Rheinland-Pfalz Tour de Pfalz (2): Mit dem Halfbike auf dem Rheinradweg bei Waldsee

Zunächst eine Viertelstunde üben: Martin Schmitt testet das Halfbike auf dem Rheindamm.
Zunächst eine Viertelstunde üben: Martin Schmitt testet das Halfbike auf dem Rheindamm.

Die Pfalz. (Fast) unendliche Weiten, Ebenen, Berge, Wasser, Wiesen. Und viel Wald. Die RHEINPFALZ hat sich wieder auf den Weg gemacht. Kreuz und quer durch die Pfalz. In unserer Sommerserie berichten Redaktionsmitglieder, was sie bei der „Tour de Pfalz 2018“ erlebt haben. Heute: per Halfbike unterwegs auf dem Rheinradweg bei Waldsee (Rhein-Pfalz-Kreis).

Autsch. Mist. Julian hatte recht. „Du wirst es merken am nächsten Tag“, hatte er gesagt, als er mir grinsend dieses seltsame Ding in die Hand drückte. Muskelkater hatte er mir prophezeit, vor allem hinten, im verlängerten Rückgrat, und in den Oberschenkeln. Fast korrekt, der Julian. Mit dem Muskelkater lag er richtig. Nur habe ich selbigen in Schultern und Oberarmen. Dieses kuriose Gefährt kann sich entweder nicht für eine bestimmte Körperregion entscheiden, die es fordert – oder es will einen gleich ganz, mit Haut und Haar.

 Vorne Fahrrad, hinten Skateboard

Halfbike nennt sich das Fortbewegungsmittel, was sich nur unbefriedigend ins Deutsche übertragen lässt, denn „Halbrad“ klingt irgendwie zu wenig abgefahren für dieses Vehikel. Trifft es aber einigermaßen, denn das Halfbike ist eine wilde Mischung, vorne ein bisschen Fahrrad, hinten eher Skateboard. Gleichzeitig ist es überhaupt nicht mit einem Rad vergleichbar, trotz der Pedale, der Kurbel, der Drei-Gang-Schaltung. Denn was aussieht wie ein Lenker, ist in Wirklichkeit nur eine starre Stütze zum Festhalten. Gesteuert wird mittels Gewichtverlagerung und über eine federgelagerte Hinterachse, womit wir beim Skateboard wären. Um die Sache noch verzwickter zu machen: Da man aufrecht, also im Stehen, auf die Konstruktion eintritt, fühlt sich das Vorwärtskommen in der Praxis beinahe wie Laufen an. Diese schräge Kombination verspricht ein völlig neues Fahrgefühl – sofern man dem Halfbike Herr wird. Das ist so einfach nicht, schon gar nicht für einen passionierten Radler. „Radfahren zu können, ist eher hinderlich.“ Auch das war eine Voraussage von Julian. Pardon. Julian Gottwald, Mountainbiker, Stand-up-Paddler und Inhaber des Trendsportladens „Trittbrett“ in Speyer. Vor ein paar Jahren traf der heute 37-jährige die bulgarischen Halfbike-Erfinder Martin Angelow und Mihail Klenow – zwei Architekten mit Vorliebe für Fahrräder, Design und solides Handwerk – auf einer Trendsport-Messe, verguckte sich sofort in das ulkige Teil, das die beiden da mitgebracht hatten, und zurrte den Kontakt fest: „Ich fand das einfach cool.“ Nun verleiht und verkauft Julian unter anderem die Halbräder aus Sofia und wünscht Glück beim Probefahren. Einen Rat noch: „Zunächst eine Viertelstunde üben.“ Alles klar, wäre doch gelacht. „Du brauchst Platz“, hat er noch hinterhergerufen.

