Bad Dürkheim „Düstere Welt der Geknechteten“

„Mit einer Wohnung kann man einen Menschen ebenso töten wie mit einer Axt“: Das Zille-Zitat spielt eine Rolle im sozialkritische
»Mit einer Wohnung kann man einen Menschen ebenso töten wie mit einer Axt«: Das Zille-Zitat spielt eine Rolle im sozialkritischen Drama.

„Mutter Krausens Fahrt ins Glück“, ist ein Sozialdrama drastischen Inhalts und gilt als Höhepunkt des proletarischen Films. Er wurde gedreht in den kommunistischen Prometheus-Studios in Berlin. Regisseur Phil Jutzi wurde 1896 als Philipp Jutzi in Altleiningen geboren. 1946 starb er verarmt in Neustadt. Er malte Plakate für Heidelberger Kinos und war im Umgang mit der Kamera Autodidakt. Für die UfA-Studios Berlin drehte der widersprüchliche Jutzi eine Reihe von Kurz- und Langfilmen, darunter 1931 den später verbotenen „Berlin Alexanderplatz“. Jutzi war zunächst kommunistisch orientiert, später trat er in die NSDAP ein. Die ausgefeilte Filmästhetik macht „Mutter Krausens Fahrt ins Glück“ zu einem Zeitdokument erster Güte. Im Film werden dokumentarische Szenen und dramatische Handlung verbunden. Gezeigt wurde der Film in einer restaurierten Kopie des Filmmuseums München. Jutzis Film ist entstanden nach einer Idee des Milieuzeichners Heinrich Zille und unter Mitarbeit von Käthe Kollwitz. Er zeigt „die düstere Welt der Geknechteten und Versklavten“. Das Elend in den trostlosen Mietskasernen und den Überlebenskampf, aber auch die kleinen Freuden der Arbeiter auf dem Rummelplatz, beim Sommerfest und am Badesee. In der Enge und Perspektivlosigkeit gedeihen Kriminalität und Prostitution: Mutter Krausens Sohn Paul versäuft Geld, das ihrem Arbeitgeber gehört. Zuchthaus droht. Tochter Erna versucht vergeblich ihrer Mutter durch Prostitution zu helfen, Paul wird bei einem Einbruch geschnappt. Die Gesichter der Laiendarsteller spiegeln Freude und Hoffnung, Not und Verzweiflung, Schuld und Scham, aber auch Entschlossenheit. Mutter Krausen wählt den Suizid als Ausweg, trinkt ihren letzten Kaffee, öffnet den Gashahn und „fährt ins Glück“. Schlussbild: An der Seite ihres Freundes Max marschiert Tochter Erna klassenkämpferisch Richtung Zukunft. In Erinnerung bleiben starke Bilder und Gefühle. Und das eingeblendete Zille-Zitat „Mit einer Wohnung kann man einen Menschen ebenso töten wie mit einer Axt“. Damals wie heute? Berlin bleibt Berlin … Anstelle von Kai Schreiber setzte sich Uwe Oberg an den Flügel und begleitete den 133 Minuten langen Film mit einfühlsamen und suggestiven Improvisationen. Schreiber, der Stammpianist des Sommerkinos, war aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig ausgefallen. Oberg, der studierte Jazzmusiker aus Frankfurt, erhielt 2007 den hessischen Jazzpreis, arbeitet seit 1990 für das deutsche Filminstitut und vertont regelmäßig Stummfilme im Wiesbadener Kino Caligari. „Der Film und seine Bilder sind meine Partitur“, erklärte der Musiker auf Nachfrage. Wie bei den meisten Stummfilmen gebe es auch für „Mutter Krausens Fahrt ins Glück“ keine schriftlichen Noten, die Filmmusik entsteht live aus dem Moment und diene dem Film. Das Gesehene werde illustriert und konterkariert. Mit seiner akustischen Untermalung gelang es Oberg, die streckenweise drastischen Bilder vom Elend der Proletarier im Berliner Arbeiterbezirk Wedding noch emotional zu steigern und den Film für die Zuschauer ins Heute zu holen. Mit Wohnungsnot und sozialem Elend behandelt der Film Themen, die auch heute noch aktuell sind.

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