Rheinland-Pfalz „Viele große Würfe“

Seit 2016 Fraktionsvorsitzender: Bernhard Braun (60).
Seit 2016 Fraktionsvorsitzender: Bernhard Braun (60).

Trotz aller Vorbehalte der FDP gehe die Energiewende weiter, sagt Grünen-Fraktionsvorsitzender Bernhard Braun. Im RHEINPFALZ-Gespräch verteidigt der Landtagsabgeordnete aus Ludwigshafen das zuletzt in die Schlagzeilen geratene von den Grünen geführte Integrationsministerium.

Nach der jüngsten Meinungsumfrage liegen die Grünen in Rheinland-Pfalz in der Wählergunst bei elf Prozent. Das bedeutet ein Plus von drei Prozentpunkten und ist wohl allein den Querelen in der Union und in der großen Koalition in Berlin geschuldet?

Nein, wir haben auf Bundesebene mit den neuen Vorsitzenden Robert Habeck und Annalena Baerbock zwei glaubwürdige und überzeugende Personen an der Spitze. Das schlägt auf die Umfrageergebnisse auf Landesebene durch. Und wir machen gute Arbeit auch hier in Rheinland-Pfalz. In den Schlagzeilen waren die Grünen in den zurückliegenden Monaten allerdings nur, wenn das von ihnen geführte Integrationsministerium in der Schusslinie stand. Was muss in diesem Haus besser werden? Also, wir standen zum Beispiel auch in den Schlagzeilen, als wir für Artenvielfalt gekämpft haben. Im Integrationsministerium muss sich gar nichts ändern. Wir machen eine humane Flüchtlingspolitik. Ministerin Spiegel hat von Anfang an mehr für die Sicherheit in den Aufnahmeeinrichtungen getan und mehr Integrationsangebote für die ankommenden Menschen gemacht, zum Beispiel Sprachkurse. Und wir helfen den Kommunen mehr, wenn es zum Beispiel um die Rückkehr von Geflüchteten geht. Aber vieles kam doch erst nach heftiger Kritik vor allem aus den Reihen der Kommunen in Bewegung, zum Beispiel im Streit um die Härtefallkommission oder um die Altersfeststellung bei Flüchtlingen ... ... bei der Altersfeststellung wurde verfahren wie seit Jahren. Dann ergaben sich neue Problemstellungen, und es musste gehandelt werden. Das dauert seine Zeit. Inzwischen gibt es Schwerpunkt-Jugendämter, die den Kommunen bei der Arbeit helfen. Und die Kommunen sind zufrieden. Die Asylpolitik spaltet die Gesellschaft. Wie wollen Sie auf diesem Feld wieder in die Offensive kommen? Das Sommertheater, das CDU und CSU vollführt haben, hat den Hintergrund, dass noch nicht einmal fünf Flüchtlinge am Tag betroffen sind, die eventuell nach Bayern kommen. Das ist nicht das Hauptproblem der Gesellschaft. Wir brauchen einen realistischen Blick, werden noch mehr für Integration und Spracherwerb tun. Und Straftäter werden abgeschoben. Das gilt auch für Afghanistan. Im Spätjahr wird die Ampel-Koalition Halbzeit der Wahlperiode feiern. SPD, FDP und Grüne haben einen fast konfliktfreien Umgang miteinander. Auf Bundesebene haben die Liberalen die Zusammenarbeit mit den Grünen verweigert. Das muss Sie doch ärgern? Nein, das zeigt, wie gut wir unsere Arbeit in Rheinland-Pfalz machen. Natürlich gibt es in der Ampel den einen oder anderen Konflikt, aber die Menschen im Land wollen eine Regierung, die vernünftig und ruhig arbeitet. Mit der FDP haben die Grünen in den vergangenen Monaten eher über den Wolf als über Straßenbau und Energiepolitik gestritten. Sind die Differenzen ausgeräumt? Das ist eine Phantomdebatte. Der Wolf ist eine Art, die vielleicht bald ankommen wird in Rheinland-Pfalz. Darauf sind wir gut vorbereitet. Wir werden auch reagieren können, wenn es Gefahren durch Wölfe gibt. Was die Sacharbeit angeht, hat die Ampel eher kleine Brötchen im Ofen. Was ist aus Grünen-Sicht der bisher größte Wurf der Koalition? Wir haben viele große Würfe gemacht. Wir haben als Grüne zum Beispiel die erneuerbaren Energien vorangetrieben. Der Zuwachs bei Windkraftanlagen ist genauso hoch wie seit Jahren. Wir werden noch mehr tun für die Wärmewende. Und wir haben es sogar geschafft die Beamtengehälter zu erhöhen, das ist eine große Anstrengung. In den kommenden Monaten werden vor allem die Debatten um den Doppelhaushalt 2019/20 die Agenda bestimmen. Was haben Sie sich vorgenommen? Wir wollen mehr Geld für die Energiewende bereitstellen. Gleiches gilt für den Erhalt der Artenvielfalt und für den Ausbau des Schulobstprogramms für Kitas. Gestärkt werden soll auch die Familien- und Jugendpolitik. Und womit sonst noch wollen sie nach der Sommerpause punkten? Wir haben nach wie vor die Debatte um das Wahlalter 16. Für uns ist das ein wichtiges Thema. Inzwischen darf man in elf Bundesländern mit 16 wählen. Das trägt dazu bei, die Jugend für Demokratie zu begeistern. Hoffentlich können wir die CDU irgendwann überzeugen, die notwendige Verfassungsänderung mitzutragen. | Interview: Arno Becker

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