 Ab auf den Rheindamm

Erst mal langsam einsteigen und genügend auf Freifläche außenherum achten, das empfehlen auch die Halfbike-Hersteller. Ebenes Gelände, festen Untergrund. Am besten in reizvoller Umgebung, fürs Auge. Und nicht zu überlaufen, damit der Fahranfänger in seinen kläglichen Bemühungen nicht gleich zum Stadtgespräch wird. Also ab auf den Rheindamm, auf den malerischen Abschnitt zwischen Altrip und Otterstadt, wo sich schöne Fleckchen, Badegelegenheiten und Ausfluglokale aufreihen fast wie die Perlen auf einer Schnur. Und eine besonders glitzernde Perle ist der Marxweiher, südlich von Altrip. Da geht es hin. Erste Lektion: üben, geradeaus zu rollen, mit einem Bein Schwung holend. Kein Selbstläufer, wenn das Vorderrad starr und kein Lenker vorhanden ist. Aber in den Griff zu bekommen. Nächste Stufe: Schwung holen, beide Beine auf die Pedale, wieder rollend die Spur haltend. Schon schwerer, aber wird. Tretroller funktionieren so ähnlich. Dritte Stufe: treten. Ahhh, wackel, Hilfe! Absprung. Na, so was. Die Sache wird schwieriger als gedacht. Dabei sah das auf den Online-Videos alles so lässig aus. Treten und dann voller Leichtigkeit und Eleganz dahingleiten, formvollendete Kurven wedelnd, cool zwischen Passanten und Hindernissen sich durchschlängeln. Fast wie ein Skifahrer an einem sanften Hang. Und nun das. Irgendwas läuft hier verkehrt. Ob Julian hellseherische Fähigkeiten hat, ist nicht abschließend geklärt, doch nach etwa einer Viertelstunde stellt sie sich doch langsam ein, die Sicherheit. Im Schlepptau hat sie die ersten Ansätze des ersehnten Dahinfloatens. Das Geheimnis liegt im Zusammenspiel von Gleichgewicht und Schwerpunkt. Letzterer sollte vorne sein, über dem Vorderrad. Doch nicht zu weit, sonst besteht die Gefahr, dass das Halfbike vornüberkippt. Und dann gilt es noch, in jeder Situation die Balance zu halten, was auf die Dauer alle Muskelgruppen beansprucht, auch solche, von denen man annahm, sie wären schon längst in den Ruhestand gegangen. „Eigentlich ist es das perfekte Bauch-Beine-Po-Training“, hatte Julian gemeint. Als ob ich das nötig hätte …

 Tempo 20 ist drin

Heia, es läuft! Vorbei ziehen Dauercampingplätze, Liegewiesen und Rheindamm. Radler und Spaziergänger schauen neugierig. Eine Schweizerin, unterwegs den Rhein abwärts, kann es kaum fassen, mit welchen Mitteln Fortbewegung möglich ist, und schüttelt den Kopf. Das Halfbike ist ein Blickfang, so viel steht fest. Besonders, wenn es nicht feststeht, sondern dahinrauscht. Tempo 20 sei drin, geben die Hersteller an, aber das kann nur für wirklich Geübte gelten, die feste, feste treten. Denn je schneller man unterwegs ist, desto mehr neigt das Gefährt zu dem, was es tun soll, um so richtig Spaß zu machen: zum Wedeln, Driften. Oder Schlingern und im Extremfall zum Ausbrechen mit dem Heck. Am Anfang also die sichere Absprunggeschwindigkeit nicht überschreiten, ist die Devise. Und immer wieder nach hinten blicken, denn ein heranbrausender Rennradfahrer wird kaum damit rechnen, dass dieser seltsam dahinzuckelnde Verkehrsteilnehmer vor ihm plötzlich anfängt, mit dem Hinterteil zu wedeln und Slalom zu fahren. 25 Minuten, der Schweiß läuft, erste Muskeln zittern bedenklich. Umkehr. 45 Minuten sei er schon am Stück gefahren, hatte Julian gemeint. Das habe ihm gereicht. Verständlich. Die Halfbike-Erfinder selbst halten Distanzen von bis zu fünf Kilometern für praktikabel, wenn der Spaß nicht in Schufterei ausarten soll. Vermutlich muss man das Vehikel weniger als Mittel sehen, um größere Distanzen zu überbrücken, sondern als Sportgerät fürs Workout im Freien. Sanitäter, nach dem Wiederbeleben einmal gründlich trockentupfen, bitte. Planänderung: Lieber weniger Strecke machen und noch etwas die Kurvenfahrt testen. Gehobener Schwierigkeitsgrad im Bereich Gewichtsverlagerung und Balance halten. Erst Slalom, dann weite Kreise, dann immer engere. Dann Bumm. Vielleicht doch lieber den Rheindamm runtersausen und wieder wedeln dabei. Lässig gleiten, cool gucken. Jeder Hipster in Berlin wäre neidisch. Den Dammweg hoch ist es weniger lustig, denn Steigungen sind trotz Schaltung des Halfbikes Sache nicht. „Vielleicht radel ich damit beim Klapprad-Cup die Kalmit hoch“, hatte Julian sinniert. Nur zu, Fahrende soll man nicht aufhalten. Für heute ist Flasche leer. Ab in den Marxweiher, die Taucher der Ludwigshafener Berufsfeuerwehr erschrecken. Und bald mal wieder ausleihen. Nächste Tour 9. Juli: Eine Familienradtour an der Wallalb, die zu Tigern, Ponys und Gänsen führt .

Als ob er es nötig hätte: Das Halfbike hat Martin Schmitt ein Bauch-Beine-Po-Training verschafft.
Als ob er es nötig hätte: Das Halfbike hat Martin Schmitt ein Bauch-Beine-Po-Training verschafft.
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