Rheinland-Pfalz Tour de Pfalz (3): Radtour zur Tierauffangstation in Maßweiler

Auf geht’s zur Tier- und Mühlentour. Sigrid, Andreas und Ida Sebald starten an der Kneispermühle.
Auf geht’s zur Tier- und Mühlentour. Sigrid, Andreas und Ida Sebald starten an der Kneispermühle.

Die Pfalz. (Fast) unendliche Weiten, Ebenen, Berge, Wasser, Wiesen. Und viel Wald. Die RHEINPFALZ hat sich wieder auf den Weg gemacht. Kreuz und quer durch die Pfalz. In unserer Sommerserie berichten Redaktionsmitglieder, was sie bei der „Tour de Pfalz 2018“ erlebt haben. Heute: zu den Tigern bei Maßweiler (Kreis Südwestpfalz).

 Lulu ist ein schwarzes Schaf, das sich für einen Hund hält und gerne Tiger anschaut. Kann es auch, bei Tierart darf Lulu hinlaufen, wo sie will. Tigerin Cara nicht. Das liegt an den unterschiedlichen Essgewohnheiten. Fünf Meter Luftlinie trennen Lulu und Cara, außerdem ein sehr hoher Zaun aus sehr belastbarem Metall. Stumm beäugen sie sich, suchen das Wesen auf der jeweils anderen Seite nach bekannten Merkmalen ab, finden keine. „Riecht streng“, mag Lulu über ihr Gegenüber denken und Cara: „Riecht nach Fressen.“ Die Gedanken sind frei. Die Tiere hier sind es auch. Oder besser: befreit.

Tier-und  Artenschutzstation in Maßweiler

Eine wundersame Einrichtung ist diese Tier- und Artenschutzstation Tierart mitten im Pfälzerwald unterhalb des Dorfs Maßweiler: 14 Hektar voller Bunker und unterirdischer Schächte, teilweise aus Westwall-Zeiten, auf denen einst die Amerikaner Gefechtsköpfe für Kurzstreckenraketen und andere „Sondermunition“, so hieß das damals, lagerten. Jetzt leben hier Tiger, Waschbären, Füchse, Wildkatzen, auch Schafe und andere Paarhufer, alle mit einer haarsträubenden Biografie, die jede für sich Stoff für einen Walt-Disney-Film böte. Der Gnadenhof für geschundene Wildtiere – entstanden auf Betonflächen, durch deren Ritzen und Risse sich jetzt die Vegetation unaufhaltsam wieder nach oben kämpft – soll heute Teil einer Radtour durch das Wallalbtal in der Südwestpfalz sein, einer Tour, die auch Unsportliche und Vorschulkinder ohne E am Bike schaffen. Sie führt zu den Tigern und zu zwei Mühlen, die zwar nicht mehr mahlen, aber weitere bemerkenswerte Geschöpfe zu bieten haben, was beim Antreiben des Vorschulkinds sehr hilft. Start ist an der Kneispermühle: ein denkmalgeschütztes Gebäude-Ensemble aus Bruchsandstein mit Gaststube und Bilderbuch-Biergarten unter Kastanienbäumen. Vielleicht noch ein Käffchen ... nein, jetzt wird erst mal geradelt. Es ist Sonntagmorgen, 10 Uhr, und man braucht keine ganze Stunde, um von hier zu Tierart zu kommen, wo es samstags, sonntags und feiertags jeweils um 11 Uhr Führungen gibt. Allerdings lohnt es sich, etwas mehr Zeit für den Weg einzuplanen, die man dann etwa an der Naturdusche der Kelten verbringen kann: ein drei Meter hoher Wasserfall, am Mühlenwanderweg gelegen, der hier auch Radweg ist und hinter der Kneispermühle links ab in Richtung Thaleischweiler führt. Absteigen, Wasser mit den Händen auffangen, ein wenig „suddeln“. Haben angeblich die Kelten schon so gemacht. Mussten ja auch mal entspannen.

