Bad Dürkheim Der Stoff der Wahrheit

Was der Finanzminister (rechts) zu sagen hat, will der Kaiser nicht hören. Die Figuren führt Britt Wolfgramm.
Was der Finanzminister (rechts) zu sagen hat, will der Kaiser nicht hören. Die Figuren führt Britt Wolfgramm.

Das Stofflager ist voll, die Staatskasse leer. So kann es gehen, wenn ein Kaiser ständig kostbare Kleider verlangt.

Das bekannte Märchen von Hans Christian Andersen „Des Kaisers neue Kleider“ war am Donnerstag im Haus Catoir als freie Bühnenbearbeitung zu sehen, gespielt vom Figurentheater Marmelock aus Hannover. Wie gewohnt bei Angeboten für junge Theaterfreunde drängen sich die Zuschauer im Saal und warten gespannt auf die Vorführung. Und spannend wird es: Eine Rahmenhandlung leitet das szenische Spiel ein, wobei Britt Wolfgramm nicht nur die Figuren führt, sondern selbst als Schneiderin auftritt. Ihre schmucke Werkstatt wird dabei zur Tischbühne. Hier zeigt sie den Kindern anhand von Figurinen, was so alles zur kaiserlichen Wochenkollektion gehört. Das Stück gefällt mit ausdrucksvollen Tischmarionetten, aus Lindenholz geschnitzt von Christian Schweiger. Den Gegensatz zwischen prunkvollem Hofleben und der Armut des Volkes zeigt die Figurenspielerin deutlich und behutsam zugleich. Aus den Gaunern im Märchen macht die Inszenierung eine notleidende Familie. Zu ihr gehört ein kleines Mädchen, das mit seiner Keckheit die Handlung greifbar nah bringt. Um dem Kaiser einen Denkzettel zu verpassen, übernimmt jeder aus der Familie eine wichtige Rolle. So ersinnt der gewitzte Opa die List mit dem „Stoff der Wahrheit“, den nur Dumme nicht sehen könnten. Die folgenden Verwicklungen setzt Britt Wolfgramm überzeugend um und bezieht ihr Publikum bei der Kaiserparade als jubelndes Volk mit ein. Zu guter Letzt tut Kindermund die Wahrheit kund: Der Kaiser hat überhaupt nichts an. Natürlich provoziert die enthüllte Spielfigur viel Gelächter. Das Stofflager ist voll, aber der Kaiser ist nackt. Und genau so bekommt er viel Applaus.

x