Rheinland-Pfalz Nun droht auch Sicherungsverwahrung

Beschuldigt die Gefängnispfarrerin: Sie habe eine Rasierklingen-Waffe in seine Zelle geschmuggelt, behauptet der 50-jährige Ange
Beschuldigt die Gefängnispfarrerin: Sie habe eine Rasierklingen-Waffe in seine Zelle geschmuggelt, behauptet der 50-jährige Angeklagte.

«Frankenthal.» Verbrecher können über das Ende ihrer Haftstrafe hinaus eingesperrt werden, wenn sie als potenzielle Wiederholungstäter gelten. So eine Sicherungsverwahrung steht auch im Frankenthaler Doppelmord-Prozess zur Debatte. Dabei hatte ein Psychiater zunächst verneint, dass die Angeklagten so gefährlich sind. Doch bei einem von ihnen zweifelt der Facharzt inzwischen an seiner ersten Diagnose.

Eigentlich könnte die Staatsanwaltschaft diesen mutmaßlichen Mörder jetzt auch noch mit ganz selten bemühten Abschnitten des Strafgesetzbuchs behelligen: Paragraf 307 zum Beispiel. Der droht jedem mindestens fünf Jahre Haft an, der eine Nuklear-Explosion vorbereitet. Und der einstige Betreiber einer Frankenthaler Wellness-Oase, Spitzname Can, hat vor Wochen einen Brief ans Landgericht geschickt, in dem er behauptet: Er habe weltweit 5000 Atombomben versteckt, die sich per Fernsteuerung zünden lassen. Mit steilen Thesen hat sich der 50-jährige inzwischen schon mehrfach hervorgetan: Weil er ein „unerwünschter Türke“ sei, hätten sich mit Gestapo-Methoden die Polizei und die Staatsanwaltschaft gegen ihn verschworen – sowie, zum Beispiel, auch seine Verteidigerin, eine Übersetzerin und die Medien. Hinter vorgehaltener Hand argwöhnen Juristen daher inzwischen, dass der 50-Jährige als geisteskrank dastehen will, um so seiner Strafe für den Mord an dem Ludwigshafener Bauunternehmer Ismail Torun und einem weiteren Geschäftsmann zu entgehen. Ein Psychiater hat sich auch längst mit „Can“ und seinen beiden mutmaßlichen Komplizen – einem 39-jährigen Landsmann und einer 50-jährigen Deutschen türkischer Abstammung – beschäftigt. Allerdings hat sich der Facharzt zunächst vor allem gefragt, ob das Trio allgemeingefährlich ist. Immerhin sollen die Angeklagten binnen weniger Wochen zwei wohlhabende Geschäftsleute entführt und erdrosselt haben, um so an Geld zu kommen. Außerdem sind weitere Fälle dokumentiert, in denen sie versuchten, noch mehr Unternehmer in eine Falle zu locken. Also müssen sich die Richter fragen, ob sie Verbrecher vor sich haben, die jederzeit wieder zuschlagen könnten. Denn gegen derart gefährliche Leute kann die Justiz zusätzlich zur Strafe für ihre Taten auch noch eine Sicherungsverwahrung verhängen. Das bedeutet: Die Betroffenen bleiben über das Ende ihrer Haftzeit hinaus hinter Gittern, damit die Allgemeinheit vor ihnen geschützt wird. Doch der für den Doppelmord-Prozess zuständige Psychiater Peter Haag signalisierte zunächst, dass so ein Dauer-Arrest auf unbestimmte Zeit in diesem Fall überzogen wäre. In einer geheimen ersten Stellungnahme schrieb er nach RHEINPFALZ-Informationen sinngemäß: Falls die drei Angeklagten die ihnen vorgeworfenen Taten wirklich begangen haben, dann war es ein gruppendynamischer Prozess, der sie derart enthemmte. Was im Umkehrschluss bedeutet: So lange sie sich nicht wieder zusammentun, droht auch keine Wiederholungsgefahr. Doch das war nur eine vorläufige Diagnose, die sich noch verändern kann. Schließlich soll Haag in sein Gutachten auch einbeziehen, was er im Gerichtssaal über die Angeklagten erfährt. Herausgekommen ist dort zum Beispiel, dass Justizbeamte in der Frankenthaler Zelle des 50-Jährigen eine selbstgebastelte Rasierklingen-Waffe entdeckt haben. Woraus sich schließen lassen könnte, dass „Can“ sich auch ohne seine beiden Mittäter für Gewalttaten wappnet. Also hat der Psychiater mittlerweile erkennen lassen: Dieser Fund lässt ihn doch wieder über Sicherungsverwahrung für den einstigen Wellness-Anbieter nachdenken. Der allerdings behauptet: Das Klingenkonstrukt wurde ihm untergeschoben – von der Anstaltspfarrerin. Also steht die Seelsorgerin nun für den nächsten Verhandlungstag am morgigen Mittwoch auf der Zeugenliste. Zusammen mit Häftlingen, die etwas über das Eigenbau-Schneidewerkzeug sagen sollen. Zuletzt allerdings hatte der 50-Jährige Pech mit Gefängnis-Insassen, von denen er sich Entlastung erhoffte. Er hatte diverse Mitgefangene vorladen lassen, die bezeugen sollten, dass er von seinem 39-jährigen Mitangeklagten bedroht wird. Dem wirft er schließlich vor, ihn zusammen mit seiner ominösen Verbrecherbande zu den Unternehmer-Entführungen gezwungen zu haben. Doch entsprechende Belege blieben bislang aus. Stattdessen berichtete ein Häftling: Während der Fahrt ins Gericht habe ihm der 50-Jährige für eine ihm genehme Aussage eine sechsstellige Summe versprochen. Doch wenigstens bleibt „Can“ Ärger wegen der Vorbereitung einer Nuklear-Explosion erspart: Die Staatsanwaltschaft hat seine Geschichte mit den weltweit verteilten 5000 ferngesteuerten Atombomben als völlig unglaubwürdig beiseitegelegt.

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