Rheinland-Pfalz Schwierige Suche nach Abtreibungsärzten

Im Jahr 2017 ließen 3759 Frauen aus Rheinland-Pfalz einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen.
Im Jahr 2017 ließen 3759 Frauen aus Rheinland-Pfalz einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen.

Jedes Jahr lassen rund hunderttausend Frauen in Deutschland ihre Schwangerschaft abbrechen. Und noch finden sie alle einen Arzt, der den Eingriff vornimmt. Aber: Die Suche wird immer schwieriger. Die Anzahl der Praxen und Kliniken, die Abtreibungen anbieten, ist in den vergangenen 15 Jahren drastisch zurückgegangen, von 2000 auf 1200. Besonders dramatisch ist die Situation in der Region Trier. Aber auch in der Pfalz zeichnet sich ein ähnlicher Trend ab.

Sie kommen alle zur Beratungsstelle „Pro Familia“ in Trier: Die schwangere Sechzehnjährige, die sich noch nicht reif fühlt, Mutter zu werden. Die 25-jährige Studentin, die mitten in der Ausbildung steckt und keine familiäre Unterstützung genießt. Oder die 38-jährige Mutter, die schon vier Kinder hat, am Existenzminimum lebt und erklärt: „Noch ein Kind – das schaffe ich nicht mehr.“ Claudia Heltemes, Leiterin der „Pro Familia“-Stelle in Trier, hört sich die Schilderungen an, berät ausführlich, weist auf Hilfen und Unterstützungen für Mutter und Kind hin. Wenn die Frau darauf beharrt, das Kind nicht auszutragen, überreicht Claudia Heltemes ihr schließlich eine Liste. Darauf stehen Frauenärzte, die Abtreibungen vornehmen. Allerdings: Keiner davon ist aus der Region Trier.

Trier deutschlandweiter Brennpunkt

„Die Situation ist immer schlimmer geworden“, erklärt Heltemes: „Inzwischen sind wir einer der Brennpunkte in ganz Deutschland.“ Tatsächlich war in Trier die Lage für die betroffenen Frauen schon immer schwieriger als anderswo. Das hängt vor allem damit zusammen, dass hier die meisten Kliniken und sonstigen Institutionen mit gynäkologischen Abteilungen in katholischer Trägerschaft sind. Das heißt: Abtreibungen sind dort tabu. Inzwischen wagt es offenbar überhaupt kein Frauenarzt in der Region Trier mehr, Schwangerschaftsabbrüche in sein Angebot aufzunehmen. „Wir müssen die Frauen weiterschicken ins Saarland“, sagt Claudia Heltemes. Dort gibt es noch ein paar Ärzte, die den Eingriff vornehmen. Für die Betroffenen heißt das: höherer Aufwand, weitere Anreisen. „Und wenn der Arbeitgeber auf der Krankschreibung dann sieht, dass seine Angestellte einen Arzt im Saarland aufgesucht hat, denkt er sich seinen Teil“, meint Heltemes. Auch das bedeute für die Frauen eine zusätzliche Belastung. Selbst die „saarländische Lösung“ könnte bald keine mehr sein. Denn die Ärzte, die dort Abtreibungen vornehmen, sind durchweg älter und werden in absehbarer Zeit ihre Praxen schließen. Junge Nachfolger gibt es nur wenige und die haben in ihrer Ausbildung als Frauenärzte kaum gelernt, wie man einen fachgerechten Abbruch durchführt. „Diese Methoden sind nicht sicher in der Facharztausbildung verankert“, stellt Pia Hardt von „Pro Familia“ in Ludwigshafen fest. Es bleibt dem einzelnen Arzt überlassen, ob er sich Kenntnisse auf diesem Gebiet aneignet. Die allgemeine Stimmung wird ihn kaum dazu ermuntern. Denn zweifellos sind die Abtreibungsgegner zur Zeit im Aufwind.

