Bad Dürkheim Gönnheimer Bombenentschärfer im Interview: „Tue alles, dass ich nicht ins Gras beiße“

Über Fliegerbomben spricht er wie über ein Wesen: Horst Lenz (links), technischer Leiter des Kampfmittelräumdienstes. Vergraben
Über Fliegerbomben spricht er wie über ein Wesen: Horst Lenz (links), technischer Leiter des Kampfmittelräumdienstes. Vergraben als Blindgänger entwickelten sie »einen eigenen Charakter«, findet er. Neben ihm Mitarbeiter Claudio Prezio und Peter Kappler.

Für die Entschärfung der Weltkriegsbombe am Samstag ab 12 Uhr in Gönnheim ist der Kampfmittelräumdienst des Landes Rheinland-Pfalz zuständig. Die RHEINPFALZ sprach mit dessen technischem Leiter, Horst Lenz, 63, über die Gefahren seines Berufs und den Gönnheimer Bombentyp. Noch nie gab es laut Lenz hier im Land einen tödlichen oder schweren Unfall beim Entschärfen.

Herr Lenz, Sie wurden schon Tausend mal gefragt nach der Todesgefahr Ihres Jobs. Was sagen Sie dann?

Was ich dann sage, hängt ganz von meiner Tagesform ab. (lacht) Ich bin aber nicht mehr gefährdet als jeder andere, der in einem technischen Beruf arbeitet. Man kann bei einem Autounfall sterben oder vom Gerüst fallen... In meinem Fall wäre die Ursache nur exotischer. Sie meinen auch, wenn es Sie trifft, bleibt nichts mehr von Ihnen übrig? Ja, das auch. Um mich mache ich mir aber nicht so viele Gedanken. Ich tue alles, dass es nicht so weit kommt, dass ich nicht ins Gras beiße. Ich gehe aber immer mit einem guten Gefühl ans Arbeiten. Und hinterher bin ich glücklich. Immer? Ich gehe nicht mit Bammel hin. Ich verlasse mich auf meine Kenntnisse und Erfahrung. Hinterher dachte ich das ein oder andere mal schon, mein lieber Mann, das war aber dünn. Was bringen Sie am Samstag mit nach Gönnheim? Da bringe ich mein ganzes Karussell mit. Das sage ich immer so, weil wir vor Ort aufbauen wie ein Karussellbauer. 50 bis 60 Kilo an Werkzeugen, verschiedene Buchsenschlüssel, einen Stromgenerator und einen Kompressor zur Nagelrostentfernung. Viele unserer Werkzeuge sind selbst gebaut. Es gibt keinen Supermarkt für Entschärfungs-Werkzeuge. Wir werden zu viert oder fünft arbeiten am Samstag. Wissen Sie schon, wie Sie die Gönnheimer Bombe anpacken? Die habe ich noch nicht persönlich gesehen, aber gute Fotos und meine Kollegen waren vor Ort. Sie hat zwei Zünder, die wir entfernen müssen, einen am Heck, einen am Kopf – das ist der Kern der Arbeit. Ein Bombentyp, den Sie kennen? Ja, die ist Standard. Eine GP, also eine Allzweckbombe des Typs AN-M 65, den die Amerikaner erst ab Mitte 1944 in unseren Breiten eingesetzt haben – später auch in Korea und Vietnam. Die hier hat ein Nennkaliber von 1000 Pounds, was etwas weniger als 500 Kilogramm sind. Etwa die Hälfte des Nenngewichts ist Sprengstoff. Manchmal gibt es aber Probleme, wenn der Kopfzünder durch den Aufschlag verspannt ist. Und dann? Wenn sich der Zünder nicht normal durch Herausschrauben entfernen lässt, müssen wir bohren. Mit einer Bohrschablone bohren wir etwa 18 Löcher ins Gewinde, danach befestigen wir einen Adapter am Zünder und drehen diesen um ein Achtzehntel einer Umdrehung. Dadurch fällt der Rest des Zündergewindes ins Leere. Und der Zünder kann herausgezogen werden. Wie viele Bomben haben Sie schon entschärft? Bei 300 Stück habe ich aufgehört zu zählen. Wann das war, weiß ich nicht mehr. Wann müssen Sie gezielt sprengen? Wenn das alles nichts hilft, müssen wir unter Sicherheit sprengen. Das ist an Randlagen ganz gut machbar, in Gönnheim nicht empfehlenswert. Der Neubau neben der Bombe wäre dann zerstört, auch das Nachbarhaus. Auch die bezünderte Bombe abzutransportieren, wäre nur mit riesigem Aufwand praktikabel. Was passiert, wenn sie explodiert? Das wäre ein Fiasko. Dann haben wir persönlich keine Chance. Und ein paar Häuser mehr würden kaputt gehen – wie viele, ist schlecht vorherzusagen. Es gäbe Glasbruch, kaputte Dächer. An der Halle in Friedelsheim aber würde nur die Druckwelle zu spüren und der Knall zu hören sein. Im Sperrgebiet wären die größte Gefahr dann Splitter. Wenn alles gutgeht, was machen Sie danach als Erstes? (lacht) Dann qualme ich eine Zigarette und rufe meine Frau an, damit die von den glühenden Kohlen runterkommt. | Interview: Simone Schmidt

Horst Lenz
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