Rheinland-Pfalz Preis-wert

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Die Pfälzer Fasnacht hat ein Problem. Mindestens drei Vereine suchen alljährlich einen Promi, um ihm einen Orden zu überreichen. Dafür benötigen sie jemanden, dem sich Verdienste um hehre und allgemein anerkannte Güter – also so etwas wie Völkerverständigung, die Gleichberechtigung der Frau oder kulturelle Verfeinerung – bescheinigen lassen. Außerdem sollte der Kandidat so bekannt sein, dass über die Ehrung (und den ehrenden Verein) groß berichtet wird. Bundesweit also, mindestens. Zugleich muss die zu würdigende Person bereit sein, für Null-Gage einen ganzen Abend in einem Pfälzer Mittel- bis Unterzentrum zu verbringen. Weshalb als neue Frankenthaler „Ritter von der Hobelbank“, als Empfänger des „Goldenen Winzers von Bad Dürkheim“ oder als Abnehmer des Schifferstadter Saumagen-Ordens bisweilen Stars eintrudelten, die auf den Höhepunkt ihrer ruhmreichen Karriere schon aus der sicheren Distanz einiger verstrichener Jährchen zurückblickten. Und doch finden sich in den langen Preisträger-Listen der Vereine auch Geehrte, die im Moment ihrer Würdigung noch voll im verdienstvollen Wirken standen. Gemeinhin handelte es sich bei ihnen um rheinland-pfälzische Ministerpräsidenten. Den „Derkemer Grawlern“ ist es gelungen, seit 1974 nahezu jedem Landesvater ihr Goldfigürchen zu überreichen. Leer ging nur Carl-Ludwig Wagner aus, er musste sich mit karnevalistischen Ehrungen in seiner Heimatstadt Trier begnügen. Seine Nachnachnachfolgerin Malu Dreyer hingegen nahm den Dürkheimer Orden 2016 in Empfang. Nun hat sie sich auch noch mit dem Saumagen der Schifferstadter „Schlotte“ schmücken lassen. Und mit dem feudalen Titel des Frankenthaler Carneval Vereins. Dieser Narrenclub allerdings hat im Nachhinein erkennen müssen, dass die Regierungschefin eine unordentliche Ordensträgerin ist. Denn sie schwänzte die Ritterschlag-Gala, entsandte nur einen mäßig bekannten Vertreter. Mit dem rheinland-pfälzischen Weiterbildungsminister hatten sich die Fasnachter zu begnügen – angeblich, weil seine Chefin bei den Sondierungsgesprächen in Berlin unverzichtbar war. Dabei wartete Deutschland da schon so lange auf eine neue Bundesregierung, dass für eine weitere Narretei allemal noch Zeit gewesen wäre. Doch auch ohne ihre Pflichtvergessenheit wäre Dreyer als Kandidatin für zusätzliche fasnachtliche Promi-Orden der Pfalz ausgeschieden: Die wichtigsten hat sie jetzt ja alle. Mit einem neuen Mainzer Regierungschef allerdings brauchen die Fasnachter nicht vor 2021 rechnen. Weshalb sie einstweilen die Oppositionsführerin Julia Klöckner würdigen könnten. Die hat als Spitzenkandidatin schon zwei Landtagswahlen verloren. Um sich doch noch beliebt zu machen, würde sie wohl auch zur Seniorenfasnacht in Kleinrinderfeld kommen, um sich dort mit der goldenen Rentnerbank ehren zu lassen – wenn es den Orden gäbe und der schöne Ort in Rheinland-Pfalz läge. Und auch Verdienste um hehre und allgemein anerkannte Güter hat sich die einstige Weinkönigin erworben – jedenfalls, wenn man sich an die Schifferstadter „Schlotte“ hält. Die haben ihre aktuelle Preisträgerin Dreyer jetzt gerühmt, weil sie sich in einer von Männern geprägten Welt durchgesetzt habe. Frauen können den Saumagen-Orden also dafür bekommen, dass sie ihre eigene Karriere befördert haben. Was auch Klöckner würdig macht. Doch es gibt einen Mann, der noch preis-werter ist. Denn er ist weltweit bekannt und hat trotzdem Zeit, um einen Abend in einem Pfälzer Mittel- bis Unterzentrum zu verbringen. Zudem sind ihm Großtaten für Völkerverständigung und die Gleichberechtigung der Frau zu bescheinigen. Denn er fördert blutjunge Damen aus Osteuropa, indem er alle paar Jahre eine von ihnen heiratet. Doch noch größer sind seine kulturellen Verdienste. Die nächsten Promi-Orden der Pfälzer Fasnacht gehen bitte an den Mann, der die Schönheit der deutschen und der englischen Sprache zu zelebrieren weiß wie kein anderer: an Lothar Matthäus. | Christoph Hämmelmann

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