Bad Dürkheim „Einmaliges Erlebnis“

Ein Arbeiter schmilzt Zinn.
Ein Arbeiter schmilzt Zinn.

Bald soll sie erklingen, die neue Friedhofsglocke von Bobenheim. Einige Bobenheimer sind mit dem Bus nach Straßburg gefahren, um dem Guss der Glocke beizuwohnen – die übrigens gar keinen christlichen Spender hat.

Es ist laut und warm in der kleinen Fabrikhalle mit den hohen Decken. Grüne Feuer lodern aus zwei Öfen, die auf sandigem Boden stehen. Darin wird schon seit mehreren Stunden Kupfer eingeschmolzen, später kommt Zinn hinzu. So entsteht eine Bronzelegierung. Auf den ersten Blick sieht man es nicht – aber in dem sandigen Boden sind sie versteckt: Glockenformen. Schon seit dem Morgen sind die Bobenheimer unterwegs. Und zwar nach Straßburg zur Glockengießerei Voegele, die versteckt inmitten der französischen Stadt liegt. Hier wollen sie einem ganz besonderen Ereignis beiwohnen: dem Guss ihrer Friedhofsglocke. Selbst Pfarrer Helmut Meinhardt hat so etwas noch nicht gesehen, findet es ein „einmaliges Erlebnis“. Freitag, drei Uhr, die Todesstunde des Herrn, Jesus Christus: Es wird schlagartig still, weil die Öfen nicht mehr beheizt werden. Jetzt hört man nur noch hin und wieder ein Knistern und Knacken, auch die Arbeiter verharren kurz. Ein französischer Pfarrer spricht Segensworte und betet das Vater Unser. Dann kommt Bewegung in die Arbeiter, jetzt muss es schnell gehen. Die vier Hausglocken, die heute ebenfalls gegossen werden und in einem hohen Kasten vergraben sind, werden mit Schöpfkellen befüllt. Feuer lodert hoch, als die flüssige Bronze in die Formen gefüllt wird. „Die Gussform für die Glocke wird mit Bronze gefüllt und härtet dann aus“, erklärt Birgit Müller, amtliche Glockensachverständige aus Meckenheim. Sie berichtet den wissbegierigen Bobenheimern auch, was in den drei Monaten vor dem Guss bereits passiert ist. Der Kern der Glocke wurde geformt, darauf eine „falsche Glocke“ gesetzt. Um dieses Element wird dann der Mantel angepasst. Durch Zerschlagen der falschen Glocke bleibt am Schluss ein Hohlraum – die Gussform. Nach dem Guss der Hausglocken kommen die beiden großen Glocken für Bobenheim und Südfrankreich dran. Während die eine Form auch mit den Schöpfkellen vollgemacht wird, wird der linke Ofen langsam hydraulisch gekippt. Die Bronze läuft so durch eine Rinne im Boden auf die letzte vorbereitete Form zu. Gespendet wird die neue Friedhofsglocke von Otto und Christa Weber. Stolz betont Otto Weber, dass seine Wurzeln schon lange in Bobenheim liegen, sein Ururgroßvater war hier bereits Bäcker. Bereits vor mehreren Jahren fand er, dass auf dem Friedhof eine Glocke fehlt. Der 82-Jährige und seine Frau sind seit 40 Jahre konfessionslos. „Deswegen habe ich gedacht, in der Zwischenzeit haben wir so viel Geld an Kirchensteuer gespart, da können wir auch eine Glocke bezahlen“, scherzt er. Ihm ist es wichtig, dass die Glocke auf dem Friedhof für jeden läutet, egal, an was dieser glaubt. Das Ehepaar übernimmt die Kosten für die Glocke und den Turm, die Gemeinde muss lediglich den Strom verlegen und sich um Fundament sowie die Statik kümmern. Nachdem noch auf alle Glocken Kohlestücke gegeben wurden (als Dämmung, damit es so lange wie möglich warm bleibt), ist alles vorbei, nur knappe zehn Minuten hat die ganze Aktion gedauert. Jetzt heißt es abwarten. Erst ein paar Tage später kann man sicher sein, dass beim Glockenguss alles funktioniert hat. Auf der Bobenheimer Glocke soll dann das Bobenheimer Wappen, das Familienwappen Weber, „gestiftet von Christa und Otto Weber“ und die Inschrift: „Ich läute für jeden auf seinem letzten Gang“ zu sehen sein. Sie wird 225 Kilo wiegen, damit der Ton auf die Glocken der katholischen und evangelischen Kirche abgestimmt ist. Das Geheimnis einer gutklingen Glocke ist übrigens, wie Müller erklärt, dass der Ton lange stehenbleibt. Das gilt hoffentlich auch für die neue Friedhofsglocke von Bobenheim am Berg.

Birgit Müller (rechts) erklärt, wie die neue Glocke entsteht.
Birgit Müller (rechts) erklärt, wie die neue Glocke entsteht.
Spektakulär: Die 1200 Grad heiße flüssige Bronze wird in die Formen, die tief im Sand verbuddelt sind, gegossen.
Spektakulär: Die 1200 Grad heiße flüssige Bronze wird in die Formen, die tief im Sand verbuddelt sind, gegossen.
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