ungewöhnliche Freundschaft. Die Bühnenfassung des mehrfach ausgezeichneten Herrndorf-Romans stammt von Robert Koall und wurde 2011 in Dresden uraufgeführt, ein Jahr nach der Veröffentlichung. In der Bearbeitung durch das Kinder- und Jugendtheater Speyer wird das Stück nochmals gestrafft. Konsequent richtet Regisseur Matthias Folz sein Augenmerk auf die wachsende Verbundenheit der Jugendlichen. Die Außenseiter Maik und Tschick, beide 14 Jahre und jeder auf seine Art durch schwierige Verhältnisse geprägt, machen sich in einem gestohlenen Lada auf einen Roadtrip quer durch die sommerliche Provinz Ostdeutschlands. Das Ziel, Tschicks Großvater in der Walachei zu besuchen, wird schnell zweitrangig, statt dessen entwickelt sich das Abenteuer zu einer wirren Reise in den schönsten Sommer. Auf der Bühne bilden Blechfässer das klapprige Fahrzeug sowie anderes Inventar wie Schrott oder landschaftliche Elemente wie einen Baum. Die drei Darsteller, denen man das jugendliche Alter sofort abnimmt, beeindrucken mit ausdrucksstarkem Spiel. Dabei schlüpfen sie auch in die Rollen der Personen, die unterwegs auftreten. Als Tschick agiert Arthur Oppenländer kraftvoll, mal sensibel, dann wieder salopp bis zur Derbheit. Einen starken Gegensatz zu ihm gestaltet Patrick Bartsch: Er spielt als Maik eine glänzende Mischung aus Furchtsamkeit und aufkeimendem Mut. Dritte im Bunde ist Corinna Ketter, die besonders viel zwischen ihren Rollen wechseln muss. So überzeugt sie als Maiks alkoholkranke Mutter ebenso wie als anarchische Isa. Zu den großen Momenten des Stücks gehören Szenen wie das gemeinsame Nachsinnen unter dem Sternenhimmel. Eindrucksvoll setzt die Inszenierung solche traumhaften Stimmungen um. Den wachsenden Zusammenhalt der gegensätzlichen Freunde zeigen die Gastschauspieler des Speyerer Theaters so unmittelbar, dass es die jungen Zuschauer spürbar in ihren Bann zieht. Man lacht und grübelt mit ihnen, greift mit ihnen nach den Sternen und erleidet ihren tiefen Schmerz. So auch in der beklemmend gezeigten Szene, als Maik vom Vater heftig verprügelt wird. Zur Vielfalt des Stücks gehören Bilder von Gewalt genauso wie der Traum von Unzerstörbarkeit: Wohltuend ist es schließlich zu sehen, wie sich die Freunde vor Gericht umarmen und damit ein starkes Bild ihrer Freundschaft gegen Hass und Ohnmacht setzen.

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