Bad Dürkheim Faselkupfer und Kabelsalat

In seiner roten Mappe hat Kabarettist Holger Paetz die größten Aufreger des vergangenen Jahres gesammelt. Darunter: der Internet
In seiner roten Mappe hat Kabarettist Holger Paetz die größten Aufreger des vergangenen Jahres gesammelt. Darunter: der Internetausbau, der Dieselskandal und weiterer politischer Zündstoff.

In der Kleinkunstreihe „Mund Stück Werk“ lud der Schwabinger Kunstpreisträger Holger Paetz am Sonntag zum satirisch-politischen Jahresrückblick „So schön war’s noch selten“ im Haus Catoir. Selbstironisch stellt er sich vor als „small artist“, wie bekannt mit der roten Mappe in der Hand. Darin hatte er mit spitzer Feder das Jahr über Themen gesammelt, die ihn gehörig in Rage brachten.

Bei vielen oder gar den meisten Leuten sind die Aufreger des letzten Jahres gedanklich verschüttet oder werden von neuen Themen überwuchert. Was wäre ein Kabarettist, würde er nicht die Finger auf Unglaubliches, Unfassbares, Unsinniges oder Ungeheuerliches legen? Paetz zerlegt sie wortreich, die „Idiotenansammlung“ allerorten: Seehofer, die Groko, Jens Spahn – Sprüche des letztjährigen Jahresanfangs sind plötzlich wieder präsent. „Lieber Jens!“, poltert er sich in Rage über den Gesundheitsminister, der zu Hartz IV bemerkt hatte, jeder habe, was er brauche. Paetz liebt es, kräftig mit verbalen Keulenschlägen auszuteilen. Der Widerhall aus dem Zuschauerraum gibt ihm Recht, gären doch die angesprochenen Reizthemen noch immer und verdienen, nicht dem Reich des Vergessens anheim zu fallen. Der komplette Internetausbau „bis 2025“, eine Lachplatte, sei „auf ländlichem Raum auf dem Dreirad unterwegs“. Auslassungen der Politiker diesbezüglich befeuern seine Häme, „Kabelsalat, Faselkupfer und Breitbandkabel!“, so wettert er sich in Rage und belegt Fakten mittels Fingerzeig hinein in seinen roten Ordner. Dass er seinen Gästen aus dem Herzen spricht, auf deren Frust er gerne noch eine Schippe drauflegt, bestätigt das fortwährende Gelächter des Publikums. Paetz lässt sie wiederauferstehen, die Stimmen aus dem vergangenen Jahr, mit Vorliebe die der bayerischen Heimat, Imitationen bekannter Gesichter vergegenwärtigen angestaubte Erinnerungen. Da ist sie wieder, die leidige Diskussion um Kreuze in Amtszimmern. Harsche Titulierungen wie „Wandelnder Filz“, „fränkischer Wurstbratschen“ setzen noch ein Tüpfelchen auf die geschmähte Politikercrème. Aber auch abseits dieser Szenerie findet Holger Paetz satirisches Material in Hülle und Fülle. Ein Reizwort: „Doping“ bei den Olympischen Spielen. „Was braucht ein Curler Doping?“ Sein Spott macht Spaß – bei derzeitigem Dauergrau am Himmel eine durchaus willkommene Sache. „Haben Sie gewusst?“, so fühlt er sich zeitweilig als Aufklärer inmitten absurder Fehlleistungen. Die Waldbrände, wo man vergessen hat, rechtzeitig den Boden „harken zu lassen“ und so fort. Die Quelle solcher überseeischen Statements ist bekannt und speist regelmäßig das kabarettistische Repertoire. „Das kann doch nicht wahr sein!“, poltert es aus ihm heraus. Seite um Seite purzeln ihm die allgegenwärtigen Ärgernisse vor die Füße: Dieselärger, Bundesbahnärger, sich anbahnender Ärger beim Stuttgarter Bahnhof, Nachbarschaftsärger, Ikea-Ärger, Konto-Ärger. „Das Konto kann sich nicht wehren!“, süffisante Anmerkungen wie diese werden mit viel Gelächter quittiert. Zwischen das politische Grau streut Paetz gerne Gedichte – „habe mich dem depressiven Gedicht verschrieben ...“. Sie sind weitere Zeugen seines speziellen schwarzen Humors. Einige davon gab er mit Vergnügen als Zugabe zum Besten.

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