Bad Dürkheim Rätselhaftes Liebesdreieck

Karen Duve (rechts) erzählt Waltraud Amberger von den Recherchen zu ihrem preisgekrönten Roman.
Karen Duve (rechts) erzählt Waltraud Amberger von den Recherchen zu ihrem preisgekrönten Roman.

Das Geständnis des Abends macht die Autorin direkt am Anfang im Gespräch mit Literarische-Lese-Projektleiterin Waltraud Amberger: „Ihre Werke hatte ich als Pflichtlektüre aus der Schule in schlechter Erinnerung.“ Damit meint sie die Gedichte und Balladen von Annette von Droste-Hülshoff, die als bedeutendste Dichterin des 19. Jahrhunderts gilt und deren Werke wie „Die Judenbuche“ vom Lehrplan deutscher Schulen nicht mehr wegzudenken sind. Wie man dazu kommt, ein fast 600-Seiten starkes Buch über das Leben jener Autorin zu schreiben, die man eigentlich gar nicht so richtig auf dem Schirm hatte, erklärt die Schriftstellerin mit ihrem Faible für das 19. Jahrhundert. Zudem sei sie in einem Buch über Amalie Hassenpflug, eine Freundin von Annette von Droste-Hülshoff, auf „Nettes Jugendkatastrophe“ gestoßen, was ihr Interesse geweckt habe, da diese „so geheimnisvoll war“. Akribisch habe sie sich auf Spurensuche begeben und alles gesammelt, was es zur Dichterin gab. „Ich wurde zur Kriminalistin. Mein Zimmer sah aus, als würde ich einen Serienkiller jagen“, sagt Duve, die wie eine Profilerin von den handelnden Personen Profile anlegte, um Tage zu rekonstruieren. „Ich habe Schlüsse gezogen, was in dieser Zeit passiert sein könnte“, ergänzt sie. Denn obwohl es viele überlieferte Dokumente aus jener Zeit gebe, seien drei Wochen völlig rätselhaft geblieben, da hierzu überhaupt nichts überliefert sei. Bis zu dieser „Lücke“ sei sie in ihrem Roman historisch sehr genau vorgegangen. Die Leser begegnen in dem Werk, für das Duve mehrfach ausgezeichnet wurde, vielen bekannten Größen der Literatur, die damals allerdings noch nicht berühmt waren und mit denen die junge Annette von Droste-Hülshoff Kontakt hatte, beispielsweise die Brüder Grimm oder Heinrich Heine. Eine wichtige Rolle spielt Heinrich Straube, ein junger Student, der in der damaligen Zeit als der neue Goethe gehandelt wurde, heutzutage allerdings völlig unbekannt ist. Er hält das junge, adlige Fräulein, das sich lieber im Steinbruch herumtreibt als zu stricken, für talentiert, schätzt ihre Schreibkunst – und das in einer Zeit, in der Frauen kaum Rechte hatten und die Stabilität der Familie über das persönliche Glück gestellt wurde. „Aus der Rolle auszubrechen war schwierig, besonders wenn man adlig war. Es wurde geschickt geheiratet, um den Familienbesitz zusammenzuhalten, Liebe spielte keine Rolle“, erklärt Duve. Daher sind die Gefühle, die Annette von Droste-Hülshoff sowohl für den Fan ihrer Gedichte als auch dessen Freund August von Arnswaldt hegte, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Genau dieses Liebesdreieck versucht Duve zu ergründen: Was ist damals zwischen Annette und den beiden Herren passiert? Wer ist für die Intrige, die zum Bruch mit Straube führte, verantwortlich? Stoff, der sich auch prima für einen Rosamunde-Pilcher-Roman eignen würde, doch Duve hat sich für eine historische Bearbeitung entschieden, die gekonnt die Grenzen zwischen Fiktion und Realität überwindet. Ihre Beschreibung der beschwerlichen Reise mit der Kutsche, die an deprimierenden Landschaften vorbeiführen, die nur „Wiesen, Wiesen, Wiesen“ zu bieten hatte, zaubert den Anwesenden im von-Busch-Hof ein Lächeln ins Gesicht und macht neugierig auf das Leben einer Frau, die zwar für ihre Literatur kämpfte, sich aber dennoch den Zwängen ihrer Zeit beugte. „Noch im Alter schrieb die stockkonservative Annette an ihre Mutter Briefe, die sie mit ,deine gehorsame Tochter’ unterzeichnete“, erzählt Karen Duve, die mittlerweile ihren Frieden mit den Werken der Hauptprotagonistin ihres Romans geschlossen hat und sie sogar gerne freiwillig liest. Duves Lesung war die erste der Literarischen Lese, die am Freitagabend eröffnet wurde und bis 26. Mai weitere Autoren wie Steven Uhly oder Jan Böttcher nach Freinsheim holt.

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