Rheinland-Pfalz Warum Berufseinsteiger häufig die Kirchen verlassen

Für viele 20- bis 35-Jährige hat die Kirche wenig bis keine Relevanz für ihr Leben.
Für viele 20- bis 35-Jährige hat die Kirche wenig bis keine Relevanz für ihr Leben.

Das erste Gehalt – für die meisten ein Grund zur Freude. Für die Kirchen eher ein Grund zur Sorge. Denn die meisten Christen, die aus der Kirche austreten, sind zwischen 20 und 30 Jahre alt. Es sind Berufseinsteiger, die auf ihrer Gehaltsabrechnung den Posten Kirchensteuer entdecken. Und sie fragen sich, ob diese Gemeinschaft, zu der sie schon lange keinen Kontakt mehr haben, noch relevant ist für ihr Leben. Ihre Antwort: Kirchenaustritt. Ohne große Schnörkel führt Fabian Peters, Mitautor der Studie zur Mitgliederentwicklung der evangelischen und katholischen Kirche in Deutschland, der Landessynode, die bis heute in Speyer tagt, die Zukunft ihrer Kirche vor Augen. Heute zählt die Evangelische Kirche der Pfalz noch 516.000 Mitglieder (Stand 2017). Im Jahr 2060 wird sich diese Zahl um 200.000 reduziert haben. Klar, da sind die demografischen Faktoren: Die Anzahl katholischer und evangelischer Sterbefälle liegt deutlich über den Geburtenraten bei Eltern, die Kirchenmitglieder sind. Aber reicht diese Erklärung?

Glückwunschkarte zur Geburt

Mitnichten, macht Fabian Peters der Landessynode, der kirchlichen Volksvertretung quasi, klar. Denn der Mitgliederschwund hängt auch damit zusammen, dass weniger Kinder evangelisch getauft werden, viele Menschen austreten und nur wenige eintreten. Faktoren also, die zu beeinflussen sind. Vor allem die Austrittszahlen bereiten Kopfzerbrechen: Bis zum 31. Lebensjahr treten 30 Prozent der Männer und 22 Prozent der Frauen aus. In einer Phase, in der Männer beruflich starten und Frauen noch keine Kinder haben. In der Pfalz waren das 4441 im Jahr 2017, demgegenüber standen 571 (Wieder)-Eintritte. Fakten, die es verbieten, „dass wir uns noch etwas in die Tasche lügen“, wie es ein Synodaler ausdrückte. Mancher Pfarrer gerät da schon ins Grübeln. „Was mache ich?“ – diese Frage sei ihm angesichts der Zahlen durch den Kopf gegangen, gesteht Christoph Krauth (32), Pfarrer in Erfenbach bei Kaiserslautern. Er schickt Eltern eine Glückwunschkarte zur Geburt des Kindes und lädt zur Taufe ein. Das komme gut an. Doch wie kann man die Gruppe der 14- bis 35-Jährigen erreichen? Pfarrerin Iris Schmitt (46) aus Niederkirchen bei Kaiserslautern versucht für diese Zielgruppe Räume zu schaffen, zum Beispiel für Jugendliche nach der Konfirmation. „Sie müssen aber begleitet werden.“ Für Christoph Krauth können Veränderungen nur vor Ort erfolgen – und zwar im Austausch mit gesellschaftlichen Gruppen wie Vereinen, Feuerwehr oder Ortsbeirat. „Wir müssen aktiv Kontakte suchen und nicht warten, bis die Leute kommen.“ Eine Erkenntnis.

Investieren statt sparen

Da ist er ganz bei Pfarrer Ralf Kötter, dem der Part des Mutmachers zufällt. Mut zu machen, die Bedürfnisse der Menschen vor Ort zu sehen, etwas für das Gemeinwesen anzupacken und weitere Akteure einzubinden. 19 Jahre war Kötter Pfarrer in Südwestfalen. In dieser Zeit brachten er und seine Mitstreiter auf den Weg: die Anstellung einer Gemeindeschwester, Tagesgruppe für Demenzkranke, Nachmittagsbetreuung für Grundschüler, einen Bürgerbus. Das Wort sparen fällt nicht einmal. Kötter spricht lieber vom Investieren. Und welch’ ein Wunder: Die Gottesdienste füllten sich und die Einnahmen aus Fördermitteln und Spenden vervielfachten sich, so Kötter. Die Synodalen hören dies gern, vermittelt Kötter doch das Gefühl, etwas bewegen zu können, wenn man nur kreativer, innovativer, mutiger und offener agiere. Doch bei dem ein oder anderen bleiben zwiespältige Gefühle zurück. Auch der Statistiker Fabian Peters trübt die Stimmung: „Wir werden weniger, älter und ärmer. Der Trend ist unumkehrbar. Und wir haben nur ein bisschen etwas in der Hand, um gegenzusteuern.“ Sprich: Zumindest können die Kirchen beeinflussen, ob sie als Minderheit bedeutungslos werden oder attraktiv bleiben für Glaubende und Suchende.

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