Bad Dürkheim Hahnenfest und „Honoratiorenpfälzisch“

Wehmütig erinnern sich die Freinsheimer an ihr Hahnenfest, das bis 1989 auf dem etwas abseits gelegenen Hahnenplatz gefeiert wur
Wehmütig erinnern sich die Freinsheimer an ihr Hahnenfest, das bis 1989 auf dem etwas abseits gelegenen Hahnenplatz gefeiert wurde. Die Aufnahme ist genau 40 Jahre alt.

„Die Welt meines Dorfes“, so lautet der Titel der Erinnerungen des aus Freinsheim stammenden Schriftstellers Hermann Sinsheimer. Ein Dorf ist die Stadt Freinsheim zwar offiziell nicht mehr. Aber damals zu Sinsheimers Zeiten wie heute gilt: Man kennt sich, man interessiert sich füreinander. „Was einer erlebte“, so zitierte Moderatorin Helga Buß Hermann Sinsheimer, „wurde zum Erlebnis aller.“ Das war auch deutlich an diesem Abend. Es herrschte ein großer Andrang im Veranstaltungsort Freinsheimer Hof. Damit hatten die Organisatoren an einem Montagabend nicht gerechnet. Flugs wurden einige Boxen angebracht, damit alle die Gespräche akustisch verfolgen konnten. Nur für die Bedienung wurde es etwas eng. Aber den Teilnehmern schien die Enge auch ein Zeichen der Gemeinsamkeit zu sein. Die Stimmung war gut und wurde immer besser. Auf dem Podium saßen in Freinsheim allgemein bekannte Personen: Ulrike Kirchner vom gleichnamigen Weingut, in Freinsheim geboren und nie weggewesen, Angela Hubach, örtliche SPD-Vorsitzende, Volker Gilcher, Musiker und Koch im Von-Busch-Hof. Nur Frédérique Lamur, die aus der Gegend von Carcassonne im südfranzösischen Languedoc stammt, ist erst als junge Frau ins Pfälzer Städtchen gekommen. Sie ist aktive Freinsheimerin – als Gästeführerin, als Mitglied der Vorstände der Freien Wähler und des Freundeskreises Freinsheim-Marcigny. Die Moderation hatte Helga Buß, keine geborene, aber sehr aktive Freinsheimerin. Die Themen waren Kinderjahre, Ausbildung mit Weggang und Wiederkehr, Vereine und Dialekt. Besonderes Echo fanden die Erinnerungen an die vielen kleinen Läden, die es früher gab. Volker Gilcher erinnerte an ein damals neues Delikatessengeschäft mit einem einmaligen „Cuvée aus Bohnerwachs und geräucherten Forellen“. Er erinnerte an Vereine wie den Theaterverein, und den Musikverein, in denen er als Jugendlicher tätig war und an das „Honoratiorenpfälzisch“, das von bekannten Persönlichkeiten wie dem „Schlattermichel“ gesprochen wurde. Hier gab es viel Resonanz im Publikum, auch bei der Erwähnung der Stadtsanierung. Der Von-Busch-Hof, heute das Kulturzentrum der Stadt, war vor der Sanierung ein Ort, wo die Kinder gar nicht hingehen durften, voller Mäuse und Ratten. An das Hahnenfest, das bis 1989 existierte, wurde mit Wehmut erinnert. Besonders war offenbar der enge Zusammenhalt im Dorf, um den Umzug zum Hahnenplatz zu organisieren. Überhaupt war die Gemeinsamkeit im Städtchen ein lebhaftes Thema. Die Sorge wurde laut, dass etwas verloren gehen könnte, wenn man nur nebeneinander her lebt. Auch Zuhörer meldeten sich zu Wort. „Schicken eier Kinner in die Sportvereine, die verkalge doch do!“, forderte ein alter Freinsheimer die Leute auf. Er erntete viel Zustimmung und die Ergänzung , dass das auch für die anderen Vereine gelte, besonders für die Musik. Dass das Hahnenfest viele Freinsheimer Ehen gestiftet habe, erzählte ein Winzer mit „Weisenheim-am-Sander Migrationshintergrund“ aus eigener Erfahrung. Man schwelgte in Erinnerungen, aber man dachte auch an die Zukunft. Helga Buß plant, die Geschichten, zu sammeln. Sie sollen „zur Belustigung kommender Generationen“ herausgegeben werden. Man hatte nicht den Eindruck, dass die Freinsheimer sich Sorgen machen müssen, dass sie das Interesse aneinander und an ihrem Städtchen verlieren könnten.

Zum Fest gab es einen Umzug durch die Innenstadt, vorbei an der evangelischen Kirche.
Zum Fest gab es einen Umzug durch die Innenstadt, vorbei an der evangelischen Kirche.
Schwelgen in Erinnerungen mit Ulrike Kirchner (vorne), Angela Hubach, Volker Gilcher, Helga Buß und Frédérique Lamur (von links)
Schwelgen in Erinnerungen mit Ulrike Kirchner (vorne), Angela Hubach, Volker Gilcher, Helga Buß und Frédérique Lamur (von links).
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