Bad Dürkheim Klezmer ohne Klarinette

Gut besucht war am Sonntagabend das Konzert des Ensembles Naschuwa in der protestantischen Kirche in Friedelsheim. Die vier Musiker begeisterten mit einem Einblick in Genres der jüdischen Kultur, darunter vor allem weltliche Lieder und traditionelle Festmusik, aber auch geistliche Kompositionen.

„Naschuwa bedeutet so viel wie ,Wir wollen uns öffnen’“, erläutert Sänger Matthias Helms zu Beginn des Konzerts. Offen werden für die jüdische Musik und Kultur, offen sein auch für die Besetzung des Ensembles. Denn leicht irritiert sind einige Besucher darüber, dass im Ensemble die Klarinette fehlt. Diese allerdings wurde erst Bestandteil der jüdischen Musik, als sie in Amerika die Elemente des Jazz mit aufnahm. Naschuwa aber spielt in der Besetzung, wie sie bei den europäischen Juden zunächst üblich war, nämlich mit Saiteninstrumenten und dem (allerdings auch erst später dazugekommenen) Akkordeon, das Rainer Ortner sehr einfühlsam spielt. Am Bass steht Knud Krautwig. Thomas Damm an der Gitarre und Sänger Matthias Helms, Sänger und Geiger, sind diejenigen, die das Quartett vor 30 Jahren ins Leben gerufen haben. Damals waren sie noch Theologiestudenten und lernten gemeinsam Hebräisch, wobei es sich anbot, auch hebräisches Liedgut zu interpretieren. Doch das ist nur eine Facette ihres Repertoires. Zu den Liedern der europäischen Juden, die das Ensemble erhalten und bekannt machen will, gehören neben hebräischen Gesängen, wie sie in Gottesdiensten eingesetzt werden, auch weltliche jiddische Lieder und vor allem Klezmer, die mitreißende traditionelle Hochzeits- und Festmusik der osteuropäischen Juden. Naschuwa spielen Traditionelles, Modernes und und eigene Kompositionen. Dazwischen erzählt Helms mit viel Humor jüdische Anekdoten und Witze und Wissenswertes über die jiddische Sprache. Ein Klezmerstück bildet den Auftakt des Konzerts, es malt gleichsam ein Bild von der Struktur vieler Klezmerkompositionen, die wehmütig mit den Klängen eines Instruments beginnen, in diesem Fall ist es das Akkordeon, zu dem sich nach und nach die weiteren Instrumente gesellen, um gemeinsam das Tempo des Rundtanzes zu steigern, bevor das Stück abrupt abbricht oder in ganz feinen Tönen verweht. Heitere Töne schlägt das Quartett auch mit dem jiddischen Lied „Abi gezunt“ an, „Hauptsache gesund“, in dem es darum geht, dass der Mensch keine Reichtümer braucht, um glücklich zu sein. Ein Lied, das auch von der Melodie her gute Laune zaubert. Lebensmut vermittelt auch ein Lied wie „Die ganze Welt ist eine schmale Brücke; das Wichtigste ist, sich nicht zu fürchten“. Rabbi Nachman ben Simcha hat diese Weisheit vor 200 Jahren geschrieben, die Musik dazu wechselt zwischen Traurigkeit und fröhlicher Zuversicht. Deutlich moderner spielt der Singer-Songwriter Matti Kaspi in „Jamai Binjamina“ mit den alten Elementen der jiddischen Musik, wenn er voller Wehmut Erinnerungen an seine Kindheit beschreibt. Auch in anderen Liedern spielt die Vergangenheit eine wichtige Rolle. Ein Beispiel dafür ist das vor Sehnsucht förmlich schmachtende Heimatlied „Majn Shtetele Beltz“. Eine Komposition des Gitarristen Thomas Damm beschreibt eine schöne junge Frau: temperamentvoll, nachdenklich, aber auch voller Entschlossenheit. Mit viel Einfühlungsvermögen interpretiert „Naschuwa“ auch Lieder mit religiösen Inhalten wie „El haderech“, das mit seiner eingängigen Weise dazu auffordert, sich auf den Weg zu machen, oder Lieder über das Kommen des Messias wie „Ani Ma’amin“ eine Vision, die sich musikalisch so leicht wie ein Traum ausdrücken lässt.

x