Gut erholt mit dem Rad durchs Schlammloch

Aufsitzen, weiterfahren, links gurgelt die Wallalb, rechts ragt steil der Wald empor, in dem vermooste Felsbrocken auf noch vermoosterem Boden liegen; ein weiches, grünes Bett für Elfen und andere sirrende, surrende Waldbewohner. Märchenhaft. Ein weiterer Stopp, das Töchterlein legt sich samt Helm ins Moos, um dann erholt mit dem Rad durch ein Schlammloch vom Gewitter des Vortags zu brettern. So macht Wald Spaß. Nach etwa vier Kilometern geht es rechts die geteerte Straße hoch, die zu Tierart führt und tatsächlich Tierartstraße heißt. Eine kleine Steigung macht die bislang flache Fahrt etwas anstrengender, das Kind schaltet in den falschen Gang und zetert, weil es nun noch schwerer geht. Es will absteigen, aber da ist schon das Tierart-Tor zu sehen. Also Zähne zusammenbeißen und die paar Meter noch strampeln. Am Eingang stehen Leute, und was sollen die denken, wenn man schiebt. Es ist 11 Uhr, Biologin Eva Lindenschmidt holt das gute Dutzend Besucher ab. Vorbei geht’s an einem vierstöckigen Kasernengebäude mit kaputten Fenstern, schofel sieht es aus, aber es soll einmal das Besucherzentrum werden. Wer auf Bunkern Tiger hält, schafft auch das.

Stars der Station: die Tiger

Lulu taucht auf, der Hund im schwarzen Schafspelz, „sie weiß nicht, dass sie ein Schaf ist, sie ist immer hungrig und läuft allen hinterher“, informiert Lindenschmidt, Lulus Ohren kraulend. Und schon ist der Gast mittendrin in den Geschichten um die Tiere hier, alles kleine Helden – oder im Fall von Cara und Co. auch größere Helden –, die irgendwie überlebt und es jetzt hier gut haben. Wir treffen Frodo und Zoé, Pastellfüchse, Zuchttiere, geboren einst nur, um Fell für Mäntel und Mützen zu liefern, Fuchs Portos, ein Unfallopfer und fast blind, einen Hammel, der mehrfach seiner Schächtung entkam, einen Waschbären, dem ein Bein fehlt, und natürlich Cara, Bela, Sharuk und Varvara, die Stars der Station, drei bengalische und ein sibirischer Tiger, die hier auf mehreren tausend Quadratmetern wohnen inklusive Tigerhaus und Badeteich. Wir sehen Cara mit ihrem 30-Kilogramm-Ball im Wasser spielen – Tiger sind zwar auch Katzen, aber nicht wasserscheu –, und freuen uns. Geht gar nicht anders, wenn man weiß, dass das stolze Tier aus einem Sechs-Quadratmeter-Verschlag ohne Fenster befreit wurde. Varvara ist der letzte bulgarische Zirkustiger und sollte eingeschläfert werden. Tierart hat auch sie gerettet. Eva Lindenschmidt haut eine Information nach der anderen raus, aber es wird nicht fad. Drei kleine Mädchen sind dabei, keines quengelt, alle hängen an den Lippen der Biologin, kriegen gar nicht genug von den Geschichten um die Tiere. Und das ohne Eis und Pommes, denn das hier ist kein Zoo, wie Lindenschmidt klarstellt. Spektakel und Flugschauen gibt’s nicht, es geht nicht um die Belustigung der Besucher, sondern um die Tiere. Wenn die sich zeigen, ist es gut, wenn nicht, werden sie nicht ans Licht gezerrt und vorgeführt. Wir haben Glück, fast alle Tiere präsentieren sich heute, freiwillig, und nach eineinhalb Stunden steht fest: Das hier ist ein ganz ungewöhnlicher, faszinierender, magischer Ort. Wir kommen wieder, ganz bestimmt. Aber jetzt geht’s erst mal weiter zur Weihermühle, sonst haut der Zeitplan nicht hin. Die Tierartstraße wieder runter, wieder im falschen Gang, was aber diesmal keine Beschwerden zur Folge hat, dann am Radweg vorbei bis zur L 475, links ab in Richtung Wallhalben. Nach etwa eineinhalb Kilometern auf der Landstraße leitet ein großes Schild rechts ab zur Weihermühle, und am Schauerbach entlang wird weitgehend im Schatten und eben geradelt.

