Bad Dürkheim Ein Schwebebalken im Wohnzimmer

Die Rautenberg-Schwestern: Josephine (links), in der Mitte (von oben nach unten) Jennifer, Julia, Jiljana und Jasmin (rechts).
Die Rautenberg-Schwestern: Josephine (links), in der Mitte (von oben nach unten) Jennifer, Julia, Jiljana und Jasmin (rechts).

«Bad Dürkheim.» Dass in dem Haus der Rautenbergs eine turnverrückte Familie wohnt, zeigt direkt das Wohnzimmer. Denn dort liegt, umgeben von typischen blauen Sportmatten, ein Schwebebalken auf dem Boden. Im Garten steht ein großes Trampolin und ein Reck. Hier turnen nicht ein, nicht zwei, nicht drei, sondern gleich vier Mädchen regelmäßig ihre Figuren – und bald vielleicht auch noch ein fünftes. Jiljana ist knapp 14 Monate alt, aber wenn sie ihren Schwestern nacheifert, geht es bestimmt bald los mit der Turnerei. Richtig aktiv sind im Moment nur zwei der Rautenberg-Mädels, die lange als Mannschaft zusammen angetreten sind: die elfjährige Josephine und die 14-jährige Jasmin. Die Älteste, Jennifer, hat ein wenig den Spaß am Turnen verloren und vor Kurzem aufgehört. Die 16-Jährige bleibt dem TVD aber als Kampfrichterin erhalten. Jasmins Zwillingsschwester Julia hat sich vor ein paar Monaten bei einem Rückwärtssalto den Zeh gebrochen, wurde zweimal operiert. Seitdem bekommt sie die Angst bei Rückwärtselementen nicht mehr aus dem Kopf – und turnt erst mal nicht mehr selbst. Sie hilft aber mit ihrer Zwillingsschwester in der Turnstunde der Kleineren. „Die würden gerne alle Trainerin werden“, sagt Mutter Barbara über ihre Töchter. Früh ging es für die Rautenberg-Mädchen los mit Sport. Erst Babyschwimmen, dann kam schon das Kinderturnen in Grethen, erinnern sich die Eltern Jens und Barbara. Jennifer und die Zwillinge waren offenkundig talentiert. „Wir wurden quasi im positiven Sinne rausgeschmissen“, erzählt Barbara Rautenberg lachend. So kam die Familie zum TVD. „Die haben halt immer Spaß am Turnen gehabt“, sagt Vater Jens. „Was andere verbissen gemacht haben, haben sie ganz leicht weggeturnt, haben immer dabei gestrahlt. Vor allem Jasmin.“ Die setzt prompt ein strahlendes, ehrliches Lächeln auf, als sie das hört. Im Training turnt Jasmin am liebsten am Balken. „Aber im Wettkampf sind manchmal meine Beine wackelig“, sagt sie. Trotzdem lässt sich die Vierzehnjährige nicht entmutigen. Am Barren hat sie jüngst nach vier Jahren Training endlich die Riesenfelge geschafft, also sich vom Handstand wieder in den Handstand geschwungen. Sie beschreibt sich als „unbeweglich“, obwohl sie „im Spagat gut runterkommt“. Josephine sei deutlich beweglicher. Dieses Manko gleicht Jasmin aber durch Muskeln aus. Wenn sie ihren Bizeps anspannt, können manche Jungs vor Neid erblassen. Dreimal die Woche haben Jasmin und Josephine Training, vor wichtigen Meisterschaften auch viermal. Früher haben alle vier Rautenberg-Mädchen auch voltigiert. Josephine wurde das zu viel, sie hat mit dem Pferdesport aufgehört. Auch die Zwillinge und Jennifer haben dem Turnen irgendwann den Vorrang gegeben. Neben ihrem sportlichen Talent sind die Schwestern auch musisch begabt. Sie haben lange Zeit im Chor gesungen, Josephine hatte auch schon Solo-Auftritte, zum Beispiel bei Musicals. Beim Turnen ist der Boden ihr Lieblings-„Gerät“. Sie sei vor Wettkämpfen zwar immer ein bisschen aufgeregt, aber dann klappen die Übungen meist besser als im Training, erzählt sie. Gleich bei ihrer ersten Gaumeisterschaft, ein halbes Jahr nachdem sie zum TVD gewechselt war, gewann sie den Titel. Davor hatte sie lange Handstand geübt, war aber nicht ganz sicher gestanden – beim Wettkampf passte alles. Josephine hatte sogar im Auto bei der Hinfahrt prophezeit, dass sie gewinnen würde. Der größte Erfolg der Rautenberg-Mädchen war der Gewinn des „Triples“. Zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte des TVD wurde eine Mannschaft – die Rautenbergs werden noch von Anouk Wessa unterstützt – Gau-, Pfalz- und Rheinland-Pfalz-Meister. Und der Verein wurde immerhin im Jahr 1860 gegründet. Julia und Josephine hatten auch schon Wechsel-Anfragen von anderen Vereinen, aber sie wollten lieber mit ihren Schwestern zusammen beim TVD bleiben. Dabei sind die Geschwister doch recht unterschiedlich. Jennifer ist eher introvertiert, liest ihren Namen ungern in der Zeitung. Die Zwillinge sind hingegen aufgeregt, wenn sie sich in den Medien finden, turnen gerne mal im Unterricht vor. Klar, gebe es zu Hause mal Diskussionen, aber „bei Turnieren streiten wir nie“, sagt Jasmin. Für sie und Josephine stehen in diesem Jahr wieder Meisterschaften an. Josephine hat außerdem die Riesenfelge am Barren als Ziel. Jasmin, die im Deutschlandcup dabei ist, würde gerne zu einer Deutschen Meisterschaft fahren. Jetzt muss Familie Rautenberg nur noch abwarten, ob die Jüngste Jiljana in die Fußstapfen ihrer Schwestern tritt. Das richtige Umfeld wäre mit Schwebebalken im Wohnzimmer schon geschaffen.

x