Rheinland-Pfalz Zu viel Bauchgefühl und zu wenig Beweise

Der Tatort: die Speyerer Nachtbar Thai Orchidé.
Der Tatort: die Speyerer Nachtbar Thai Orchidé.

«FRANKENTHAL/SPEYER.» Bei dem nächtlichen Einbruch in die Kellerbar im August 2012 war eine 57-jährige Bedienung ermordet worden. „Die Kammer konnte sich von der Täterschaft des Angeklagten nicht überzeugen“, sagte der Vorsitzende Richter Alexander Schräder. Dieser Richterspruch kam nicht überraschend. Hatten doch alle Prozessbeteiligten in ihren Plädoyers Freispruch gefordert. „Der Tatvorwurf kann dem Angeklagten nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden“, stellte die Oberstaatsanwältin Doris Brehmeyer-Metz zu Beginn ihres Plädoyers fest. In ihren weiteren Ausführungen schloss sie nicht aus, dass der Angeklagte der Täter sein könnte. Doch angesichts dessen, dass die Indizien nicht ausreichen würden, es keine Zeugen gebe und der 47-Jährige versichere, dass er die Bedienung nicht umgebracht habe, „sei es vornehmste Aufgabe der Staatsanwaltschaft als objektivste Behörde der Welt“, in einem solchen Fall Freispruch zu beantragen. „Bauchgefühl“ – dieses Wort war in allen drei Plädoyers zu hören. Benutzt hatte es erstmals der Leiter der Sonderkommission, die nach dem Mord gebildet worden war. Mit „Bauchgefühl und kriminalistischer Erfahrung“ hatte er begründet, warum er davon überzeugt ist, dass der 47-Jährige in die Kellerbar eingebrochen ist und die Bedienung ermordet hat. „Mein Bauchgefühl sagt mir, dass der Angeklagte der richtige Angeklagte ist“, so Thorsten Kahl, der die Tochter der getöteten Bedienung vertrat. „Ich gehe davon aus, dass mein Mandant unschuldig ist“, beschrieb dagegen Friedrich Demandt, der Verteidiger des 47-Jährigen, sein „Bauchgefühl“. Einig waren sich die Juristen, dass ein „Bauchgefühl“ nicht Grundlage für eine Verurteilung sein darf. Es gelte, alle Indizien, die für und gegen den Angeklagten sprechen, einzeln zu betrachten und sie dann noch mal in der Gesamtschau zu prüfen, erklärte der Vorsitzende Richter. Das taten die Oberstaatsanwältin und die Rechtsanwälte in ihren Plädoyers und die Kammer ausführlich in ihrer Urteilsbegründung. „Stärkste Indizien“ seien ein Telefonat, das der 47-Jährige am 24. Oktober 2012 mit einem Bekannten geführt hat, sowie Aussagen des Mannes, die auf „Täterwissen“ basieren könnten, stellte Oberstaatsanwältin Brehmeyer-Metz fest. Da haben „zwei Ganoven“ Straftaten geplant, beschrieb demgegenüber Verteidiger Demandt das Gespräch. Aufgrund von Äußerungen in dem von der Polizei abgehörten Telefongespräch „könnte man annehmen“, dass eine Verbindung zum Überfall besteht, meinte die Oberstaatsanwältin. So sei über Aufbrüche von Spielautomaten gesprochen und das Wort „kellermäßig“ verwendet worden. Die Nachtbar befand sich in einem Keller und bei dem Überfall waren drei Spielautomaten aufgebrochen worden. Doch sei dies nicht ausreichend als Beweis, meinte auch der Vorsitzende Richter Schräder. „Täterwissen“ könnte es sein, dass der Angeklagte seinen Töchtern und seiner Ex-Lebensgefährtin beschrieben habe, wie die Tote aufgefunden wurde und dass Schmuck gestohlen wurde. Dies sei zwar nicht allgemein bekannt gewesen, doch könnte es der 47-Jährige bei seinen Vernehmungen durch die Polizei erfahren haben. Und auch dafür, dass auf einem Handschuh des Angeklagten DNA-Spuren der Toten und Schmauchspuren gefunden wurden, gebe es viele Erklärungen, so Schräder weiter. Die Aussage eines Informanten, dass der Angeklagte etwas mit der Tat zu tun haben könnte, beruhe auf Vermutungen eines Unbekannten. Und die Aussage eines Zeugen, der in der Tatnacht in der Nähe der Nachtbar zwei Männer gesehen hatte, von denen einer dem Angeklagten ähnlich sah, sei ebenfalls kein Beweis.

Ihre News direkt zur Hand
Greifen Sie auf all unsere Artikel direkt über unsere neue App zu.
Via WhatsApp aktuell bleiben
x