Bad Dürkheim Fakes und andere Wahrheiten

Es wird getratscht und gelästert, was das Zeug hält: (v.l.) Sir Benjamin Backbite (Guntram Raquet), Mrs. Candour (Debora Thomas-
Es wird getratscht und gelästert, was das Zeug hält: (v.l.) Sir Benjamin Backbite (Guntram Raquet), Mrs. Candour (Debora Thomas-Chmielus) und Lady Crabtree (Trudel Becker).

Mit der Gesellschaftsatire „Die Lästerschule“ des englischen Dramatikers Richard B. Sheridan hat das „Dramatische Hoftheater“ einen verstörend aktuellen Stoff auf die Bühne des Mußbacher Herrenhofs geholt. 241 Jahre nach der Uraufführung belohnte das Publikum die spritzig inszenierte Komödie mit stürmischem Beifall.

Markus Mohr, in Personalunion Intendant, Regisseur, Bühnenbildner und Mitspieler der mit professionellem Impetus antretenden Amateurtruppe, hatte sich für die literarischste der Übertragungen ins Deutsche, die von Wolfgang Hildesheimer, entschieden. Auch hat Mohr den auf englischen Bühnen vielgespielten Klassiker in der „Upper Class“ belassen, allerdings in die 1920er Jahre transferiert und mittels eines pfiffigen Kunstgriffs – drei Zeitungsjungen mäanderten immer mal durch die Szene und spulten lautstark Schlagzeilen à la Trump ab – mit Spotlights der aktuellen Medien-Überflutung bestückt. Der Plot des Stücks – im Originaltitel „The school of Scandal“ - kreist um Sein und Schein einer Salongesellschaft, die sich den langweiligen Alltag mittels kleiner intriganter Spielchen und vor allem der gezielten Verbreitung von „Fake News“ versüßt. Die plärren einem den ganzen Abend über entgegen, während sich in der Szene davor die Salons der feinen Herrschaften in üppig ausgestatteter Haute-Couture-Kostümierung öffnen. Da wird getuschelt, getratscht, geschmäht, verdreht, dass sich die Balken biegen. Um zwei Brüder geht es, einer liebenswert, aber ein Hallodri, der andere infam, berechnend und im Bund mit den Ränkeschmiedinnen, und um deren reichen Erbonkel, der inkognito anreist und die beiden trickreich auf Herz und Charakter prüft; sodann um Begehrlichkeiten sexueller und vor allem pekuniärer Art, zwei zänkische Eheleute – sie schön und romantisch, er bejahrt und spröde –, das schließlich doch zueinander findet, und ein junges Liebespaar, das sich am Ende kriegt, aber eher der Ordnung halber, als unspektakulärer Schlusspunkt. Denn die Liebesgeschichte um die unverdorbene Maria (Ann-Kathrin Stengel) und den liebenswert windigen Charles Surface (Lucas Müller), der zudem den Klatschkolumnisten Snake überzeugend gibt –, ist nicht mehr als eine motivische Beigabe. Sheridans Thema ist das Abgründige, das Korrumpierbare im Menschen, die Lust am Missgeschick des Gegenübers, der maßlose Sensationshunger, gerade in saturierten Gesellschaften. Bevor das Tribunal der intriganten Schlangen endgültig entlarvt und bis zu neuerlichem Ränkespiel zum Schweigen gebracht ist, herrscht auf und zuweilen vor der Bühne Turbulenz, verbaler Schlagabtausch, temporeiche Aktion und pures komödiantisches Feuer. Markus Mohr, der sich selbst als facettenreich aufspielender Ränkeschmied Joseph Surface in heikelste Situationen manövriert, hat seiner Truppe unentwegt Tempo verordnet, lässt sie reich an mimischen Chiffren und sprachlich pointiert agieren. Es wird kraftvoll, akzentuiert, dialektfrei (in der Pfalz nicht selbstverständlich!) deklamiert, zuweilen in hysterisch überhöhtem Ton, aber das bedient das Sujet. Zum Höhepunkt hin fehlt es nicht an Slapstick-Aktionen. Großartig und sprachlich wie darstellerisch durchgeformt die Phalanx der Lästerzungen: allen voran Christina Jacobs als Lady Sneerwell, Debora Thomas-Chmielus als Mrs. Candour, Trudel Becker als Lady Crabtree und Guntram Raquet, der als Möchtegernpoet Backbite wie auch als Charles-Freund Jack facettenreich brilliert. Prächtig die Charakterstudien von Miriam Braunstein und Wolfgang Braunstein als Ehepaar Teazle, elegant die Auftritte von Alfred Stengel als Rowley, der auch im Trio der Zeitungsverkäufer (Dietmar Walter, Janek Graß) überzeugend mitmischte. Gutes Theater, glänzende Unterhaltung mit Ansporn zum Nachdenken. Sehr empfehlenswert! Termine Im Mußbacher Herrenhof am 18., 19., 20., 25. und 26. Mai, Beginn 20 Uhr. Karten (14/12 Euro) bei Tabak Weiss, 06321/ 2942.

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