Bad Dürkheim Alle Jahre wieder und immer wieder neu

Die Mezzosopranistin Ilona Schulz und die Sopranistin Elsbeth Reuter erfreuten nicht nur mit Gesang, sondern auch mit Tanzdarbie
Die Mezzosopranistin Ilona Schulz und die Sopranistin Elsbeth Reuter erfreuten nicht nur mit Gesang, sondern auch mit Tanzdarbietungen.

Mit Instrumentalstücken und Liedern aus den 1920er- bis 1940er-Jahren machte das Schellack-Orchester am Samstagabend im ausverkauften Von-Busch-Hof in Freinsheim seinen Zuhörern Lust darauf, das Jetzt und alles, was das Jahr zu bieten hat, bewusst zu erleben. Das Motto der diesjährigen Neujahrsgala des Vereins Von-Busch-Hof-konzertant: „Das gibt’s nur einmal“.

Die mitreißende Neujahrsgala des Schellack-Orchesters ist inzwischen Tradition, denn das 2006 gegründete Ensemble ist von Anfang an mit dem Von-Busch-Hof eng verbunden. Auch im nächsten Jahr will das Ensemble zum Neujahrskonzert wieder nach Freinsheim kommen. Jedes Jahr haben die 14 Musiker sowie der Tenor Franz Zimnol, die Sopranistin Elsbeth Reuter und die Mezzosopranistin Ilona Christina Schulz dafür neue Melodien im Gepäck. Das erwartungsvolle Murmeln im Publikum ebbte ab, als Sänger und Sängerinnen trällernd durch den Mittelgang zur Bühne tänzelten. Es wirkte so, als seien sie selbst Besucher, die es in bester Champagnerlaune gerade noch rechtzeitig zum Beginn der Veranstaltung geschafft haben. Von einer (Schellack)-Platte klang „Das gibt’s nur einmal“, und während Franz Zimnol eine Sektflasche öffnete und sich sowie den Damen einschenkte, liefen die Instrumentalisten ein, die Damen ganz im Stil der 1920er- bis 1940er- Jahre gestylt. Das Orchester spielte das Lied im Original weiter, die Sängerinnen und Sänger fielen ein, und die Besucher klatschten. Elsbeth Reuter und Ilona Schulz hatten an einem kleinen Tisch Platz genommen, prosteten sich und dem Publikum zu, gestalteten so eine Atmosphäre von Intimität. Dazu trug auch die Besetzung des Orchesters bei. Es habe zu Beginn unterschiedliche Instrumentierungen gegeben, „wir haben uns für den Kaffeehaus-Klang entschieden“, berichtete Frank Zimnol. Ein feuriger Pasodoble des Orchesters sorgte für Stimmung. Es folgte ein zuckersüß beginnender Walzer, in dem Elsbeth Reuter von den Träumen der Frauen sang. Kurz darauf schritt tigerhaft Ilona Schulz auf die Bühne, um ihre Erlebnisse als Double der Gattin Napoleons (Franz Zimnol) zu schildern, den sie geschickt von der Bühne lockte. Darauf, was sich da zwischen Kaiser und Double abspielt, deutete allenfalls ein über den Wandschirm geworfenes Sakko hin. Dafür erfuhren die Besucher, was „unter einem Regenschirm am Abend“ so alles passieren kann und wurden später wohligem Schauer ausgesetzt, als sich „das Nachtgespenst“ in weißen Bettbezügen gleich in doppelter Ausführung zwischen ihnen tummelte. Immer wieder schaffte es das Ensemble, die Hintergründigkeit der Texte zu betonen. In vielen schimmerte der rauschhafte Wunsch mit, der Realität zu entrinnen und das noch mitzunehmen, was in diesen Zeiten zu bekommen ist. Manche Lieder erzählten von Hoffnungen, andere wie „Schöner Gigolo“ von begrabenen Träumen, wieder andere, wie „Lilli und Luise saßen auf der Wiese“, spielten voller Übermut mit Situationen, aus denen sich eine Liebesbeziehung ergeben könnte, oder eben auch nicht, wie die Damen dem Herrn mit herausgestreckter Zunge zeigten. „Johnny, wenn du Geburtstag hast“, hauchte Ilona Schulz sexy ins Mikrofon. Da ließ Marylin Monroe grüßen, und kurz darauf erinnerten die Positionen der beiden Damen auf Stühlen an Marlene Dietrich im Film „Der blaue Engel“. Die Situation bei der Abendeinladung einer Fabrikantenfamilie wurde wie eine Tragikomödie inszeniert. Sie erzählte von Standesdünkel, Neid und einem Reichtum, von dem sich nichts mehr kaufen lässt. Die hervorragenden Musiker machten das Konzert zu einem Fest für die Ohren. Die den 1920er-Jahren entsprechenden Bewegungen des Orchesters, die launige Moderation von Martin „Schellack“, die Tanzeinlagen der Sänger und ihre wechselnden Kostüme ließen das Konzert zu einer kleinen Revue werden. Es gab kräftigen und lang anhaltenden Beifall, bis es mit der letzten Zugabe hieß „Die kleine Stadt will schlafen gehn.“

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