Papst setzt Abtreibung mit Auftragsmord gleich

So hat beispielsweise Papst Franziskus unlängst Schwangerschaftsabbrüche mit Auftragsmorden gleichgesetzt. Die Gießener Ärztin Kristina Hänel wurde im Oktober verurteilt, weil sie auf ihrer Internetseite Abtreibungen in ihren Leistungskatalog aufgenommen hatte. Gleichzeitig machen Organisationen wie der „Bundesverband Lebensrecht“ mobil. Im September haben die selbst ernannten Lebensschützer wieder einen „Marsch für das Leben“ in Berlin veranstaltet. Unterstützung finden sie unter anderem durch die AfD, die ebenfalls gegen Schwangerschaftsabbrüche wettert und das Thema im rheinland-pfälzischen Landtag immer wieder einmal mit Anfragen auf die Tagesordnung bringt. „Die Abtreibungsgegner machen permanent Stimmung und sind inzwischen sehr gut organisiert“, resümiert Claudia Henteler. Das bekommen auch ihre Kolleginnen in der Pfalz zu spüren. Am wenigsten Probleme gibt es anscheinend in Kaiserslautern. Dort sind genug Ärzte vorhanden, die bereit sind, eine Schwangerschaft abzubrechen, sagt Elisabeth Dietrich von der zuständigen „Pro Familia“-Stelle. Auch von konservativem Gegenwind sei nichts zu spüren. Anders urteilt schon Pia Hardt aus Ludwigshafen. Zwar sei das Angebot an Ärzten im Ballungszentrum Mannheim/Ludwigshafen noch ausreichend. Aber Betroffene aus dem Rhein-Pfalz-Kreis und Umgebung müssten schon längere Fahrten und mehr organisatorischen Aufwand in Kauf nehmen. Und die Mitarbeiterin von „Pro Familia“ in Ludwigshafen erzählt von einem Arzt, der gerne sein Know-how und seine Praxis weitergeben möchte, aber keinen Nachfolger findet.

Frauenärzte im Kreis SÜW trauen sich nicht

In Landau schließlich ist die Situation schon fast so angespannt wie in Trier. „Bei uns gibt es überhaupt keinen Arzt, der diese Leistung anbietet“, sagt Christel Helbach von „Pro Familia“: „Das ist aber nicht neu; wir beklagen das schon seit Jahren.“ Im ländlich strukturierten Kreis Südliche Weinstraße traut sich seit langem kein Frauenarzt, Schwangerschaften abzubrechen. Zumal der konservative Gegenwind auch hier eher stärker wird. „Die Abtreibungsgegner bekommen Oberwasser, keine Frage“, stellt Helbach fest. Sie schickt Frauen, die abtreiben wollen, nach Ludwigshafen oder Karlsruhe. Inzwischen sind auch die ärztlichen Berufsverbände besorgt über die Entwicklung. Es müsse gewährleistet bleiben, sagt der Präsident der Bundesärztekammer, Ulrich Montgomery, „dass Ärzte betroffene Frauen nach medizinischen Standards versorgen können, ohne von so genannten Lebensschützern diffamiert und in der Ausübung ihres Berufs zum Teil massiv gestört zu werden.“ Pia Hardt von „Pro Familia“ sieht konkret die Gefahr, dass der Trierer Virus auf ganz Deutschland übergreift. An vielen Standorten herrsche schon ein ähnliches Bild oder beginne sich für die nahe Zukunft abzuzeichnen. Als der Ausschuss für Gleichstellung und Frauenförderung des Landtags vergangenes Jahr sich mit dem Thema beschäftigte, sah die rheinland-pfälzische Frauenministerin Anne Spiegel (Grüne) die Situation jedoch weniger dramatisch. Sie bestätigte zwar, dass 27 Prozent der Schwangerschaftsabbrüche von Rheinland-Pfälzerinnen in anderen Bundesländern vorgenommen würden. Allerdings seien von den im Jahr 2017 in Rheinland-Pfalz durchgeführten Abtreibungen knapp 30 Prozent auf Frauen aus anderen Bundesländern entfallen – vorwiegend aus Baden-Württemberg und Hessen. Diese Zahlen deuteten darauf hin, dass ein gewisser Austausch zwischen den Bundesländern normal sei: Es entspreche offenbar dem Bedürfnis von Frauen, den Eingriff nicht ortsnah vornehmen zu lassen. Die Wahl des Ortes für einen Schwangerschaftsabbruch habe persönliche und individuelle Gründe, sagte Spiegel. Diese Gründe seien nicht unbedingt medizinischer Natur und seien deshalb auch „kein Abbild einer Versorgungsstruktur“. Auch zur Situation in Trier gab es in der Landtagsausschuss-Sitzung ein unterschiedliches Bild. Der SPD-Abgeordnete Sven Teuber (Trier) sagte, an ihn werde immer wieder herangetragen, dass es in Trier nicht möglich sei, Schwangerschaftsabbrüche durchführen zu lassen. Ministerin Spiegel merkte dagegen an, „nach hiesigem Kenntnisstand“ gebe es dafür auch in Trier „Möglichkeiten“. Angaben zu medizinischen Einrichtungen und Arztpraxen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, macht das Ministerium allerdings nicht: Weil die Diskussion teilweise hoch emotional geführt werde, sei man darauf bedacht, den Datenschutz zu beachten und keine Adresslisten herauszugeben. 

91-118987053.JPG
x