Rheinpfalz Mehr als nur ein Sprachkurs

91-80967320.jpg

MAINZ. Ein sonniger Tag im März. Auf dem Campus der Johannes Gutenberg-Universität ist an diesem Vormittag nicht viel los – nicht verwunderlich, denn eigentlich sind Semesterferien. Hörsaal 13 im Gebäude der evangelisch-theologischen Fakultät füllt sich trotzdem allmählich. Rund 50 Studenten werden sich an diesem Nachmittag mit Sigma- und Iotastämmen, Konjunktiven und Übersetzungen beschäftigen. Sie nehmen teil am Blockseminar Altgriechisch für Fortgeschrittene: dreimal die Woche von 12 bis 18 Uhr, sechs Wochen lang in den Semesterferien. Pflichtseminar für Theologie-, Philosophie-, und Latinistikstudenten. „Die wollen nicht zu mir, die müssen“, erklärt Dozentin Julia-Maria von Schenck zu Schweinsberg und lacht. Tatsächlich gibt es wohl Schöneres, womit mit man seine Ferien verbringen könnte. Dennoch scheint hier niemand darunter zu leiden, dass er diesen sonnigen Nachmittag in dem kargen Hörsaal verbringen muss. Aufmerksam hören die Studenten ihrer Dozentin zu, als sie ihnen erklärt, warum an einer Stelle im Text die eine Verbform verwendet wird und nicht die andere. „Ist das allen klar?“, fragt von Schenck in die Runde, nachdem sie die altgriechischen Wörter an die große grüne Schiebetafel geschrieben hat. „Seien Sie ehrlich. Ich erkläre es lieber noch fünfmal.“ Viel Zeit verbringt von Schenck an der Tafel und am Rednerpult nicht. „Ich möchte die Studenten nicht von vorne beschallen“, erklärt sie. Viel lieber läuft sie zwischen den Sitzreihen herum, setzt sich mal hier, mal dort auf eine Bank. Wenn sie eine Frage stellt, schaut kein Student verlegen zur Seite, in der Hoffnung, nicht aufgerufen zu werden. „Ich zwinge niemanden zu antworten. Sowas habe ich als Studentin selbst gehasst“, sagt von Schenck. „Aus der griechischen Antike stammt ja der Dialog. Den praktizieren wir hier auch.“ Dialoge und Diskussionen entwickeln sich während der Vorlesung oft, und zwar nicht nur zu grammatischen Fragestellungen. Der Text einer Übersetzungsübung liefert das Stichwort: Schon erörtern die Studenten das sokratische Prinzip der Mäeutik. Wenig später diskutieren sie den Demokratie-Begriff. Die Dozentin ermutigt ihre Studenten zu solchen Gesprächen. „Ein Altgriechischkurs darf nie reiner Sprachunterricht sein, dann ist er falsch“, findet sie. Man müsse die Prinzipien der griechischen Philosophie aktiv umsetzen. „Die Studenten profitieren dann auch in anderen Vorlesungen von dem, was sie hier lernen.“ Seit 2010 ist von Schenck Lektorin für Altgriechisch an der Johannes Gutenberg-Universität, zunächst dozierte sie an der Klassischen Philologie, seit 2014 ist sie fest an der Evangelisch-Theologischen Fakultät angestellt. Von einem Lehrberuf habe die junge Frau schon immer geträumt. Als Sechsjährige habe ihr Lieblingsspiel folgendermaßen ausgesehen: „In der Garage meiner Eltern habe ich eine alte Tafel aufgehängt und alle Nachbarskinder mit Pflichtunterricht genervt, komplett mit Hausaufgaben und allem“, erzählt von Schenck, die 1983 in Fulda geboren wurde. Mit Altgriechisch kam sie bereits während ihrer Schulzeit an einem altsprachlichen Gymnasium in Berührung, wo sie auch Latein lernte. Beide Sprachen studierte von Schenck in Mainz und in Rom. An der Gutenberg-Universität promovierte sie zudem mit einer Dissertation über Hymnen. Von Schenck beherrscht nicht nur tote Sprachen, sie kann sich auch auf Französisch, Italienisch und Spanisch unterhalten. „Das war ein Deal, den ich damals mit meinem Vater gemacht habe. Der hatte nämlich Angst, dass ich bei den ganzen toten Sprachen ’anstaube’“, erzählt sie schmunzelnd. Auch Neugriechisch habe sie neben dem Studium gelernt. Zweimal im Jahr hat von Schenck die Möglichkeit, ihre Sprachkenntnisse in Athen zu testen: Dort engagiert sich die Dozentin ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe, hilft unter anderem in einer Suppenküche aus. Um sich mit den Flüchtlingen verständigen zu können, habe sie sogar extra Farsi gelernt. Die Kommunikation mit ihren griechischsprechenden Bekannten funktioniere hingegen „mittelmäßig“, zu stark komme die Gräzistin in ihr durch: „Die lachen immer und sagen, ich würde sprechen wie Leute aus dem Mittelalter“. Ihre Studenten – von denen manche sogar aus Bonn oder Koblenz anreisen, um an ihren Kursen teilzunehmen – begleitet von Schenck drei Semester lang. Dann, nach drei aufeinander aufbauenden Kursen und mehreren mündlichen sowie schriftlichen Prüfungen, haben sie ihr Graecum in der Tasche. Die Durchfallquote sei sehr gering. „Ich versuche, hier eine gute Atmosphäre aufzubauen. Dann hat man auch eine gute Beziehung zur Materie.“

x