Rheinland-Pfalz Interview: Wie sich der Winterblues vertreiben lässt

Wer in den Wintermonaten viel körperlichen Kontakt hat, schüttet vermehrt ein Wohlfühlhormon aus, sagt der südpfälzische Psychol
Wer in den Wintermonaten viel körperlichen Kontakt hat, schüttet vermehrt ein Wohlfühlhormon aus, sagt der südpfälzische Psychologe und Buchautor Hans Günter Weeß. Das kann gegen den Winterblues helfen.

Hans Günter Weeß, Leiter des Schlafzentrums am Pfalzklinikum in Klingenmünster, hat gerade beim Verlag Droemer und Knaur sein neuestes Buch veröffentlicht. Der Titel: „Schlaf wirkt Wunder“. Darin beschäftigt sich der Psychologe und Psychotherapeut auch mit dem „Winterblues“ und wie man ihn in die Schranken weisen kann. Jürgen Müller hat Weeß befragt, wie sich die dunkle Jahreszeit mit Schwung und guter Laune überstehen lässt. Und wie auch noch dem Winterspeck beizukommen ist.

Im Winter kommen wir häufig nur mit Mühe aus den Federn. Dafür könnten wir abends mit den Hühnern ins Bett gehen. Woran liegt das?

Wenn es morgens lange dunkel ist, fehlt unserer inneren Uhr das zentrale Wecksignal, das Licht. Und am Abend wird es früh dunkel, was unserem Gehirn ein frühes „Schlafsignal“ sendet und uns früh müde und träge werden lässt. Vorbei der sommerliche Elan, wo man abends noch Sport getrieben hat, sich mit Freunden im Biergarten traf oder im Garten gegrillt hat. Es beginnt die Zeit von Gemütlichkeit, Kaminfeuer, warmem Tee und Kuscheldecke auf dem Sofa. Das klingt nach Wohlbehagen. Doch die kalte Jahreszeit kann einem regelrecht aufs Gemüt schlagen. Was passiert da mit uns? Wenn die Tage immer kürzer werden und das Licht fehlt, ist es für viele tatsächlich vorbei mit der Gemütlichkeit. Die Stimmung rauscht in den Keller, Grübeleien sind an der Tagesordnung. Die Menschen kämpfen mit Lust- und Antriebslosigkeit, um den Anforderungen von Arbeit und Familie gerecht zu werden. Manche verlieren diesen Kampf und rutschten in die Winterdepression. Schlechte Laune oder keine Lust für gar nix hat doch jeder mal. Ist das nicht was Vorübergehendes wie ein harmloser Schnupfen? Nein. Die Winterdepression ist keine Bagatelle, sondern eine ernsthafte Erkrankung, die der Behandlung bedarf. In Deutschland leiden zwei bis drei Prozent der Bevölkerung an der Saisonal abhängigen Depression (SAD). Deren Symptome sind dieselben wie bei der Depression: Lustlosigkeit, Antriebslosigkeit, Freudlosigkeit, Traurigkeit, fehlendes Selbstbewusstsein, Schuldgefühle, Schlafstörungen sowie körperliche Symptome wie Magen- oder Rückenbeschwerden. Was geht da im Körper vor? Schuld ist der Schlafbotenstoff Melatonin. Er wird bei Dunkelheit ausgeschüttet. Das Schlafhormon macht müde und fördert den Schlaf. Es hat auch eine dunkle Seite, es ist als Stimmungskiller für das winterliche Stimmungstief verantwortlich. Hinzu kommt, dass in den dunklen Wintermonaten unter dem Einfluss des Lichtmangels Serotonin – das ist ein Botenstoff, der uns die gute Laune bringt – in unserem Gehirn nicht mehr ausreichend gebildet wird. In Ländern nördlich des 40. Breitengrades, der in etwa auf der Höhe von Rom liegt, fällt die Sonnenstrahlung als natürliche Vitamin-D-Quelle weg. Vitamin D-Mangel schwächt unser Immunsystem und unterstützt die winterliche Lethargie zusätzlich. Nicht zuletzt verändern wir – meist unbewusst und evolutionsgesteuert – unser Ernährungsverhalten in der dunklen und kalten Jahreszeit. Wir essen kohlenhydrat- und fettreicher. Das schwere Essen macht zusätzlich träge und der angesetzte Winterspeck trägt ebenfalls nicht gerade zur Stimmungsaufhellung bei. Wie können wir diesen winterlichen Negativeinflüssen Paroli bieten? Als erstes können wir am Morgen den Körper in Schwung bringen: Beginnen Sie den Tag mit einer wechselwarmen Dusche oder Frühsport. Beides aktiviert das Herz-Kreislaufsystem und vertreibt die Müdigkeit. Bewegen Sie sich möglichst viel im Freien, denn auch im Winter ist dort im Gegensatz zu den dunklen Wohn- und Büroräumen das Licht noch ausreichend, um den Stimmungskiller und Müdemacher Melatonin am Tage in die Schranken zu weisen. Eine halbe Stunde sollte es allerdings mindestens sein. Was können Berufstätige tun, die morgens im Dunkeln zur Arbeit gehen und abends im Dunkeln heimkommen? Holen Sie sich die Sonne ins Haus. Lichttherapielampen enthalten das Blaulicht der Sonne. Am Morgen angewendet – mindestens 10.000 Lux für eine halbe Stunde – unterdrücken sie die Melatoninproduktion am Tage. Sie können nicht nur bei Schlafstörungen, sondern auch beim Winter-Stimmungstief Wunder bewirken. Kann man sich vielleicht auch glücklich essen, ohne dabei zusätzliches Hüftgold anzusetzen? Ernähren Sie sich von leichter Kost, die viel L-Tryptophan und Vitamin D enthält: Fischsorten wie Lachs und Heringe sind reich an Vitamin D und stärken die Muskulatur, das Immunsystem und die Abwehrkräfte. Eiweißreiche Kost, wie Fische, Eier, Quark und Käse bringt wieder das Lächeln ins Gesicht. Sie enthalten L-Tryptophan, welches in Kombination mit Kohlenhydraten die Blut-Hirn-Schranke überwindet, um dort das für die gute Stimmung wichtige Serotonin zu bilden. War das schon alles oder haben Sie noch einen Tipp parat? Viel kuscheln: Kuscheln hilft ebenfalls gegen den Winterblues. Wer in den Wintermonaten viel körperlichen Kontakt hat, schüttet vermehrt das Wohlfühlhormon Oxytocyn aus. Bereits eine tägliche Massage von zehn Minuten kann die Stimmung aufhellen. Aber beachten Sie bitte: Selbstberührungen sind leider nicht wirksam! Und wenn all das nicht funktioniert? Wer eine ernsthafte Winterdepression entwickelt hat, sollte ärztliche und psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nehmen. Neben der Psychotherapie kann es notwendig werden, für eine gewisse Zeit auch durch Medikamente eine Verbesserung der Beschwerden zu erzielen.

Hans Günter Weeß
Hans Günter Weeß
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