Bad Dürkheim Mannheim-Reime inklusive

Gerne mal die Perspektive wechseln: Jan Josef Liefers im Rosengarten.
Gerne mal die Perspektive wechseln: Jan Josef Liefers im Rosengarten.

Ein paar Koffer haben sie mitgebracht und wollen ihr Publikum mit auf eine Reise nehmen. „Zwei Seiten“ heißt das zweite Album von Jan Josef Liefers und seinen Bandkollegen von Radio Doria, mit dem sie auf Tour sind und nun im fast voll besetzen Mannheimer Rosengarten gastierten. Bei der musikalischen Reise wurde das Leben aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet, aus der melancholischen ebenso wie aus der fröhlichen. Genauso vielfältig die Musik: mal poppig beschwingt, mal balladesk ruhig.

In schwarzen Jumpsuits betraten Liefers und seine Kollegen die Bühne. Die Koffer sollten später noch eindrucksvoll als rhythmische Instrumente zum Einsatz kommen, zunächst jedoch standen sie symbolisch für eine Reise, die nachdenklich stimmen sollte, aber auch das Hier und Jetzt des Lebens feiern wollte. Animationen auf einer Leinwand unterstützten die Lieder. Da war dann zum Beispiel die Wartehalle eines Flughafens zu sehen und ein abhebendes Flugzeug. „Komm mit mir auf Reisen, damit wir bleiben, wer wir eigentlich sind“, sang Liefers, der den meisten vor allem als Schauspieler bekannt sein dürfte. Im „Tatort“ aus Münster spielt er seit 2002 den schnöseligen Rechtsmediziner Dietrich Boerne. Seine schauspielerische Ausbildung kommt Liefers natürlich auch beim Singen zugute. Wenn er als Frontmann seiner 2002 gegründeten Band Radio Doria auf der Bühne steht, schlüpft er allerdings in keine Rolle. Vielmehr weiß er seine Präsenz und Ausstrahlung zu nutzen, um den Liedern Raum zur Entfaltung zu geben – und mit lockeren Sprüchen das Publikum zu unterhalten. „Wir sind eine seriöse Band, das sieht man schon an unserem intellektuellen Schwarz dieser Anzüge, die einen knackigen Arsch machen“, witzelte Liefers über die Jumpsuits, die nicht wirklich kleidsam sind. Seinem Charisma kann aber auch ein legerer Einteiler nichts anhaben. Es ist genau diese authentisch erscheinende Präsenz, gepaart mit einer weichen, unverwechselbaren Stimme, die Liefers Ausstrahlung ausmacht. Dabei drängt er sich nicht in den Vordergrund, sondern gibt sich publikumsnah, probiert es mit direkten Ansprachen oder unternimmt einen Gang durch die Zuschauerreihen. Wie viel Spaß Liefers und seine Band auf der Bühne haben, verdeutlichte eindrucksvoll ein kleines akustisches Set, bei dem zunächst alle improvisieren und Reime über ihren Auftrittsort verfassten. Da wurden dann die Popakademie, John Deere, Karl Drais und natürlich die „Straßen ohne Namen“ angesprochen. So viel Ortskenntnis und Spontaneität wurden von den Zuschauern natürlich mit reichlich Applaus gefeiert. Kein Halten gab es für einige Besucher, als Liefers verkündete, dass „die Stühle nur ein Vorschlag sind, es besteht kein Sitzzwang“. Kaum gesagt, strömten viele schon vor die Bühne, wo sie bei den schnelleren Nummern begeistert mitklatschten und ganz andächtig den ruhigeren Stücken lauschten. Auf ihrer zweiten Platte haben sich Radio Doria unter anderem von den funky Grooves der Achtziger und Neunziger beeinflussen lassen. Aber auch zarte Streicherarrangements sind in den neuen Stücken zu finden. Genau diese Mischung aus tanzbaren Rhythmen und zarten Melodien sorgen auch live für eine stimmige Dramaturgie, dazu kommen starke Texte, die sich nicht bloß um die Liebe und den Lauf der Zeit drehen, sondern etwa auch um die Frage, wie man seinen Platz in der Gesellschaft findet. In Anspielung auf die Geschichte von Peter Pan geht es um „verlorene Kinder“. Und in dem Titelsong „Zwei Seiten“ plädiert Liefers dafür, mal den Blickwinkel zu wechseln und etwas aus einer anderen Richtung zu betrachten. „Das würde auch in der Politik nicht schaden“, meinte er. Die Animationen tragen maßgeblich zur Dramaturgie des Abends bei und sorgen dafür, dass die Texte gedanklich nachhallen. Bei der starken Ballade „Jeder meiner Fehler“ pusten Liefers und seine Kollegen die im Hintergrund auf der Leinwand flackernde Kerze aus und setzen damit einen starken Schlusspunkt unter einen Abend, der von den Zuschauern lautstark gefeiert wurde.

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