Rheinland-Pfalz Zur Sache: Die Co-Ermittler im Internet

Facebook hat mittlerweile das Profil des Tatverdächtigen gesperrt.
Facebook hat mittlerweile das Profil des Tatverdächtigen gesperrt.

Der gewaltsame Tod einer 15-Jährigen in Kandel am vergangenen Mittwoch fand ein großes Echo auf den einschlägigen Internet-Plattformen von Twitter und Facebook. Neben Kommentaren und politischen Debatten wurde das Netz auch zum Ort für Hobby-Ermittler, die sich beispielsweise der Altersbestimmung des tatverdächtigen Afghanen näherten.

Ob er tatsächlich erst 15 Jahre alt ist, will die Staatsanwaltschaft prüfen lassen, möglicherweise mittels einer Röntgenaufnahme der Hand, die den Zustand der Wachstumsfugen erkennen lässt. Seitens der Jugendhilfe bestehen keine Zweifel, dass er erst 15 ist, wie die Kreisverwaltung Germersheim am Tag nach der Tat mitgeteilt hat. Der Vater des Opfers machte seine Skepsis jedoch öffentlich. Ein Foto, das einen deutlich reiferen, arabisch aussehenden jungen Mann mit weißem Hemd, Fliege und Anzugshose zeigt, scheint ihm Recht zu geben. Es soll sich bei dem Bild um den Tatverdächtigen handeln. Offizielle Stellen haben sich dazu bisher nicht geäußert. Die „Bild“-Zeitung hat das Foto veröffentlicht – mit einem schwarzen Balken über den Augen. Damit folgen sie einer Minimalanforderung des Presserechts, das eine identifizierende Berichterstattung von Tätern und Opfern von Straftaten verbietet.

Lose Schar von „Co-Ermittlern“

Netzwerke wie Twitter oder Facebook werden nicht wirksam dem Presserecht unterworfen, ihre Nutzer kennen es im Zweifelsfall nicht, viele ignorieren außerdem Persönlichkeitsrechte. Deshalb hat sich im Internet eine lose Schar von „Co-Ermittlern“ gebildet, die auf ihre Weise der Altersfrage nachgeht. Auf beiden Plattformen kursieren Fotos des jungen Mannes ohne Balken über den Augen. Manche haben einen orangefarbenen Rahmen: Zeichen für das Programm „How-Old.net“ Darunter steht die Frage: „How old do I look?“ (Wie alt sehe ich aus?) Bei einem Twitter-Nutzer, der sich Joachim Winter nennt und dessen Profilbild eine mit Blutspritzern versehene Merkel-Raute zeigt, gibt das Programm das Alter des afghanischen Mannes mit 27 Jahren an, bei zwei anderen Nutzern sind es 26 beziehungsweise 25 Jahre. Vom Englischen ins Deutsche übersetzt steht darunter: „Entschuldige, wenn wir nicht richtig liegen, wir sind noch dabei, die Anwendung zu verbessern.“ Das Foto stammt von der angeblichen Facebookseite des Tatverdächtigen und ist den Angaben nach im Juli als Profilbild hochgeladen worden. Dass sich der Inhaber der Seite „Lovely boy“ nennt, provoziert heftige Reaktionen im Internet. „Der Messerstecher von Kandel ’Lovely boy’ ... Ich kotze“, heißt es zum Beispiel. Oder: „Als wäre der Mord in #Kandel nicht schon schlimm genug - aber dieser ekelhafte Frauenmörder bezeichnet sich online auch noch als #lovelyboy“.

Profil seit Samstag gesperrt

Ein anderes Foto zeigt die gleiche Person mit ernstem, aber etwas jünger wirkendem Gesicht. Darauf trägt der Jugendliche eine Tarnhose, wie sie in preiswerten Modeketten für junge Leute angeboten werden, dazu eine blaue Winterjacke. Dem Hintergrund nach zu urteilen, ist das Bild im Landkreis Germersheim aufgenommen worden. Dort war der Tatverdächtige zunächst untergebracht. Das ist ein Hinweis, dass es sich tatsächlich um das Facebook-Profil des Angeschuldigten handelt. Ein weiteres Foto zeigt ihn auf einer Bank an einem Gewässer, neben ihm sitzt ein Mann. Auch darauf schaut er ernst in die Kamera. Auf einem einzigen Bild sieht er wirklich kindlich jung aus, doch es ist nicht ersichtlich, wann und wo es aufgenommen wurde. Wer in die Kommentarleisten klickt, erfährt kaum mehr über die Person: Die meisten Kommentare in Form fröhlicher Emoticons gab er sich selbst. Nur wenige andere Personen tauchten auf, dem Namen nach waren sie aus seinem Kulturkreis, vielleicht aus seiner Familie. Wie viele Facebook-Freunde der Inhaber des Profils hat, war nicht zu erkennen. Am Samstag hat Facebook das Profil gesperrt, seither kursieren nur noch Screenshots der Seite im Netz.

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