Rheinland-Pfalz Pfälzer suchen nach Livio

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Geschichten wie diese haben nicht immer ein Happy End. Diese schon. Sie erzählt von einer unglaublichen Tour durch den Pfälzerwald, einer Welle der Hilfsbereitschaft und einer Familie, bei der für 48 Stunden der Ausnahmezustand herrscht. Die Hauptrolle spielt Livio: ein vier Jahre alter Podenco-Mischling aus Malaga.

Der braune Rüde war als Welpe in ein Tierheim in Malaga gekommen und dort aufgewachsen. Vor zwei Wochen ist er zu uns in die Pfalz nach Bad Dürkheim in den Stadtteil Hardenburg gezogen. Alles lief bestens, Livio nahm langsam Kontakt zu seinem neuen Rudel auf. Bis Freitag. Nach der morgendlichen Runde erschreckt sich Livio vor einem Auto und läuft statt in die Wohnung zurück in den Wald. Ja, er war auf der ganzen Strecke an der Leine, nur vor der Haustür gerade nicht. Alle Versuche, ihn dazu zu bewegen, wieder zu kommen, bringen nichts: Seine rund 80 Kilometer lange Tour beginnt. Der Freitag 9:30 Uhr: Polizei, Forstamt, Revierleiter und Tierhilfe werden informiert – und bei Facebook eine Suchmeldung mit seinem Foto veröffentlicht. Die entfacht innerhalb kürzester Zeit eine Welle der Hilfsbereitschaft und wird bis Sonntag mehrere hundert Mal in verschiedenen Facebook-Gruppen in der ganzen Pfalz geteilt. 13.30 Uhr: Die Kinder kommen aus der Schule. Charlotte (11) und Moritz (14) sind mit einem Podenco groß geworden, der Tod der Hündin vor zwei Jahren hat sie sehr beschäftigt. Bei Charlotte fließen zwar Tränen, aber sie bleibt tapfer. 14 Uhr: Tanja Axmann aus Jockgrim (Kreis Germersheim) meldet sich und gibt wertvolle Tipps, was zu tun ist, wenn wir Livio sehen. Axmann sucht ehrenamtlich nach vermissten Hunden in der Pfalz. „Setzen Sie sich auf den Boden, rufen Sie nicht und reden sie mit sich selbst, damit er ihre Stimme erkennt“, erklärt sie – und ich gebe es an die ganze Familie weiter. Die Tierschützerin weiß: „Wenn ein Hund verschwindet, sind die ersten zwei Tage entscheidend. Irgendwann geht das Tier in den Überlebensmodus über, dann kann es sein, dass es sogar die Stimme der Besitzer nicht erkennt.“ Darüber wollen wir noch nicht nachdenken. Aber erkennt er unsere Stimme überhaupt wieder nach nur zwei Wochen? 15 Uhr: Eine Autofahrerin hat Livio am Forsthaus Weilach, eine andere später am Forsthaus Lindemannsruhe entdeckt und auf der Fahrbahn fotografiert. Ihr Post wird uns nur Minuten später von anderen Facebook-Nutzern übermittelt. Livio ist, wir schätzen so rund acht Kilometer, einmal kreuz und quer durch den Wald von Hardenburg dorthin gelaufen. 15.05 Uhr: Mit der ganzen Familie geht es auf die Suche. Es folgen zwei weitere Meldungen aus der Gegend, auch eine Mitarbeiterin des Forthauses Lindemannsruhe unterstützt bei der Suche, die bis in die Nacht geht. Erfolglos. Bei Facebook kommen die Meldungen im Minutentakt. Hilfe wird angeboten, das Foto von Livio auf der Fahrbahn wird uns geschätzt 50 Mal übermittelt und auch viele Male geteilt. Einige Pfälzer fahren mehrfach langsam die Strecke ab, aus Angst, dass er überfahren werden könnte. Ich hasse die vielen Raser auf der engen Strecke an diesem Tag. 20 Uhr: Es wird dunkel. Um 23 Uhr brechen wir ab. Das Körbchen bleibt leer. Mein Fitnesstracker am Armgelenk zeigt 16,7 Kilometer und „Ziel erreicht“. Er ist mit seiner Meinung heute allein.

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