Mühle mit Gasthaus und Ponyhof

Ab hier haben Eltern auch Sondermunition: Die Mühle hat neben Spielplatz und zwei Gasthäusern auch einen Ponyhof. Angekommen, steigt das Kind denn auch umgehend vom Rad- auf den Pferdesattel um und reitet mit Ponyhengst Max in den Wald (= Kind wird auf Max von Mama oder Papa geführt, Max kennt sich aus). Ein teurer Spaß ist das, aber dafür werden die Pferdchen auch gut behandelt: Nach dem Ausflug steht Max direkt wieder kauend mit seinen Kollegen Winnie und Nugget und den Eseln Friedolin und Urmel auf einer Weide, wird von Teenager-Mädchen gestriegelt und geknutscht. Anruf bei Tierart nicht nötig. Theoretisch könnten wir uns noch – zu Fuß – den hinter der Weihermühle gelegenen Wasserschaupfad ansehen, wo es weitere Wasserfälle und urige Heckrinder hat. Da aber durch den Ponyritt das Pulver verschossen und es schon spät am Nachmittag ist, machen wir uns auf den Weg zur Kneispermühle, wo morgens der Caddy geparkt wurde. Am Schauerbach geht’s zurück zur L 475, dann nach rechts Richtung Wallhalben. Die rund vier Kilometer zur Mühle erfordern noch mal ein bisschen Konzentration, weil hier auch Autos fahren. Doch hält sich der Verkehr in Grenzen, und Steigungen gibt es kaum.

Tag endet im Biergarten

Geschafft. Es ist kurz nach sechs, genau die richtige Zeit, um im idyllischen Biergarten der Kneispermühle den Tag ausklingen zu lassen. Jetzt gibt’s auch Eis und Pommes, hat es sich verdient, das Vorschulkind. Heinz findet offenbar, auch er habe Pommes verdient, wenigstens eine, oh bitte, bitte, nur eine, er macht den Hals lang in Richtung Teller. Heinz ist ein grauer Gänserich, der mit Frau Hilde und Sohn Harald hier wohnt – als Haustier, nicht, um im November mit Rotkohl und Knödeln serviert zu werden. „Nein, die werden nicht geschlachtet, das sind doch unsere Lieblinge!“, ruft Wirtin Renate Brenner. Ihre Gänse sind frech, frei, selbstbewusst und auch jenseits des Tellers beliebt bei den Gästen. Single-Gans Schmusi – der Name ist Programm – ist schon 22 Jahre alt. Furchlos und interessiert tritt sie Radlern und Wanderern gegenüber. Wie alle Tiere der Tour. Wie die schwarze Lulu. Nur in weiß. Und mit Federn. Und mit stahlblauen Augen wie Terence Hill. Noch ein fantastisches Tierwesen.

Info und Kontakt

—Tierart, Tier- und Artenschutzstation, Tierartstraße, früheres US-Depot, 66506 Maßweiler, Telefon: 0176 84305545, E-Mail: wildtierauffangstation@tierart.de, Internet: www.tierart.de. Führungen samstags, sonntags und feiertags um 11 Uhr oder nach Vereinbarung, wobei es keine Mindestteilnehmerzahl gibt. Für Gruppen von einer bis zehn Personen wird eine Pauschale von 50 Euro pro Sonderführung erhoben, die zum Eintrittspreis hinzukommt (unter vier Jahren frei, vier bis zwölf Jahre 2,50 Euro, ab zwölf Jahre 5,50 Euro). Für Gruppen ab elf Personen vermindert sich die Gruppenpauschale auf 25 Euro. —Kneispermühle, Wallalbtal, 66917 Maßweiler, gelegen an der L 475, historische Mühle mit Gastronomie und Unterkünften —Weihermühle, 66914 Thaleischweiler-Fröschen, historische Mühle mit Gastronomie, Hotel und Ponyhof Nächste Tour 16. Juli: Die große Hafenrundfahrt

Tigerin Cara spielt gerne im und am Wasser.
Tigerin Cara spielt gerne im und am Wasser.
Sharuk entspannt beim Kuscheln mit einem Kartoffelsack.
Sharuk entspannt beim Kuscheln mit einem Kartoffelsack.
Erdnuss? Ja , bitte. Sigrid Sebald (links) besticht ein Schaf.
Erdnuss? Ja , bitte. Sigrid Sebald (links) besticht ein Schaf.
Hat Tiger als Nachbarn: Namenloser Waschbär bei Tierart.
Hat Tiger als Nachbarn: Namenloser Waschbär bei Tierart.
Max, Nugget und Winnie, die Weihermühle-Ponys.
Max, Nugget und Winnie, die Weihermühle-Ponys.
Heinz, Hilde und Harald von der Kneispermühle.
Heinz, Hilde und Harald von der Kneispermühle.
Sind keine Pelzlieferanten mehr: die Pastellfüchse Frodo und Zoé.
Sind keine Pelzlieferanten mehr: die Pastellfüchse Frodo und Zoé.
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