Rheinland-Pfalz Kerosin: SPD fordert neue Studie

Die häufigen Kerosinablässe über dem Pfälzerwald verunsichern die Menschen in der Region. Im Spätsommer vergangenen Jahres kam e
Die häufigen Kerosinablässe über dem Pfälzerwald verunsichern die Menschen in der Region. Im Spätsommer vergangenen Jahres kam es zu einer Kundgebung bei der Totenkopfhütte.

Was kommt unten an? Auf diese entscheidende Frage hat der am Mittwoch veröffentlichte Bericht des Umweltbundesamtes eine Antwort auf Basis von Berechnungen gegeben. „Das kann aber nicht das letzte Wort sein“, sagt Alexander Schweitzer, Chef der SPD-Fraktion im Mainzer Landtag. Er fordert eine weitere Studie. Dann aber auf der Grundlage von Messungen.

Manche Pfälzer schenken seit einiger Zeit dem Himmel über ihren Köpfen besondere Aufmerksamkeit. Und zwar vor allem dann, wenn sie einen relativ niedrig fliegenden Jet beobachten, aus dessen Tragflächen weiße Streifen ausströmen. Mit einem Blick auf die im Internet veröffentlichten Radardaten von aktuellen Flugbewegungen lässt sich ein erster Verdacht oft erhärten oder ausräumen: War das schon wieder ein Fall von Treibstoffablass? Diese Befürchtung kann begründet sein, wenn eine Maschine erst vor kurzem gestartet ist: Hat sie zunächst Kurs auf ihren Zielflughafen in Übersee genommen, um dann plötzlich umzudrehen und mehrere Schleifen über Hunsrück, Saarland und Pfälzerwald zu drehen? Falls ja, könnte das wieder ein Fall von akutem Kerosinregen sein. Eine Bestätigung gibt es dafür von der Flugsicherung, dem Luftfahrtbundesamt oder der betreffenden Fluggesellschaft. So war das auch am letzten Juli-Samstag vergangenen Jahres. Damals hat RHEINPFALZ-Leser Klaus Wittig über seinem Wohnort Kerzenheim bei Grünstadt einen Cargolux-Frachtjumbo beobachtet. Binnen einer Stunde tauchte die Maschine viermal über der Gemeinde auf. Am folgenden Montag bestätigte die Flugsicherung: 92 Tonnen Kerosin seien in etwa 4600 Metern Höhe versprüht worden. Als Begründung habe der Pilot Fahrwerksprobleme angegeben.

Wann sind Gefahren akut?

Beim bisher letzten Fall am 27. April 2019 war es eine Störungsanzeige für eines der vier Triebwerke eines Lufthansa-Jumbos, die zum Ablassen von 60 Tonnen Kerosin über der Pfalz und Umgebung führte. Dies kann allein der Flugzeugführer entscheiden, heißt es im juristischen Teil der  vom Umweltbundesamt veröffentlichten 16-seitigen Zusammenfassung einer Studie zu den Folgen von Treibstoffablässen. Voraussetzung für eine solche Entscheidung sei „eine Gefahr für Personen im Luftfahrzeug, die nur durch den Treibstoffschnellablass und die umgehende Sicherheitslandung behoben werden kann“. Die Gutachter sehen „einen überragenden Stellenwert“ der Rechtsgüter Menschenleben (von Besatzung und Passagieren) und hohe wirtschaftliche Werte. Diese beiden Rechtsgüter hätten „ohne weiteres Vorrang gegenüber den durch einen Treibstoffschnellablass betroffenen Rechten beziehungsweise Interessen der Menschen am Boden“. Nicht angesprochen wird – zumindest in der veröffentlichten Zusammenfassung der Studie – welche konkreten Ereignisse und technischen Störungen es rechtfertigen, von Gefahren für Personen im Flugzeug auszugehen. Im Falle von Treibstoffablässen können die Gefahren nicht wirklich akut sein. Sonst bliebe dem Piloten nicht genügend Zeit, um ein Ablassgebiet erst anzusteuern, dort 30 bis 60 Minuten lang Kerosin zu verströmen und erst dann zu landen. Ist darunter trotzdem eine „umgehende Sicherheitslandung“ zu verstehen? Die Gutachter zitieren zudem eine Vorschrift, wonach ein Treibstoffablass „möglichst abseits großer Städte durchgeführt werden soll“. Warum eigentlich, so ist zu fragen, wenn doch laut ihrer eigenen Bewertung unten höchstens „unkritische“ Belastungen zu erwarten sind? Diese Vorschrift „konzidiere zumindest die Möglichkeit einer gewissen Beeinträchtigung, die vermieden werden soll“, heißt es dazu in der Zusammenfassung der Studie. Im Umkehrschluss bedeutet das: Diese „gewisse Beeinträchtigung“ wird dann aber allein den ländlichen Regionen zugemutet. Die Ergebnisse der chemischen und physikalischen Modellrechnungen hat sich der Mainzer Toxikologe Bernd Kaina angeschaut. Es könne „eine gewisse Entwarnung gegeben werden“, sagte er gestern Abend in einer ersten Einschätzung. Zu begrüßen sei die Empfehlung, die Kerosin-Belastungen auf wechselnde Gebiete zu verteilen. Wären zusätzlich zu den Modellberechnungen auch Messungen der tatsächlichen Umwelt-Auswirkungen sinnvoll? Die könnten die Bevölkerung durchaus beruhigen, meint der Mainzer Toxikologe. Auch der Mainzer SPD-Fraktionschef Alexander Schweitzer hält Messungen für notwendig. Er plädiert sogar für eine weitere Studie, in die deren Ergebnisse einfließen sollten. „Nur so kann Klarheit geschaffen werden.“ Bisher gebe es dazu aber meist nur jahrzehntealte Literatur. Es sei deshalb notwendig, dass das Messnetz „in Abstimmung zwischen Bund und Land ausgeweitet“ werde. Gerade erst wurden im Hunsrück und im Kreis Kusel an der Grenze zum Saarland zwei vorhandene Messstationen, die in möglichen Ablassgebieten liegen, nachgerüstet: Auch sie können nun Kohlenwasserstoffverbindungen wie Kerosin aufspüren. Beim letzten Treibstoffablass am 27. April haben sie keine auffälligen Werte registriert. Im übrigen – darauf weist der südpfälzische CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Gebhart hin – seien mit den Messungen der Luft- und Bodenqualität allein die Bundesländer und nicht der Bund beauftragt. Dies gehe aus einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages hervor. Der Bericht über die Kerosinstudie des Umweltbundesamtes kann unter www.umweltbundesamt.de im Internet eingesehen werden. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Gustav Herzog veranstaltet am Samstag, 11. Mai, in Kaiserslautern ein Fachgespräch mit Experten zum Thema Treibstoffablässe. Und zwar von 14 Uhr bis 16 Uhr im Fraunhofer IESE, Fraunhoferplatz 1 in Kaiserslautern. Herzog bittet aus organisatorischen Gründen bis zum 10. Mai um eine Anmeldung unter seiner Mailadresse gustav.herzog.wk@bundestag.de.

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