Rheinland-Pfalz Mainz: Ausgaben für Geduldete werden neu geschätzt

Damit die Kommunen entlastet werden, sollten noch mehr Migranten in den zentralen Aufnahmeeinrichtungen bleiben, fordert die AfD
Damit die Kommunen entlastet werden, sollten noch mehr Migranten in den zentralen Aufnahmeeinrichtungen bleiben, fordert die AfD.

Für den Unterhalt abgelehnter, aber geduldeter Asylbewerber bekommen die Kommunen derzeit vom Land eine Pauschale von 35 Millionen Euro pro Jahr. Die AfD allerdings meint: In Wirklichkeit dürften den Städten und Kreisen Kosten entstehen, die etwa zweieinhalb mal so hoch liegen. Dahinter steckt eine Kalkulation, gegen die das Integrationsministerium eine Menge Argumente setzt – aber noch keine eigene Berechnung.

Hinter den Kulissen in Mainz wird gerade gerechnet. Überprüft werden soll, ob die Kommunen in Rheinland-Pfalz einen angemessenen finanziellen Ausgleich für die Ausgaben bekommen, die ihnen abgelehnte, aber geduldete Asylbewerber bescheren. Seit 2016 erhalten Städte und Kreise dafür eine Pauschale von jährlich 35 Millionen Euro. Doch Matthias Joa, migrationspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag, meint: Die wirklichen Kosten dürften bei deutlich mehr als 90 Millionen Euro liegen. Ausgangspunkt seiner Kalkulation ist ein Monatsbetrag von 848 Euro. Den bekommen die Kommunen für jeden bei ihnen untergebrachten Flüchtling, so lange das Migrations-Bundesamt noch nicht über dessen Schicksal entschieden hat. Die Logik hinter der Rechnung des Südpfälzer Abgeordneten: Ob sein Asylantrag noch geprüft wird oder schon abgelehnt ist, ändert nichts an dem, was ein Zuwanderer zum Leben braucht. Demnach könnte man den Betrag mal zwölf nehmen, um eine Jahressumme für einen abgelehnten, aber geduldeten Zuwanderer zu schätzen.

Verschiedene Zahlen zur Grundlage

Um von dort aus auf die Gesamt-Kosten für die Kommunen zu kommen, wäre die so ermittelte Summe dann nur noch mit der Gesamt-Anzahl der Personen zu multiplizieren, die im Land leben, obwohl sie eigentlich wieder in ihre Heimat sollen. Doch da fangen die Probleme schon an. Joa beruft sich aufs Ausländer-Zentralregister des Bundes, kommt so auf 9.049 Ausreisepflichtige zum Stichtag 30. Juni 2018. Damit wäre ihre Anzahl binnen weniger Monate kräftig gestiegen, für den 30. April hatte die Landesregierung noch 6.520 solcher Personen vermeldet. Doch eine Sprecherin des Mainzer Integrationsministeriums sagt sinngemäß: Das Verzeichnis des Bundes ist irreführend, weil es nicht richtig gepflegt wird. Denn dort werden neben 6628 ausreisepflichtigen, aber geduldeten Ausländern auch 2411 Menschen ohne so eine Abschiebe-Aussetzung aufgeführt. Obwohl die praktisch jedem bewilligt wird, der zwar eigentlich wieder in seine Heimat soll, aber nicht dorthin gebracht werden kann – zum Beispiel, weil die Zustände dort als zu katastrophal gelten, oder weil die für die Heimreise nötigen Papiere fehlen.

Widerspruch aus der Landesregierung

Bei gut 2.400 vermeintlich ausreisepflichtigen Ausländern dürfte es sich daher überwiegend um Menschen handeln, die ganz legal und mit vollen Rechten in Deutschland leben, weil sie aus Staaten hergezogen sind, die später der EU beitraten. Doch dann waren zur Jahresmitte trotzdem noch gut 6.600 ausreisepflichtige, aber geduldete Personen im Land. Und sie müssten nach Joas Logik die Kommunen jährlich mehr als 67 Millionen Euro kosten – womit die Ausgaben immer noch fast doppelt so hoch wären wie die Pauschale, die das Land im Gegenzug bereitstellt. Doch auch da kommt Widerspruch aus der Landesregierung: weil sich die für einen bestimmten Stichtag festgestellte Personen-Anzahl nicht umstandslos aufs ganze Jahr übertragen lasse. Weil Geduldete auch arbeiten dürfen und dann weniger oder gar keine Sozialleistungen mehr bekommen. Und weil bei den wirklichen Ausgaben noch jede Menge Feinheiten zu beachten seien. Das in Mainz gezogene Fazit lautet daher: Mit dem AfD-Rechenmodell können die Kosten für die Kommunen nicht seriös geschätzt werden, „und zwar auch nicht annäherungsweise“. Eine eigene Kalkulation bleibt das von Anne Spiegel (Grüne) aus Speyer geführte Integrationsministerium allerdings schuldig, zumindest vorerst. Eine Sprecherin verweist auf einen laufenden Evaluationsprozess, dessen Ergebnisse noch ausstehen. Und auch die rheinland-pfälzische Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände hält sich bedeckt, vertröstet auf „Anfang bis Mitte Dezember“. Der AfD allerdings geht es mit ihrem Rechenvorschlag ohnehin weniger darum, eine höhere Landespauschale für die Kommunen herauszuschlagen.

Massenunterkünfte vertretbar?

Joa fordert stattdessen unter anderem, dass mehr Neuankömmlinge gar nicht erst auf die Kommunen verteilt werden, sondern in den zentralen Aufnahmeeinrichtungen bleiben. Denn dort muss das Land für sie aufkommen. Außerdem seien sie so billiger zu versorgen – und leichter für eine Abschiebung festzuhalten. Das Integrationsministerium allerdings kontert auch da. Schließlich folge es selbst diesem Konzept schon seit 2015, aber nur so weit, wie es auch sinnvoll sei. Eine Sprecherin sagt: „Massenunterkünfte, in denen Familien im Zweifel über mehrere Jahre verharren müssten, sind auch aus humanitären und sozialen Gesichtspunkten nicht vertretbar.“ 

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