Bad Dürkheim Der Pionier aus dem Rhein

Possierlich: Eine Nutria in Germersheim freut sich über Brotfutter.
Possierlich: Eine Nutria in Germersheim freut sich über Brotfutter.

Von der Öffentlichkeit kaum bemerkt hat eine neue Tierart in Bad Dürkheim Einzug gehalten. Sie lebt an der Isenach am Kopfende des Gradierbaus – nach derzeitigem Erkenntnisstand als Einzelgänger – und ernährt sich von Pflanzen: Eine Nutria (auch Biberratte genannt) wurde erstmals vor einigen Wochen dort gesichtet (wir berichteten). Wie kommt diese Tierart hierher? Und was hat es damit auf sich?

Zunächst: Auch in anderen Städten werden Nutria beobachtet. Die Stadt Neustadt hat für sie sogar ein Fütterungsverbot erlassen. Nach Angaben von Katharina Schneeberg vom Dürkheimer Pfalzmuseum für Naturkunde handelt es sich bei der Biberratte um eine Pionierin. Außer der an der Saline sind bisher keine weiteren Exemplare in der Stadt bekannt. Allerdings glaubte eine Autofahrerin, die im Dezember drei tote Fellbündel, davon zwei Junge, direkt neben der B 37 an der Bruchkreuzung fotografiert hatte, dass es sich um solche Tiere gehandelt hat. Die Kadaver waren in unseren Augen kein Zeitungsmotiv, die Frau hat die Bilder inzwischen gelöscht. „Offiziell gibt es eine Meldung vom Haardtrand, westlich von Ungstein, wo vergangenes Jahr eine Nutria gesehen wurde. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es sich um dasselbe Tier handelt“, erläutert Schneeberg. Normalerweise lebten Nutrias nicht allein, sondern meist in kleinen Kolonien von um die 15 Tieren oder manchmal auch paarweise zusammen. Die promovierte Biologin vermutet, dass besagtes Tier vom Rhein an die Haardt gekommen ist. Einzelne Tiere breiten sich in Ost-West- Richtung seit etwa 2015 von dort aus, so Schneeberg. Gehäufte Meldungen gebe es auch in Limburgerhof und bei Frankenthal. Neustadt hat das Füttern solcher Tiere nicht ohne guten Grund untersagt, wie Schneeberg festhält, weil es zur weiteren Vermehrung der Tiere führt. Dies wiederum könne den Bestand einheimischer Arten gefährden. Zudem verschlechtere sich durch das Füttern ebenso wie bei Enten oder Schwänen die Wasserqualität – was im Extremfall bei entsprechender Population die Sauerstoffmenge im Wasser reduziere, darin lebende Organismen wie Pflanzen und Tiere ersticken und letztendlich das Gewässer „umkippen“ lassen könnte. Ein weiterer Grund für ein Fütterungsverbot sei, dass damit unbeabsichtigt auch Ratten und Mäusen versorgt würden, deren Bekämpfung für die Kommunen mit viel höheren Kosten verbunden sei. Schaden kann aber auch durch das Fressverhalten von Nutrias entstehen, wenn ihre Zahl stark zunimmt, erläutert die Zoologin weiter. Da sie sich von Pflanzen ernähren, die sie komplett mit Stängeln, Blättern und Wurzeln fressen, könne es bei starker Vermehrung der Tiere zur Übernutzung der Sumpf- und Ufervegetation kommen, so dass größere Bereiche zu pflanzenfreien Wasserflächen werden. Die Folge: Brutmöglichkeiten einheimischer Vogelarten schwinden, Fische und Wirbellose verlieren ihren Lebensraum. Durch das Ausgraben von Knollen und Wurzeln können Nutrias demnach auch Schäden an Landwirtschaftsflächen in Gewässernähe anrichten. All solche Schäden hängen auch damit zusammen, dass Nutrias Neuzugänge im ökologischen Gefüge Mitteleuropas darstellen. Heute steht die Art auf der Liste der gebietsfremden Eindringlingsarten, die ein Risiko für die heimische Umwelt darstellen. Ursprünglich stammt die Nutria aus Südamerika, sie wurde wegen ihres Fells seit Anfang des 20. Jahrhundert auf Farmen gezüchtet. Von dort sind gelegentlich Tiere entkommen und haben wildlebende Populationen begründet. Als die Nachfrage nach Nutriafell sank und die Haltung dieser Tiere nicht mehr gewinnbringend war, entließen viele Züchter ihren Bestand einfach in die Freiheit. Durch die hohe Vermehrungsrate der Nager wuchs damit in kurzer Zeit eine starke Population heran, die sich eben vor allem über Fließgewässer ausbreitet. Gut möglich also, dass auch die vermeintlich noch einsame Dürkheimer Nutria nicht mehr lange allein ihr Dasein fristen wird. Info Im künftigen Ausstellungsbereich, der sich derzeit noch im Umbau befindet, möchte das Grethener Pfalzmuseum in einem eigenen Raum über Tiere/Pflanzen/Lebewesen in der Stadt informieren. Die Arbeiten sollen bis Ende des Jahres abgeschlossen sein.

Die Nutria, die im Januar an der Isenach im Kurpark gesichtet wurde.
Die Nutria, die im Januar an der Isenach im Kurpark gesichtet wurde.
x